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Re: Reproduktionsrechte/kosten



Prof. Dr. Herrad Spilling wrote:
> 
> Liebe Kolleginnen und Kollegen,
> 
> folgenden Aufruf hat das Comité International de Paléographie Latine
> gestartet ; Aesserungen dazu waeren willkommen!
> 
> Mit freundlichem Gruss,
> Herrad Spilling
> 
> http://www.wlb-stuttgart.de/archive/repro-gebuehren.html
> http://www.wlb-stuttgart.de/archive/repro_fees.html
> 
> Prof. Dr. Herrad Spilling

Liebe Listen!

Ich darf nochmals den Aufruf zitieren, dem ich mich voll und ganz
anschliessen moechte:

"Seit einigen Jahren erheben Bibliotheken, Archive und Museen immer
häufiger Gebühren für
die bloße Genehmigung, photographische oder elektronische Reproduktionen
von einzelnen
Stücken ihrer Sammlungen zu bestellen und anschließend zu Abbildungen in
Publikationen zu
verwenden, seien es Handschriften, gedruckte Bücher, Aufzeichnungen,
epigraphisches
Material, Bildinschriften oder ähnliche Zeugnisse.

Sobald nun eine wissenschaftliche Untersuchung eine größere Anzahl von
Abbildungen
                        erfordert, erwachsen dem einzelnen Autor dadurch
Kosten in einer Höhe, die er nicht zu
                        tragen vermag, stehen den
Geisteswissenschaftlern doch nur sehr begrenzte Forschungsmittel
                        zur Verfügung. Dieser finanzielle Druck hat
empfindliche Folgen: der Autor muß darauf
                        verzichten, seine Untersuchung in angemessener
Weise zu illustrieren, und schlimmstenfalls
                        muß er seine Forschungsabsicht überhaupt
aufgeben, wenn Abbildungen dafür unerläßlich
                        sind wie meist auf den Gebieten der
Paläographie, Codicologie und Diplomatik. So werden
                        jene Bibliotheken, die die höchsten Gebühren
verlangen, ihre Benutzer schließlich vertreiben
                        und damit eine ihrer wesentlichen Pflichten
verraten, nämlich die Erforschung ihrer Bestände
                        zu fördern. 

Das Bureau des Comité international de paléographie latine ruft deshalb
alle nationalen und
                        lokalen Verwaltungen sowie die Verantwortlichen
in privaten Bibliotheken und Archiven
                        dazu auf, über die eigentlichen
Herstellungskosten hinaus keine zusätzlichen Gebühren zu
                        erheben, sofern es sich um rein
wissenschaftliche Forschung ohne kommerziellen
                        Hintergrund handelt."

Als Benutzer habe ich die Praxis der Erhebung von Reproduktionsgebuehren
in Archiven, Bibliotheken und Museen schon wiederholt kritisiert. Die
deutsche Rechtslage enthaelt, wie ich in meiner Ausarbeitung unter

http://www.uni-koblenz.de/~graf/kultjur.htm

ausfuehrlich begrundet habe, keine Rechtfertigung fuer solche Gebuehren,
die Kulturgut betreffen, das urheberrechtlich gemeinfrei ist und daher
von allen frei genutzt werden darf. Bei einfachen originalgetreuen
Reproduktionsfotografien entstehen auch keine Leistungsschutzrechte an
der Fotografie. Zum US- und englischen Recht s. die
Bridgeman-Entscheidung zu der unter
http://www.uni-koblenz.de/~graf/museumr.htm
die wichtigsten Links zu finden sind.

Dies bedeutet uebrigens auch, dass auch kommerzielle Anbieter nicht
grundlos zur Kasse gebeten werden duerfen.

Der wissenschaftliche Autor ist in einer Zwickmuehle. Herausgeber
waelzen zunehmend den Erwerb der sog. Bildrechte auf ihn ab, waehrend
die Institutionen natuerlich darauf verweisen, dass Verlagspublikationen
IMMER einen kommerziellen Hintergrund haben. Verlage sind schliesslich
entgegen ihrer Selbstdarstellung keine Wohlfahrtsunternehmen.

Auf der Website von Foto Marburg ist zu lesen:

"Foto Marburg stellt seine kunstgeschichtlichen Fotografien jedem
Interessierten möglichst kostengünstig zur Verfügung. Es ist
    jedoch haushaltsrechtlich zur Erzielung von Einnahmen verpflichtet.
Deshalb kommt es nicht umhin, Reproduktionsgebühren zu
    erheben, wo seine Fotografien kommerziell genutzt werden. Um eine
kommerzielle Nutzung handelt es sich selbstverständlich
    auch dann, wenn ein Verlag für eine Publikation einen
Druckkostenzuschuß bekommt und sein verlegerisches Risiko dadurch
    weiter minimiert, daß er den Erwerb der Bildrechte dem Autor
aufbürdet, um seine Gewinnaussichten zu optimieren."

Diese Argumentation fuehrt dazu, dass die Verlage auf stur schalten,
weil sie durch zusaetzliche Kostenfaktoren ihren Gewinn nicht schmaelern
wollen und den Autor dann kuehl bescheiden, er habe keinen Anspruch auf
eine Bezahlung der Bebilderung durch den Verlag.

Gibt es Ermaessigungstatbestaende in den Gebuehren- oder
Entgeltverzeichnisse, so haengt es oft vom freien Ermessen der
Institutionen und oft auch von persoenlichen Beziehungen ab, ob eine
Publikation davon profitieren kann.

Im Internet verschaerft sich das Problem, wenn man etwa von der Bodleian
in Oxford bei der Anfrage, ob man fuer palaeographische Vergleiche den
Scan einer Handschriftenseite auf eine nichtkommerzielle,
wissenschaftliche Internetseite

http://www.uni-koblenz.de/~graf/ruch.htm

stellen duerfe, so beschieden wird:

"Our current rules forbid the mounting of copyright 
photographs of Bodleian manuscripts on websites (even not-for-profit 
websites) other than the sites of Oxford University itself. Our rules do 
allow this to be done on limited-access (e.g. password-controlled)
sites, 
though a licensing fee is then involved."

Im deutschen Recht darf sich die Wissenschaft uebrigens auf das
Zitatrecht des Urheberrechts auch bei geschuetzten Reproduktionen und
Kunstwerken berufen. Die Lektuere eines oest. Urteils zum Bildzitat ist
lohnend, da auch auf die deutsche Rechtslage eingegangen wird:

http://www.rechtsprobleme.at/doks/urteile/bildzitat.html

Zum Zitatrecht vgl. man auch:
http://www.uni-leipzig.de/urheberrecht/ressrc/material/seminare/digiurhr/woetzel-zitierprivileg.pdf
(2001)

Nochmals: ABM-Institutionen verwahren Kulturgut, das allgemein
zugaenglich sein sollte und das in reproduzierter Form der Forschung
(aber auch anderen) ohne zusaetzliche Gebuehren, die ueber die
Herstellungskosten hinausgehen, zugaenglich sein muss.

Dr. Klaus Graf


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.