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Re: [InetBib] Ganzkopie von Diplomarbeiten?



Lieber Herr Steinhauer,
liebe Liste!

Nach meinen bescheidenen Rechtskenntnissen sehe ich kein Problem darin, eine Diplomarbeit vollständig zu kopieren. § 53 Abs. 4 b UrhG steht dem nicht entgegen. Denn eine Diplomarbeit ist kein (!) Buch im Sinne dieser Vorschrift. Sie ist nicht in einem Buchverlag erschienen und sie ist nicht in erheblicher Auflagenhöhe vervielfältigt worden.

Mit spätsommerlichen Grüßen

--
Dr. Harald Müller

Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht / Bibliothek
Max Planck Institute for Comparative Public Law
and International Law / Library
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---------- Original Message ----------------------------------
From: Eric Steinhauer <eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
Reply-To: Internet in Bibliotheken <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Date:  Wed,  7 Sep 2005 14:26:45 +0200 (CEST)

>Liebe Liste, lieber Herr Graf,
>
>das Thema Prüfungsarbeiten ist auch und gerade in seinen rechtlichen Dimensionen sehr interessant. Herr Graf hat hier einen guten Überblick zu den einschlägigen Regelungsfeldern gegeben.
>
>Einhaken möchte ich bei der Frage, ob eine in einer Bibliothek stehende Prüfungsarbeit ganz kopiert werden darf. Ich gehe dabei davon aus, daß diese Arbeit mit Zustimmung des Autors dort steht.
>
>Die Regel in § 53 Abs. 4 UrhG ist eine gesetzliche Schranke. Als "Zwangslizenz" würde ich sie zunächst restriktiv auslegen. Der Begriff des "vergriffen" beutet e contrario, daß die Arbeit einmal lieferbar gewesen sein muß. Aus § 29 VerlG läßt sich schließen, daß die Lieferbarkeit ein Angebot von Werkstücken an eine Vielzahl von Personen bedeutet, da von einer "Auflage" und von "Abzügen" die Rede ist. Ich würde § 53 Abs.. 4 UrhG daher auf "erschienene" Werke im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG beschränken wollen. Könnte man ihn entsprechend anwenden? Die Interessenlage ist die, daß ein einmal lieferbares Werk für Interessenten dauerhaft als Werkstück zur Verfügung stehen soll. Wenn der Buchhandel oder der Autor dies nicht besorgen, so kann der Leser das zwei  Jahre nach dem Vergriffensein tun. Die Frage ist, ob ein solches Interesse an einem eigenen Werkstück auch bei, wie Herr Graf ja konzediert, nicht "erschienenen" Arbeiten besteht. Ich meine nein, da der Urheber von der Herstellung mehrerer, zur Verbreitung bestimmter Werkstücke bewußt abgesehen hat. Im Gegesatz zum vom Gesetz in § 53 Abs. 4 UrhG gemeinten Fall hat der Urheber sein Recht aus § 17 UrhG eigentlich noch nicht betätigt. Eine andere Ansicht scheint aber vertretbar, wenn man argumentiert, daß das Stück in der Bibliothek nicht das Original, sondern ein Vervielfältigungsstück ist, daß im Wege der Leihe der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, also verbreitet wird. Aber ganz überzeugt mich das nicht.
>
>Zum vollständigen Kopieren von online-Dissertationen. Ich kann der Ansicht von Hoeren, die Herr Graf zitiert, auch nicht beipflichten, wenngleich sie in der urheberrechtlichen Literatur nicht selten zu finden ist, so etwa auch bei Theiselmann, Geistiges Eigentum in der Informationsgesellschaft, München 2004, S. 41-45. Ich sehe hier ein widersprüchliches Verhalten. Es ist jedem klar, daß eine online-Dissertation, die vielleicht als eine einzige pdf-Datei angeboten wird, ganz leicht gespeichert und auch ausgedruckt werden kann. Die Doktoranden, die ihre Arbeit ins Netz stellen, arbeiten selbst doch auch so. Ich würde daher zumindest für den wissenschaftlichen Gebrauch von einer schlüssigen Erlaubnis ausgehen. Man sollte dies aber zur Sicherheit in einer Lizenz ausdrücklich klarstellen.
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>Wegen der unterschiedlichen Gewohnheiten und Verkehrssitten würde ich also eine online-Hochschulschrift mit Blick auf eine vollständige Kopie anders bewerten wollen als ein "analoges" Bibliotheksexemplar. Hier sehe ich für eine schlüssige Erlaubnis, sofern die gesetzlichen Schranken nicht greifen (so jedenfalls nach meiner Meinung), keinen Raum.
>
>Eric Streinhauer
>http://www.steinhauer-home.de
>





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