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[InetBib] Solidaritätsadresse für ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht in Frankreich




                    Aktionsbündnis
     "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft"

       Pressemitteilung Nr. 04 vom 14.03.2006
     Zur sofortigen Veröffentlichung freigegeben

Für: Aktionsbündnis Lenkungsgruppe
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Das Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" schickt
an die französischen Kolleginnen und Kollegen eine Solidaritätsadresse
in ihrem Kampf für ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches
Urheberrecht in Frankreich


Das Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft"
beobachtet, dass in Frankreich ein Urheberrecht zu entstehen droht, das
Bildung und damit Wissenschaft und den Kulturbereich insgesamt einer
weitgehenden Kommerzialisierung von Wissen und Information ausliefern
könnte. Bildung und Wissenschaft scheinen in Frankreich keine
privilegierten Zugriffsrechte auf publiziertes Wissen bekommen zu
sollen.

Das Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" bekundet
Solidarität mit den Bemühungen der französischen Kolleginnen und
Kollegen, sich für ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches
Urheberrecht einzusetzen, und unterstützt die Positionen  der Conférence
des présidents d'université (CPU) und der Association des directeurs et
des personnels de direction des bibliothèques universitaires et de la
documentation (ADBU).

Aus der Sicht des deutschen Aktionsbündnisses ist es nicht
nachzuvollziehen, dass die Gesetzgebung in Frankreich in nur sehr
bescheidenem Umfang von den in der EU-Copyright-Richtlinie von 2001
aufgelisteten Ausnahmen (Ausnahmen von den exklusiven Rechten der
Rechteinhaber) Gebrauch machen will.

Kaum verständlich besonders, dass es im Bildungs- und Wissenschaftsland
Frankreich keine besondere Schranke (Ausnahmeregelung) für Bildung und
Wissenschaft geben soll. Selbst in Deutschland, das bekanntlich schon
immer eine Tradition eines starken Urheberrechtes hatte, gibt es seit
2003  über den § 52a eine solche Schranke, die allerdings erst einmal
aufgrund des starken Lobbying der Verlage bis Ende 2006 befristet ist.

Das deutsche Aktionsbündnis hält auch diesen   im deutschen
Urheberrechtsgesetz von 2003 für nicht ausreichend, um der Praxis und
den Bedürfnissen von Bildung und Wissenschaft zu entsprechen, aber
immerhin ist es nach § 52a doch möglich, für Forschungseinheiten und
Kurse an den Hochschulen elektronische Wissensbanken bzw. elektronische
Semesterapparate auch aus urheberrechtsgeschützten Materialien
aufzubauen und den Berechtigten bereitzustellen. Dass dafür Entgelt zu
entrichten ist, war in dem gegenwärtigen Klima der Kommerzialisierung
von Wissen und Information nicht anders zu erwarten und ist auch in
Ordnung.

Das Aktionsbündnis unterstützt alle Bemühungen der französischen
Kolleginnen und Kollegen, überhaupt eine Bildungs- und
Wissenschaftsschranke und dann eine möglichst liberale im französischen
Gesetz unterzubringen und sichert jede Form der Mitwirkung daran zu.

Weiter unterstützt das Aktionsbündnis alle Vorhaben der französischen
Kolleginnen und Kollegen, den Zugriff auf die elektronischen Bestände
der Bibliotheken und die elektronische Dokumentlieferung im nationalen
Verbundsystem zu solchen Bedingungen in das Gesetz unterzubringen, dass
die Bibliotheken ihren Auftrag auch über die elektronischen Medien
wahrnehmen können. Es sollte in Frankreich vermieden werden, dass den
internationalen, auf Stakeholder-Gewinn ausgerichteten großen Verlagen
über das Urheberrecht quasi ein Monopol auf die elektronische
Dokumentbereitstellung zugestanden wird.

Auch in Deutschland ist diese Gefahr einer Ohnmacht der Bibliotheken und
der Marktmonopole für die Dokumentlieferung nicht von der Hand zu
weisen, und das Aktionsbündnis kämpft darum, die entsprechenden
problematischen §§ 52b und 53a  noch bildungs- und
wissenschaftsfreundlicher zu gestalten. Es kann nicht sein, dass die
Nutzungsbedingungen im elektronischen Umfeld, das an sich ja den freien
Umgang mit Wissen und Information begünstigen soll und kann, nun viel
schlechter werden sollen, als es im analogen Umfeld der Fall war.
Bildungs- und wissenschaftsfreundliche Regelungen in Frankreich würden
auch Bildung und Wissenschaft in Deutschland und den anderen EU-Ländern
helfen.

Nicht zuletzt möchte das Aktionsbündnis auch nicht seine Enttäuschung
verhehlen, dass es im aktuellen französischen Gesetzgebungsprozess jetzt
wieder höchst problematisch geworden ist, die an sich schon fest
vereinbarte sogenannte Kulturpauschale im Gesetz verbindlich zu machen.
Das Parlament wird nun das letzte Wort haben. Durch diese Regelung, nach
der gegen die Zahlung einer kleinen monatlichen Pauschale (flat rate)
durch alle Internetnutzer dann der Austausch von urheberrechtlich
geschütztem Material frankreichweit erlaubt gewesen wäre, hätte
Frankreich  ein bedeutendes Zeichen gesetzt -  ganz im Sinne des
weltweit als vorbildlich angesehenen Einsatzes Frankreichs für eine
"exception culturelle", der schließlich auch zur Verabschiedung der
entsprechenden Konvention der UNESCO (Convention sur la protection et la
promotion de la diversité des expressions culturelles) im letzten Jahr
wesentlich beigetragen hat.

Das Urheberrechtsbündnis wünscht den französischen Kolleginnen und
Kollegen, dass dieser Geist, nämlich dass Kultur, Wissen und Information
nicht alleine Gegenstand von Handel und kommerzieller Verwertung sein
dürfen, auch über das Parlament Einfluss auf die Ausgestaltung des
französischen Urheberrechts haben wird. Das sollte dann auch positive
Auswirkungen auf die anderen Länder in der EU haben. Die Ausgestaltung
des Urheberrechts, der Umgang mit Wissen und Information, darf nicht
alleine den Juristen und den kommerziellen Interessenvertretern
überlassen bleiben. Das Aktionsbündnis verfolgt mit großem Interesse das
hohe intellektuelle Niveau der öffentlichen Urheberrechtsdebatte in
Frankreich und wünscht, auch im eigenen Interesse in Deutschland, den
Argumenten, die Freizügigkeit, Teilen von Wissen, Fairness und
Gerechtigkeit für die Informations- und Wissensgesellschaften für
unverzichtbar ansehen, allen Erfolg.

Insesamt bietet sich das Aktionsbündnis, zusammen mit anderen
Institutionen in Deutschland, wie DINI, die Deutsche Initiative für
Netzwerkinformation,  dauerhaft als Koalitionspartner mit den
entsprechenden französischen Einrichtungen an, auch um alternative
Ansätze, wie Open Access oder Creative Commons gemeinsam voranzutreiben.


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Weitere Pressemitteilungen des Aktionsbündnisses:
14.03.06   Solidaritätsadresse an die französischen Kolleginnen und
Kollegen ...
           http://www.urheberrechtsbuendnis.de/pressemitteilung0406.html
01.02.06 Eine Nachlese zur Urheberrechtsanhörung ...
         http://www.urheberrechtsbuendnis.de/pressemitteilung0306.html
25.01.06 Offener Brief an die FDP-Bundestagsfraktion
         http://www.urheberrechtsbuendnis.de/pressemitteilung0206.html
24.01.06 Aktionsbündnis ist alarmiert ...
         http://www.urheberrechtsbuendnis.de/pressemitteilung0106.html
15.01.05 Presseerklärung zur Wahl der Sprecher

http://www.urheberrechtsbuendnis.de/docs/Pressemitteilung-1-final.pdf
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Das Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft"
(http://www.urheberrechtsbuendnis.de/) wurde 2004 im Zusammenhang mit
der Novellierung der Urheberrechtsgesetzgebung in Deutschland gegründet.
Das Aktionsbündnis setzt sich für ein ausgewogenes Urheberrecht ein und
fordert für alle, die zum Zweck von Bildung und Wissenschaft im
öffentlichen Raum tätig sind, den freien Zugang zur weltweiten
Information zu jeder Zeit von jedem Ort. Grundlage des Aktionsbündnisses
ist die Göttinger Erklärung zum Urheberrecht für Bildung und
Wissenschaft vom 5. Juli 2004. Diese Erklärung wurde unterzeichnet von
der Allianz der Wissenschaftsorganisationen (Fraunhofer-Gesellschaft zur
Förderung der angewandten Forschung e.V., Helmholtz-Gemeinschaft
Deutscher Forschungszentren e.V., Hochschulrektorenkonferenz,
Max-Planck-Gesellschaft, Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm
Leibniz e.V. und Wissenschaftsrat), von 260 wissenschaftlichen
Fachgesellschaften, Informationseinrichtungen und Verbänden sowie von
mehr als 3600 Einzelpersönlichkeiten. Sprecher des Aktionsbündnis sind
Prof. Kuhlen (Konstanz), Prof. Beger (Hamburg), Dr. Degkwitz (Cottbus).
Weitere Informationen über Nachfrage an: rainer.kuhlen@xxxxxxxxxxxxxxx,
beger@xxxxxxxxxxxxxxxxxx und degkwitz@xxxxxxxxxxxxx
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Impressum: Prof. Dr. Rainer Kuhlen, c/o Universität Konstanz
Postfach D-87, D-78457 Konstanz, Tel +49-(0)-7531/88-2879 Fax -2048
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