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Neues zum Thema "Open Access"



Mehr oder minder bedeutende Neuigkeiten sind zu
registrieren, die ich hier kurz kommentieren moechte.

*** Niederlande: KEUR - Cream of Science ***

Am 10. Mai hat DAREnet, der Zusammenschluss der
institutionellen akademischen Repositorien in den
Niederlanden, seine riesige Sammlung wissenschaftlicher
Arbeiten renommierter Universitaetsgelehrter in den
Niederlanden eroeffnet.

http://www.darenet.nl/page/language.view/keur.page
Siehe
http://log.netbib.de/archives/2005/05/13/cream-of-science/#comments

Es sollen 60 % von 25.000 Dokumenten von ca. 200
Wissenschaftlern im Volltext verfuegbar sein (also 15.000).
Ich habe nicht nachgezaehlt, aber bei den vergleichsweise
wenigen Geisteswissenschaftlern komme ich bei weitem nicht
auf durchschnittlich 125 Publikationen.

Wenn neulich in einem Artikel zu lesen war "Indeed, leaders
of several open-access initiatives note that their biggest
challenge is not publishers' restrictions on copyright but
researchers' inertia."
http://www.sciencemag.org/cgi/content/full/308/5722/623 so
waeren natuerlich die niederlaendischen Erfahrungen von
groesstem Wert, da es sich um den wichtigsten "Feldversuch"
handelt, von Wissenschaftlern Publikationsgenehmigungen zu
erlangen.

Auf jeden Fall scheint KEUR zu beweisen, dass man sehr
erfolgreich hochrangige Wissenschaftler ansprechen kann.
Wieso gehen die hiesigen Universitaetsbibliotheken mit
Schriftenservern, die mehr bieten moechten als die
ueblichen Dissertationen, nicht ebenfalls direkt auf ihre
Spitzenwissenschaftler zu?

Was aber ist mit den restlichen 40 %? Der Verdacht liegt
nahe, dass es sich um urheberrechtliche Restriktionen
handelt. Von Seiten der Open Access Community wird in
letzter Zeit aufgrund der zunehmend liberalen Haltung
naturwissenschaftlicher Grossverlage die Schwierigkeit fuer
Autoren unterschaetzt, Publikationsgenehmigungen zu
erhalten. Dies leitet ueber zu:

*** Open Access ins Urheberrecht **

Der Jurist Gerd Hansen wird in
http://www.heise.de/newsticker/meldung/59496
mit dem Gesetzes-Vorschlag zitiert:

"An wissenschaftlichen Beiträgen, die im Rahmen einer
überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und
Forschungstätigkeit entstanden sind und in Periodika
erscheinen, hat der Urheber auch bei Einräumung eines
ausschließlichen Nutzungsrechts das Recht, den Beitrag nach
Ablauf von grundsätzlich sechs Monaten seit
Erstveröffentlichung öffentlich zugänglich zu machen,
soweit dies zur Verfolgung nicht-kommerzieller Zwecke
gerechtfertigt ist".

Abgesehen davon, dass die 6-Monats-Frist ein voellig
ueberfluessiger Kotau vor der Verwerterlobby ist, wuerde
dieser Vorschlag eine eklatante Verschlechterung gegenueber
der derzeitigen, unter
http://www.uni-tuebingen.de/fb-neuphil/epub/graf/urheberrecht_autoren_graf.html
nachlesbaren Rechtslage bedeuten. Da § 38 UrhG 2003 nicht
veraendert wurde, das Recht der oeffentlichen Wiedergabe
(dem das fuer die Online-Nutzung erforderliche Recht der
oeffentlichen Zugaenglichmachung unterfaellt) im Zweifel
beim Autor verbleibt, gilt die fruehere Jahresfrist nicht
mehr, soweit nichts anderes vereinbart ist. Hansens
Vorschlag hat also nur dann einen Sinn, wenn er als Verbot
entgegenstehender vertraglicher Vereinbarungen
interpretiert wird.

Zum Thema siehe auch den umfangreichen Reader von
www.urheberrechtsbuendnis.de
http://www.hrk.de/de/download/dateien/HRK-Reader%20Urheberrecht%202005.pdf

Die in der Heise-Meldung zitierten Bedenken von
Staatsrechtlerm hinsichtlich der dienstrechtlichen Loesung
von Pflüger/Ertmann
http://www.ub.uni-konstanz.de/kops/volltexte/2004/1337/
sind zurueckzuweisen.

Zum einen ist zweifelhaft, ob die mandaringleiche Stellung
der Hochschullehrer (besonders verfehlt BGH
Grabungsmaterialien http://lexetius.com/1990,13 ) auch auf
das andere Personal der Hochschulen zu uebertragen ist.

Zum anderen schraenken auch die Publikationsgebote in den
Hochschulgesetzen/Promotionsordnungen, die sich an
Doktoranden wenden, deren Entscheidungsfreiheit
hinsichtlich des Wann und Wie der Publikation ihrer
Dissertation ein.

Entscheidet sich ein Wissenschaftler zur Publikation seiner
Forschungsergebnisse, so stellte eine zusaetzliche
gesetzliche Anbietungspflicht gegenueber dem Dienstherrn
zum Zwecke der Aufnahme des Beitrags in ein
Open-Access-Repositorium keinen unzulaessigen
Grundrechtseingriff dar.

*** Oesterreich: Freiwillige Selbstverpflichtung ***

Der oesterreichische Wissenschaftsfond, Unterzeichner der
Berliner Erklaerung, regt an:

"Freiwillige Selbstverpflichtung für FWF-Projekte zu
Open-Access-Publikationen

Forscherinnen und Forscher veröffentlichen ihre Arbeiten,
die aus FWF-Projekten hervorgehen, in referierten
Zeitschriften ihrer Wahl:
(a)	entweder in einer konventionellen kostenpflichtigen
Zeitschrift
(b)	oder in einer Open-Access-Zeitschrift (dies wird
unterstützt, immer dann wenn eine passende Zeitschrift
existiert). Bei referierten Open-Access-Zeitschriften
können allfällige Kosten beim FWF bis drei Jahre nach
Projektende beantragt werden.
In beiden Fällen sind Versionen der Artikel unmittelbar
nach Akzeptieren für die Veröffentlichung bzw. spätestens
mit der Veröffentlichung in einem institutionellen Archiv,
in einem fachspezifischen Portal oder in der
Förderdatenbank der Forschungsinstitutionen frei zugänglich
zu machen. (Die meisten Verlage sind mittlerweile zu einer
solchen Vereinbarung bereit.)
(c)	Auch bei referierten Buchpublikationen sollten die
AutorInnen darauf achten, ihre Rechte nicht vollständig an
die Verlage abzutreten. Vielmehr ist es ratsam, Konditionen
zu vereinbaren, die eine zeitnahe wenn nicht sogar
gleichzeitige, frei zugängliche Veröffentlichung und
Archivierung im Netz ermöglichen."

http://www.fwf.ac.at/de/aktuelles_detail.asp?N_ID=125

*** Fazit ***

Universitaetsbibliotheken als ausgewiesene Foerderer von
"Open Access" machen es sich zu einfach, wenn sie
angesichts des duerftigen Anteils ihrer Schriftenserver am
tatsaechlichen Forschungs-Output ihrer Universitaeten  den
schwarzen Peter der Traegheit und der Unkenntnis der
Wissenschaftler zuschieben. Es muss gezielte und effiziente
Werbung fuer die Schriftenserver gemacht werden. Weitere
Beobachtung verlangen die juristischen Rahmenbedingungen,
mit dem Urheberrechtsbuendnis ist man aber auf einem guten
Weg der nachdruecklichen Lobbyarbeit fuer die Interessen
von Wissenschaft und Bildung.

Klaus Graf


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.