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Re: Re: Ruecknahme der Zustimmung zur Veroeffentlichung auf einem Dokumentenserver



Werte Leser/innen,

im vorliegenden Zusammenhang möchte ich auf eine Veröffentlichung aufmerksam
machen, die die meisten zum Thema diskutierten Aspekte (und einige
zusätzliche) rechtlich würdigt:
Die rechtlichen Zusammenhänge im Rahmen des elektronischen Publizierens.
In: Wissenschaft Online : elektronisches Publizieren in Bibliothek und
Hochschule / hrsg. von Beate Tröger. - Frankfurt am Main: Klostermann, 2000. -
S. 100-119.
ISBN 3-465-03081-8
Am Schluß des Gutachtens findet sich ein Mustervertrag "über eine
elektronische Veröffentlichung", der beispielsweise auch die Frage der
Vertragslaufzeit behandelt. Natürlich muß ein Serverbetreiber keinen
schriftlichen Vertrag mit seinen Kunden abschließen. Das Problem läßt sich
auch über Allgemeine Geschäftbedingungen lösen. Aber gar nichts zu vereinbaren
und Konfliktlösungen den Gerichten zu überlassen, halte ich - mit Verlaub
gesagt - für ausgesprochen töricht und unverantwortlich.

Mit freundlichen Grüßen

--
Harald Müller

Max Planck Institute for Comparative Public Law
and International Law / Library
Im Neuenheimer Feld 535; D-69120 Heidelberg
Phone: +49 6221 482 219; Fax: +49 6221 482 593
Mail: hmueller@xxxxxxx



---------- Original Message ----------------------------------
From: Eric Steinhauer <eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
Reply-To: Internet in Bibliotheken <INETBIB@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Date:  Wed,  8 Dec 2004 09:26:53 +0100 (CET)

>Liebe Liste,
>
>eine kurze Anmerkung zum Hinweis von Herrn Graf auf die vertragsrechtlichen
Aspekte einer Veröffentlichung auf Dokumentenservern.
>
>Hierzu möchte ich zunächst darauf hinweisen, daß die meisten
wissenschaftlichen Bibliotheken in ihren Benutzungsordnungen regeln, daß die
Benutzung der Bibliothek dem öffentlichen Recht unterliegt. Publikation auf
Servern der Bibliothek ist hier auch eine Benutzung im Sinne der
Benutzungsordnung. Von daher bin ich zurückhaltend, konkludent geschlossene
privatrechtliche Verträge anzunehmen.
>
>Zudem wäre zu klären, was genau Inhalt des Vertrages ist. Üblicherweise ist
ein Vertrag auf Leistungsaustausch von beiden Seiten gerichtet. Der Urheber
gibt ein Nutzungsrecht, aber was gibt die Bibliothek? Will sie eine rechtiche
Verpflichtung zur Publikation eingehen? Meist sind die Bibliothekare gerade
hier vorsichtig. Man möchte gern die Gestattung des Urhebers, aber eine eigene
Verpflichtung begründen: lieber nicht! Das spräche gegen die Annahme eines
Vertrages.
>
>Es liegt bei Dokumentenservern im öffentlich-rechtlichen Rechtsregime wohl
nur eine Gestattung des Urhebers vor, die er auch wieder zurücknehmen kann, es
sei denn, § 17 UrhG (Erschöpfung) ist einschlägig.
>
>Aber spielen wir die vertragsrechtliche Variante einmal durch: wir haben ein
Dauerschuldverhältnis. Das kann, auch wenn nichts vereinbart ist, nach § 314
BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden. § 42 UrhG wäre bei gewandelter
Auffassung eine speziellere Norm. Darauf will ich aber nicht eingehen.
>
>Der wichtige Grund in § 314 BGB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der durch
Auslegung zu füllen ist. Allgemein werden Vertragsverletzungen der Gegenseite
als Grund akzeptiert. Es müssen aber nicht unbedingt Vertragsverletzungen
vorliegen. Auch andere wichtige Gründe zählen.
>
>Angenommen, ein Dokument auf dem Server soll in einer renommierten
Zeitschrift veröffentlicht werden. Diese akzeptiert keine parallele
Veröffentlichung auf einem Server. Die Publikation in der Zeitschrift ist für
das berufliche Fortkommen des Autors aber wichtig. Auch wenn der Grund allein
in der Sphäre des Autors liegt, scheint mir hier in einer grundrechtsbewußten
Auslegung des wichtigen Grundes (Wissenschaftsfreiheit, Berufsfreiheit) eine
Kündigung denkbar.
>
>Das kann man natürlich auch anders sehen. Im Ergebnis wird die ganze Sache
auf eine lange und lästige Streiterei hinauslaufen. Ob man wegen einer
Diplomarbeit oder eines Aufsatzes wirklich prozessieren will? Die Bibliothek
wird klein beigeben und die Arbeit löschen. In der Praxis ist die
Vertragslösung auch nicht das Wahre.
>
>Am sinnvollsten sollte eine Publikationsordnung erlassen werden, die die
strittigen Punkte eindeutig regelt. Ich stimme darin Herrn Prante voll zu. Aus
Gründen der Verhältnismäßigkeit sollte man dabei für Arbeiten, die nicht
Prüfungsarbeiten sind oder nicht im Rahmen von Dienstverhältnissen erstellt
wurden, ein ausdrückliches Kündigungsrecht vorsehen. Dabei sollte sich die
Bibliothek das Recht vorbehalten, ein Werkstück herzustellen und ihrem Bestand
einzufügen. So bleibt einerseits die Information "im Haus" und benutzbar,
andererseits wird für den Autor die Veröffentlichung auf dem Server attraktiv,
weil er sich nicht auf "ewig" binden muß. Das scheint mir eine gute Grundlage,
um einen Dokumentenserver aufzubauen. In der Praxis werden Kündigungsfälle
ohnehin nur sehr selten vorkommen. Hier ist kein "Dammbruch" zu befürchten.
>
>Grüße aus Ilmenau
>Eric Steinhauer
>http://www.steinhauer-home.de
>


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.