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Re: Referentenentwurf zweiter Korb UrhG



Klaus Doehmer schrieb:

> Im Übrigen: Es sind ja nicht eigentlich die Bibliotheken, die
> hier zur Schlachtbank geführt werden. Sie könnten sich
> zurücklehnen und bräsig auf die jeweilige Rechtslage verweisen.
> Opfer ist die Wissenschaftsgemeinschaft

Ich fuerchte das ist zunaechst voellig richtig. Und ich
fuerchte nur recht wenige der "Endverbraucher" der wissenschaft-
lichen Literatur sind sich des Problems bewusst. Aber: der
Entwurf ist derart stark an den kurz- und mittelfristigen
Interessen der elektonische Veroeffentlichungen anbietenden
Verlage orientiert, dass ich es fuer nicht ausgeschlossen
halte, dass derlei zu einer Situation fuehrt, wo sich die
entsprechenden Verlage noch nach den goldnen alten Zeiten
vor dieser Regelung zuruecksehnen werden:

<UEBERLEGUNGEN UND SZENARIO>
1.    Statt Subito etc. gibts nur noch Ingenta etc. Aber
      die Preise dort sind derart hoch, dass zumindest ich
      mir's ernsthaft ueberlege bevor ich da was bestelle.
2.    D.h.: Es werden weniger Artikel aus der Ferne be-
      stellt, und man ist staerker auf das zurueckgeworfen,
      was es auch lokal gibt.
3.    Was es auch lokal gibt wird immer weniger, weil die
      Preise weiterhin schneller steigen als die Menge des
      zurverfuegungstehenden Geldes.
4.    Die wird teilweise abgefangen dadurch, dass man einen
      Kollegen aus einer anderen Einrichtung anmailt "Ihr
      habt doch bei Euch XYZ in Eurem Paket elektronischer
      Zeitschriften; koenntest Du mir mal bitte aus dem 2004er
      Jahrgang Aufsatz A rueberschicken". Dies geschieht de facto
      heute schon, wird aber zunehmen, aber nicht so zunehmen
      koennen, das es einen Ersatz fuer Subito etc. darstellen
      kann (denn sonst inkommodiert man die Kollegen zu sehr).
      Es ist nicht im Interesse der Verlage, aber es wird keine
      deren Einkuenfte wesentlich bedrohende Groessenordnung
      annehmen.
5.    Die Ergaenzug des lokal vorhandenen durch das was man
      kostenlos ueber's Netz bekommen kann wird wichtiger.
      D.h.: Die frei verfuegbar veroefftlichten Preprints,
      Postprints, Parallelveroeffentlchungen und Veroefftlichungen
      in kostenfreien Zeitschriften werden an Gewicht und
      Einfluss zunehmen.
6.    Das Interesse der Autoren (die ja wollen dass das was sie
      veroeffentlichen "Einfluss" hat) daran frei verfuegbar zu
      veroeffentlichen wird zunehmen.
7.    Relatives Gewicht und relativer Einfluss des nicht-frei-
      Verfuegbaren nehmen ab. Damit ist's aber auch weniger Geld
      wert.
8.    Ich habe schon jetzt keine Aktien der entsprechenden Ver-
      lage; aber wenn ich welche haette wuerde ich ueber einen
      Verkauf nachdenken ... [:-)] ... .
</UEBERLEGUNGEN UND SZENARIO>

    Vermutlich ist das alles zu sehr von Wunschdenken gepraegt.
Aber wenn der Referentenentwurf wirklich so Gesetz werden sollte,
waere die Alternative wie das obige, aber nur bis Punkt 4.
Und das ist deutliche und fuehlbare Einschraenkung des
wissenschaftlichen Arbeitens, und tut den "Endverbrauchern" weh.
Und wenn ich mir angucke wieviele unserer Studierenden (die ja die
Autorinnen und Autoren und Anschaffungsbeschlussfasser von
morgen sind) jetzt schon selbst bei geringerer Qualitaet
elektrobnische verfuegbare Texte Texten vorziehen, die sie mit
einem einfachen Gang zur Bibliothek finden koennten (was
weniger Zeit bis zur Verfuegbarkeit des Textes braucht als
*jede* Art von Besrtellung aus der Ferne), denke ich, dass
zumindest Punkt 5 unvermeidlich ist.

  Mit freundlichen Gruessen von unter niedrigen grauen Wolken
her

Heinrich C. Kuhn

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|    Dr. Heinrich C. Kuhn
|    Seminar fuer Geistesgeschichte der Renaissance
|    Ludwig-Maximilians-Universitaet Muenchen
|    D-80539 Muenchen / Ludwigstr. 31/IV
|    T.: +49-89-2180 2018, F.: +49-89-2180 2907
|    inst. URL: http://www.phil-hum-ren.uni-muenchen.de/
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