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Re: [InetBib] Wikipedia



Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, Qualität und Akzeptanz von klassischen (Universal-)Lexika und Fachwörterbüchern einerseits mit Wörterbüchern/Enzyklopädien wie Wikipedia andererseits, die auf (entwicklungs- und nutzungs)offenen und kollaborativen Prinzipien beruhen, zu vergleichen - so spannend auch Mitteilungen über die Fehlerquoten in beiden Genren sind. Kaum wirklich vergleichbar.

Ich sehe auch nicht, dass die "Stärke der Wikipedia darin [liegt], dass man ihre Einträge selbst überprüfen kann", sondern darin, dass man sie laufend korrigieren und verbessern kann. Entscheidend für den Qualitätserfolg von Wikipedia etc, wird sein, ob das kollaborative Arbeiten tatsächlich ein Prozess in Richtung Exzellenz sein wird oder, wie die Kritiker meinen, ein Prozess zur Durchsetzung von Mittelmäßigkeit sein wird, sprich: ob die informationellen Asymmetrien der verschiedenen Beteiligten zu einem Mehrwert führen oder sich auf den kleinsten Qualitätsleven einpendeln werden. Das wirklich zu beurteilen, ist es noch zu früh.

Wikipedia wird die klassischen redaktionell betreuten Nachschlagewerke und die von Hoch-Autoren geschriebenen Artikel nicht überflüssig machen, will das ja auch gar nicht. Aber es kann sicher nicht schaden (oder sogar ein Gutteil informationeller Autonomie befördern), wenn man den Informations- oder sogar den Wahrheitswert nicht in erster Linie auf das allgemeine Renommee und die daraus abgeleitet allgemeine Akzeptanz stützt, sondern das, was da konkret angeboten wird, durchaus kritisch hinterfragt. Wer das aus welchen Gründen auch immer nicht will oder kann, ist sicher besser bei den Akzeptanz-Büchern aufgehoben. Also Bildungskompetenz (informationelle Urteilskraft) ist gefragt - so wie wir uns gegen eine allgemeine Googlerisierung in Bildung und Wissenschaft stemmen, so auch gegen eine Monopolzitierungspraxis, wie sie in studentischen Arbeiten (nicht nur dort) im Rückgriff auf Wikipedia immer mehr um sich greift.
R
Wen sonst meine Position zu Wikipedia interessiert s. http://www.kuhlen.name/Publikationen2005/wikipedia_141005.pdf (eine kürzere Version wurde in Forschung&Lehre veröffentlicht, die längere wurde Libreas (die studentische e-Zeitschrift-Initiative aus dem Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der HU - http://www.ib.hu-berlin.de/~libreas/libreas_neu/index.html) zur Verfügung gestellt.

Joachim Eberhardt schrieb:
Liebe Kollegen,

die Qualität eines Nachschlagewerks liegt auch darin, inwieweit es selbst als Nachschlagewerk akzeptiert ist. Nicht umsonst regiert in der SWD das Brockhaus-Meyer-Prinzip. Würden Sie auf die Idee kommen, aufgrund der Literaturangaben die Lebensdaten eines obskuren Forschers des 18. Jahrhunderts dann nochmal nachzuprüfen? Die Frage ist rhetorisch, falls Herr Graf versucht sein sollte zu antworten, und die richtige Antwort ist: Nein. Der Grund liegt auf der Hand, und er hat mit dem zu tun, was Wikipedia vom Brockhaus und von der Encyclopedia Britannica unterscheidet: wie die Artikel zustandekommen. Dabei ist, wie der hier schon angesprochene Nature-Vergleich der Nachschlagewerke belegt, nicht nur das tatsächliche Ergebnis (Fehlerfreiheit) wichtig, sondern auch die Meinung darüber in der Öffentlichkeit, sprich: die Akzeptanz. Die kann man aber nicht herbeireden, die bildet sich von selbst, und langsam, heraus. Dazu tragen sicher auch Meldungen über den Erfolg der Wikipedia bei, Meldungen über Fehler und Scherzbeiträge in Artikeln hingegen nicht. Die bedeuten darum einen ernsthaften Rückschritt in der öffentlichen Akzeptanz. Und das wird auch so bleiben, so lange einer ihrer lebhaftesten Verfechter in INETBIB die Stärker der Wikipedia darin sieht, dass man ihre Einträge selbst überprüfen kann.

Besten Gruß



Klaus Graf schrieb:

On Thu, 15 Dec 2005 11:57:41 +0100
 "Karl Dietz" <karl.dietz@xxxxxxxxx> wrote:


und ein Beispiel, warum die Wikipedia schon auch ihre
Tücken hat...



Wieder einer von den meist sehr informationsarmen oder
schlichtweg aergerlichen Beitraegen dieses Herrn Dietz. Es
kann niemand bestreiten, dass die extrem rasch gewachsene
Wikipedia (deutsche Version ueber 300.000 Artikel) so
manche Leiche im Keller hat. Ein beliebig herausgegriffenes
Beispiel hat keinerlei Aussagekraft (wenngleich zugestanden
sei, dass die Abstimmung der verschiedenen Sprachversionen
alles andere als optimal ist). Wer sich nicht nur auf
Klippschulniveau mit biographischen Recherchen
beschaeftigt, weiss, dass auch serioese gedruckte
Nachschlagewerke unerfreuliche Datendifferenzen aufweisen.
Die Wikipedia bietet den Vorteil, dass jeder die Daten
richtigstellen und mit einer nachpruefbaren Quellenangabe
versehen kann, die Verschlimmbesserungen zwar nicht
verhindert, aber doch weniger wahrscheinlich macht. Leider
weisen noch viel zu wenige Artikel in der Wikipedia
Einzelnachweise auf, aber die Notwendigkeit von
Quellenangaben wird von der Community mehr und mehr
eingesehen.

Klaus Graf




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Prof. Dr. Rainer Kuhlen
UNESCO Chair in Communication
Department of Computer & Information Science - University of Konstanz
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