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Re: 5 Jahre Rechtschreib-Debakel



Danke für diesen Beitrag! Sie bringen die Probleme auf den Punkt und es bleibt nur noch hinzuzufügen, dass in der Schweiz (und in Österreich) alles noch ein bisschen komplizierter ist.

Mit den besten Grüssen aus dem nationaltagfeiernden Basel

Peter Haber

Bernhard Eversberg wrote:

Fünf Jahre nach Inkrafttreten der sog. Rechtschreibreform läßt sich der Umgang mit Orthographie und Interpunktion in Deutschland nur noch als chaotisch bis anarchisch bezeichnen. Erst in zwei Jahren wird sie wirklich verbindlich (im Bereich staatlicher Regelungskompetenz! Bei der Presse also nicht, d.h. die FAZ kann fuer immer bei der alten Schreibung bleiben), vorbehaltlich einer noch ausstehenden Bewertung. Weitverbreitet ist eine wurstige Gleichgueltigkeit, was schon zu Anfang befuerchtet worden war. Kenntnisse haben ab- statt zugenommen, und das liegt nicht zuletzt an der "Rechtschreibkorrektur" einer gewissen Software, ohne die jetzt das Chaos komplett waere. Einer der grossen Verdiener an der ganzen Sache ist somit ein gewisser Herr aus Redmond bei Seattle, den viele hierzulande aber schroff zurueckweisen wuerden, kaeme er mit einem Sack voll Spendengeld fuer Bibliotheken daher. (Dankbarkeit, dass er uns mit der Software hilft, ist nicht angebracht. *Dass* sie gebraucht wird, das ist das Problem. Hierdurch wurde unbeabsichtigt der Prozess beschleunigt, intellektuelle Grundfertigkeiten auf Maschinen zu verlagern. Ueber einen Zusammenhang mit dem Pisa-Debakel darf nachgedacht werden. Die laengerfristigen Auswirkungen auf hoehrere Fertigkeiten sind noch nicht abzusehen. Aber vielleicht ist ja alles nicht so schlimm, vielleicht machen Maschinen irgendwann wirklich weniger Denkfehler...)
Belletristik erscheint noch zu 50% in alter Schreibung, weil die Autoren das so wollen. Wer Deutsch lesen und schreiben lernt, wird also in der Tat auf Dauer mit einem Chaos konfrontiert. Weder alte noch neue Schreibung koennen sich so im Gedaechtnis sicher verankern, das Ergebnis kann nur zuerst Verunsicherung und dann
Gleichgueltigkeit sein - die Software soll's richten, man hat ja auch noch andere Probleme.
Genug davon. Was uns zu interessieren hat, sind die Auswirkungen auf Kataloge und Datenbanken. Vor 5 Jahren wurde eine Bestandsaufnahme der Dinge gemacht, die man sich evtl. erneut ansehen koennte:


http://www.biblio.tu-bs.de/allegro/formate/rref.htm

Machen Sie sich selber ein Bild von der Situation, schauen Sie sich Beispiele an in den Datenbanken, mit denen Sie oft arbeiten, etwa diese:
schifffahrt (mit Komposita: rhein-, see-, donauschifffahrt ..)
selbststaendig, unselbststaendig
stuckat... (frueher stukkat...)
substanziell, existenziell, potenziell potenzial (viele Komposita)
u.v.a.


Die Probleme der Getrenntschreibung, wo frueher zusammengeschrieben wurde, sind schwerer zu pruefen! Wenn im Titel "nichtlinear" oder "nicht linear" vorkommen koennte, wie sucht man, wenn man beides erwischen will?

Zu einem Teil kamen die neuen Schreibungen auch frueher schon vor, das sieht man ja an den Erscheinungsjahren. Aber, wie in der zitierten Untersuchung schon gesagt wurde, die Inkonsitenzen in Katalogen und Datenbanken wurden durch die Reform vermehrt, und dessen muss man sich schon bewusst sein, damit man fallweise an der richtigen Stelle trunkiert bzw. mehrere Versuche macht. Bei Google allerdings: gibt man "potenzielle" ein, kommen 76.000 Treffer und die Frage "meinten Sie potentielle?". Gibt man aber "potential", kommen 337.000 und keine Frage! Was das bei der nicht vorhandenen Trunkierungsmoeglichkeit fuer die 2- oder Mehrwortsuche bedeutet, muss man sich schon ueberlegen.
Das an dieser Stelle faellige Plaedoajee fuer Register spare ich mir heute.


Wer mehr zum Thema an sich wissen will:
  http://news.google.de/news?hl=de&q=rechtschreibreform
(vorhin 119 Eintraege)
MfG B.E.



Bernhard Eversberg
Universitaetsbibliothek, Postf. 3329, D-38023 Braunschweig, Germany
Tel. +49 531 391-5026 , -5011 , FAX -5836
e-mail B.Eversberg _at__ tu-bs.de



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