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Re: [InetBib] Urheberrecht an digitalisierten Werken



Liebe Liste,

die Frage, ob bei Digitalisaten von Druckwerken ein Leistungsschutz an eben diesen Digitalisaten besteht, ist leider ein wenig strittig.

Wenn man allein auf den Umstand der originalgetreuen Reproduktion abstellt, so wird ein Schutz meist verneint. Die wenigen Literaturstellen, die das Thema explizit behandeln, thematisieren meist allein die Fallgestaltung eines "Foto vom Foto". Hier wird gesagt, daß man durch wiederholtes Fotographieren den Schutz der Aufnahme nicht beliebig verlängern können soll. Daher wird gefordert, daß Gegenstand des Fotos ein tatsächliches "Urbild" ist. 
Das ist bei einem Buch als Vorlage sicher der Fall. Dieses wird nämlich zum ersten Mal fotographiert. 

Der Schutzbereich von § 72 UrhG wird "nach oben" durch die geistige Schöpfung abgegrenzt, dann hätten wir ein "normales" Urheberrecht. Das braucht in unserem Fall nicht zu interessieren. Es findet aber auch eine Abgrenzung "nach unten statt". Das ist eben das ominöse "Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung". 

Diese soll sich gerade in der Wahl des Aufnahmezeitpunktes, des Motives und so weiter zeigen. Im Falle einer originalgetreuen Kopie soll es aber nicht vorliegen! 

Dieser Umstand ist bedeutsam. Es scheint so, als daß in der Literatur die geistige Leistung auf das Motiv als solches bezogen wird und sich dann in der Abbildung niederschlägt. Die von Herrn Müller mit Recht angemerkten Fähigkeiten, einen modernen Buchscanner zu bedienen und zu parametrisieren, dürften dann aber keine Rolle spielen, wenn das Ergebnis eine 1:1 Reproduktion ist und sich insoweit die geistige Leistung nicht im Motiv niedergeschlagen hat. 

Oder doch? Ist es nicht so, daß erst die geistige Leistung die Originaltreue ermöglicht? Ich meine, man wird jedenfalls bei solchen Reproduktionen, wo sich die Originaltreue gerade aus einer intellektuellen Anstrengung ergibt, einen Leistungsschutz zu bejahren haben. Wo die Originaltreue allein durch technische Umstände gewissermaßen automatisch erfolgt, wie beim Fotokopierer, wird ein Leistungsschutz zu verneinen sein. 

Ergebnis: Mit Aufwand betriebene bibliothekarische Digitalisierungen fallen unter § 72 UrhG. Ach ja, es ist durchweg anerkannt, daß § 72 UrhG für Scannen und digitale Fotographie Anwendung finden kann.

Zum Meditieren des Problems sehr hilfreich: Petra Fleer, in: Hoeren/Nielen, Fotorecht, Berlin 2004, Rn. 130.

Eric Steinhauer
http://www.steinhauer-home.de




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