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Re: [InetBib] Digitalisierung



Ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtig verstanden habe,
dass letztendlich Papier noch immer das einzig zuverlässige Archivmedium
sein soll.

Bei 100.000 laufenden Zeitschriften und rund 100 Mio. Buchtiteln in der
Welt;
dazu Zeitungen, Reports, Dissertationen etc., und das alles bei einer
Verdopplungsrate von 20 Jahren, da sollte wohl niemand mehr glauben,
wir könnten das publizierte Wissen heute noch immer auf Papier archivieren.
Nicht zu vernachlässigen, die wachsende Zahl an Daten- und Wissensbanken.
Auch wenn von den ~ 100 Mrd. Büchern möglicherweise die Hälfte bereits
verbrannt, weggeworfen, zerfallen,
verschimmelt, durch Wasser oder Kriege zerstört oder anderweitig verloren
gegangen sind, dürfte die Zahl an
5 Büchern /Kopf  der Weltbevölkerung eher weiter steigen.
Und wie hieß es bei Ranganathan so schön. Jedem Leser sein Buch ;-).
Außerdem kommt nun zunehmend auch die Digitalisierung von Fotos, Filmen,
Mikrofilmen oder Tonaufzeichnungen hinzu,
weil die Neuen Medien des letzten Jahrhunderts, als analoge Medien,
archivuntauglich waren.

Die USA haben mit SGML vor rund 20 Jahren die Weichen zur digitalen
Archivierung gestellt.
Dass Open Access also der unausweichliche Weg in die Zukunft ist, dürfte
auch kaum noch in Frage stehen.

Es gibt schon längst keine Alternative mehr gegenüber der digitalen
Archivierung,
auch wenn bei weitem nicht alles was die Berkeley Studies an Exabytes
erfasst haben,
wirklich publiziert und archivwürdig ist.

Wenn man Bibliothekare angreift, die eine Situation einfach nur realistisch
beurteilen,
ändert das nichts an den Tatsachen. Es gibt auch keinen besseren Schutz für
alte Bücher,
als deren Inhalte durch Digitalisierung allgemein verfügbar zu machen.

Das gedruckte Buch als Informationsausgabemedium gewinnt seit Jahrhunderten
ungebrochen an Bedeutung,
als Archivmedium ist es seit 1963 auf dem stetigen Rückzug, als man mit der
Digitalisierung
der Bibliografien in Bibliotheken (Weinberg Report) begann.

Das ist das wirkliche Problem der Bibliothekare. Sie werden oft für
verstaubt und im Denken veraltet gehalten,
und in Wirklichkeit beschäftigen sich viele von ihnen mit Problemen,
denen die Laien z.T. vierzig Jahre (2006 - 1963 = 43) hinterher hinken.

Seit Jahrzehnten geht die Finanzierung von Publikationen insgesamt immer
stärker von den Käufern
auf die Produzenten über. Lediglich ~5% der Spitzenzeitschriften können die
Bibliotheken dazu zwingen,
fast den gesamten Etat, den sie dafür haben, bei ihnen abzuliefern.
Auch diese Entwicklung erzwingt den Fortschritt digitaler Publikationen.

Die Verlage kritisieren an der OAJ-Entwicklung genau genommen nur, dass die
entstehenden Kosten zu niedrig kalkuliert werden.
Wenn z.B. in einem Forschungsprojekt von 100.000 Euro für die daraus
entstehenden Publikationen 10% abgezweigt würden,
gäbe es sicher Verlage, die nicht nur diese Publikationsaufgaben übernehmen,
sie würden auch entsprechend
Reklame dafür machen und für die notwendige Verbreitung sorgen.

Diese Reklame für wissenschaftliche Publikationen wird aber ein immer
größeres Problem für die Objektivität der Wissenschaft.
Wir müssen daher davon ausgehen, dass Projekte und gesponserte Wissenschaft,
weiter zunehmend Geld in ihre Publikationstätigkeit stecken.
um ihre Erfolge zu belegen.
Es sind dabei zwei Arten von Information zu unterscheiden:
1. Information die für den Produzenten an Wert gewinnt, wenn sie verbreitet
wird. (Reklame, rechtliche Festlegungen, Normen, etc.)
2. Information die für den Produzenten an Wert verliert, wenn sie verbreitet
wird. (Sie wird geheim gehalten, durch Patente geschützt, teuer verkauft,
etc.)

Da die Erzeugung einer Kopie noch nie so rasch, billig und fehlerfrei war,
wie heute bei den digitalen Dokumenten,
müssen Recht und Wirtschaft die richtigen Konsequenzen ziehen,
ohne veraltete Vorstellungen, wie die Archivierung auf Papier, die
künstliche Verknappung von Information (damit sie als herkömmliche Ware
gehandelt werden kann) oder überholte Copyrights (die aus Zeiten stammen,
als man noch manuell abschreiben musste).

Die Digitalisierung wird ohne Zweifel ungebrochen voranschreiten, wobei
Google sich zum größten Verleger
(oder zur größten privatwirtschaftlichen Bibliothek) der Welt entwickelt.
Spätestens, wenn die Zeiten des fair use in
Google Book Search beendet sind, wird sichtbar was eine Digitale Bibliothek
unter GATS bedeutet.


MfG

W. Umstätter


----- Original Message -----
From: "Klaus Graf" <klaus.graf@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>
To: "Internet in Bibliotheken" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Sent: Friday, July 28, 2006 6:57 PM
Subject: Re: [InetBib] Digitalisierung


Wir erinnern uns an "Double Fold" - Der Eckenknick
http://del.icio.us/tag/doublefold

und an

http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=3299

Und was ist, wenn das JSTOR-Abo gekuendigt werden muss?
Oder JSTOR nicht mehr angeboten wird?

Und wenn man nur noch Studenten und Hochschulmitarbeitern
JSTOR-Zugang an Bibliotheks-PCs gewaehren darf?

Im uebrigen: Rasches Blaettern in einem
Zeitschriftenjahrgang funktioniert immer noch besser und
schneller als Browsen am Bildschirm.

Klaus Graf





Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.