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Re: Re: Promotionsordnungen, (war: Pruefungsarbeiten)



Lieber Herr Graf, liebe Liste,

ein kurzer Nachklapp zur Frage der Ermächtigungsgrundlage für Regelungen im
Zusammenhang mit der Publikation von Dissertationen.

Grundlage sind hier immer die Promotionsordnungen. Als autonome Satzungen der
Hochschulen dürfen sie die Materie des Promotionswesens regeln. Sie stellen
insoweit auch die Ermächtigungsgrundlage für Grundrechtseingriffe dar.
Allerdings gilt auch für Satzungen der Gesetzesvorbehalt. Danach müssen
wesentliche Regelungen im einem Parlamentsgesetz enthalten sein. Fraglich ist,
ob das für die Publikations- und Ablieferungspflicht auch gilt. Da nun die
meisten Hochschulgesetze hier keine Regelungen enthalten, kann die Frage
heikel werden. Herr Graf weist darauf hin, daß es sich bei einer Vielzahl von
Pflichtstücken um eine Naturalabgabe handeln kann, für die eine
landesgesetzliche Ermächtigung notwendig ist.

Ich denke, die Sache liegt etwas anders. Man kann durchaus fordern, daß die
Frage des Druckzwangs und der Ablieferung dem Gesetzesvorbehalt unterfällt und
nicht einfach nur als Satzung geregelt sein darf. Wenn nun eine ausdrückliche
gesetzliche Regelung fehlt, so ist aber eine Berufung auf Gewohnheitsrecht
denkbar. Jedenfalls für den Bereich des vorkonstitutionellen Rechts ist
anerkannt, daß auch Gewohnheitsrecht ein "Gesetz" im Sinne des
Gesetzesvorbehalts sein kann, zumal die Fortgeltung des vorkonstitutionellen
Gewohnheitsrechts verfassungsrechtlich garantiert ist, Art. 123 Abs. 1 GG.

Ablieferungspflichten und Druckzwang können, da sie eine langjährige Übung
darstellen und der Rechtsüberzeugung der beteiligten Verkehrskreise
entsprechen, als gewohnheitsrechlich normiert angesehen werden.  Auch bestand
diese Übung schon lange vor dem Erlaß des Grundgesetzes.

Von daher wird man für eine Regelung in den Promotionsordnungen jedenfalls ein
vorkonstitutionellen Gewohnheitsrecht als ausreichende "gesetzliche "
Grundlage im Sinne des Gesetzesvorbehalts nehmen können. Eine Reglung in den
Hochschulgesetzen ist daher entbehrlich, wenn auch im Sinne der Rechtsklarheit
wünschenswert.

Eine genauere juristische Untersuchung dieses Bereichs ist sicher reizvoll. Im
Ergebnis dürfte aber gelten, daß die herrschende Praxis der Regelung auf Ebene
der Satzung rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Was heißt das für Bibliotheken? Ganz einfach: Wenn man wirklich Bewegung in
die Situation des wissenschaftlichen Publizierens an der Hochschule bringen
möchte, wozu auch die Förderung des elektronischen Publizierens gehört, dann
ist es Sache der Bibliothek, die universitären Gremien zu überzeugen, die
rechtlichen Voraussetzungen hierfür zu schaffen.

Grüße aus Thüringen
Eric Steinhauer
http://www.steinhauer-home.de


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.