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Börsenverein gegen Bibliotheken



Liebe Kolleginnen und Kollege!

In den letzten Tagen haben einige öffentliche Bibliotheken von der
Rechtsabteilung des Börsenvereins Post bekommen. Ich will mich hier nicht
ausführlich zu den juristischen Fragen äußern, sondern nur kurz anmerken, daß
die Behauptungen des Börsenvereins absolut unhaltbar sind. Sie widersprechen
dem geltenden Recht. Die Rechtskommission des DBV hilft den betroffenen
Bibliotheken bereits.

Diese erneute Attacke des Börsenvereins sollte für uns alle aber Anlaß sein,
über die Funktion der Bibliotheken bei der Literaturförderung nachzudenken.
Bibliotheken erbringen zahlreiche Dienstleistungen und Maßnahmen, wie
literarische Veranstaltungen, Dichterlesungen, Listen mit
Literaturempfehlungen, Leseförderung mit Kindern, die sich nachweislich
positiv auf den Verkauf von Literatur auswirken. Ich bin der Meinung, daß
Bibliotheken solche Aktionen, die sich eindeutig umsatzsteigernd für
Buchhandel und Verlage auswirken, nicht mehr länger kostenlos anbieten dürfen.
Wie die fortwährenden Aktionen des Börsenvereins gegen deutsche Bibliotheken
eindrucksvoll unter Beweis stellen, wird die Literaturszene nur noch von
ökonomisch orientiertem Denken beherrscht. Da können und dürfen Bibliotheken
sich mit ihrer zentralen Funktion als Vermittler von Literatur nicht abseits
stellen. Ich halte folgende Tarife für angemessen: Für eine Dichterlesung
sollte eine Bibliothek 3000,- Euro verlangen, für die Vorstellung eines Buches
auf einer literarischen Veranstaltung 1000,- Euro und für die Aufnahme eines
Titels in eine Empfehlungsliste 100,- Euro. Die öffentlichen Bibliotheken
sollten sich auf bundeseinheitliche Tarife einigen. Sonstige Maßnahmen zur
Literurförderung sollten entsprechend ihrem verkaufsfördernden Wert für die
Verlage angemessen tarifiert werden. Die durch diese Aktionen eingehenden
Gelder verwenden die Bibliotheken zum Ankauf von neuer Literatur.

Der aktuelle Vorstoß des Börsenvereins ist höchstwahrscheinlich nicht intern
abgestimmt, vor allem nicht mit dem Ausschuß für den Sortimentsbuchhandel.
Ziel der juristischen Attacke ist es nämlich, den Erwerbungsetat, d.h. die
Kaufkraft der Bibliotheken zu schmälern. Der örtliche Buchhandel wird
sicherlich nicht darüber erfreut sein, wenn die von ihm belieferte öffentliche
Bibliothek im Monat z.B. 1000,- Euro weniger ausgibt. Ich gehe davon aus, daß
die Rechtsabteilung des Börsenvereins die Buchhändler vor ihrer Aktion
überhaupt nicht befragt hat. Deshalb sollten die betroffenen Bibliotheken
umgehend ihre örtlichen Buchhändler über diesen Vorgang informieren.

Bibliotheken müssen auf die fortwährenden Attacken des Börsenvereins mit den
gleichen Mitteln reagieren. Bibliotheken müssen noch viel stärker
marktwirtschaftlich agieren!

Mit vorweihnachtlichen Grüßen

Dr. Harald Müller

PS: Ich habe nichts dagegen, wenn jemand diese Mail auch in ForumÖB postet.


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.