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Re: Ruecknahme der Zustimmung zur Veroeffentlichung auf einem Dokumentenserver



Am Dienstag, 7. Dezember 2004 14:23 schrieb Uwe Rothfuss:
> wir veröffentlichen Diplomarbeiten mit schriftlicher Zustimmung der
> Diplomanden auf unserem Dokumentenserver.
> Wie verhält es sich, wenn die Zustimmung zur Veröffentlichung nach
> einiger Zeit schriftlich widerrufen wird. Muss ich das ohne eine
> Begründung einfach hinnehmen und die Arbeit löschen?

Sehr geehrter Herr Rothfuss,

mir ist unklar, auf welcher rechtlichen Grundlage Sie die Zustimmung der
Diplomanden einholen. Wenn Sie eine AGB (bzw. Benutzungsordnung) Ihres
Dokumentenservers haben und einem Diplomanden vorlegen, geht dieser mit Ihnen
bzw. dem Unterhaltsträger Ihrer Bibliothek (dem Bundesland) einen Vertrag
nach BGB ein.

In der mir geläufigen Praxis wird jedoch nicht so verfahren. Das hängt mit dem
rechtlich widersprüchlichen Charakter der Diplomarbeit und der damit
erzeugten Unsicherheit zusammen. In den Hochschulen wird in
Fachbereichsordnungen oder ähnlichem der Zweck und Aufgabenbereich des
hochschuleigenen Dokumentenservers normalerweise klar umrissen festgehalten.
Es wird zumindest eine Benutzungsordnung geben müssen, wenn es sich bei dem
Server um eine Hochschuleinrichtung handelt. Wenn in diesen Ordnungen der
Widerruf einer Veröffentlichung geregelt ist, dann muss sich auch ein
Diplomand wie jeder andere Benutzer an diese Regeln halten. Sollte es dazu
aber keine Regelungen geben, was anzunehmen ist, greifen die allgemein
geltenden urheberrechtlichen Regelungen. Es obliegt aber nicht ihnen als
Betreiber des Servers, die Auslegung der Regelungen vorzunehmen, das müssen
schon die Gerichte machen, wenn es unterschiedliche Auffassungen geben
sollte. In der Praxis kommt eine Klage selten vor. Es hat aber Fälle gegeben,
in denen auf urheberrechtlichem Wege nach Klagen Dritter Promotionsplagiate
in Giftschränke verbannt und Schwärzungen durchgesetzt wurden; aber
Löschungen (sprich Bestandstilgungen) sind nur ganz schwer durchzusetzen,
auch vom Urheber. Das gilt ohne weiteres auch für Dokumentenserver. Richter
geben sich damit zufrieden, wenn die Werke unter Verschluss kommen und die
Verhältnismässigkeit der Mittel gewahrt wird. Im Fall des Dokumentenservers
würde ein Urheberrechtsverstoss aus der Welt geschafft, wenn das Dokument
"vom Netz" genommen wird. Wie dies technisch geschieht, durch Herausnahme aus
der Suchfunktion, Löschen, Sperre, Password, Verschieben in einen anderen
Ordner usw., bleibt gewöhnlich dem Betreiber des Servers anheimgestellt.

Immer häufiger tauchen Bestimmungen in Prüfungsordnungen auf, die die
Abgabepflicht einer Kopie der Diplomarbeit für den Dokumentenserver
betreffen. In diesem Fall wäre die zusätzliche Einholung einer Zustimmung des
Diplomanden gar nicht erforderlich, und auch eine Rücknahme derselben würde
am Sachverhalt nichts ändern, nämlich dass eine Diplomarbeitskopie
bestimmungsgemäss auf dem Server bleiben darf. Da dieser Zustand aber den
Beteiligten natürlich unerträglich erscheint, wird die Diplomarbeitskopie oft
freiwillig vom Server genommen.

Noch eine in meinen Augen interessante Variante bestünde darin, wenn
Fachbereiche in ihren Prüfungsordnungen die Diplomarbeit als Bestandteil der
Prüfungsunterlagen deklarieren. Prüfungsunterlagen unterliegen nicht dem
Urheberrecht, sondern sind amtliche Unterlagen, mit Vertraulichkeitsschutz
und allem drum und dran. Ohne Genehmigung des Prüfungsamtes läuft dann nicht
viel, weder Veröffentlichung noch Rücknahme.

Fazit: Zustimmungserklärungen allein schaffen weder die erwünschte Sicherheit
für die Bibliothek, Dokumente langfristig vorhalten zu können, noch versetzen
sie den Diplomanden in den suggerierten Zustand, allein durch Widerruf der
Zustimmung eine automatische Löschung erwirken zu können.  Eine
Benutzungsordnung für den Dokumentenserver wäre eine sicherlich
empfehlenswerte Grundlage mit der nötigen Verbindlichkeit, auf der solche
Zustimmungen eingeholt und Widerrufe ausgesprochen werden könnten.

Viele Grüsse

Jörg Prante

--
Jörg Prante
joergprante@xxxxxxxxxxxxx


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