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Re: [InetBib] Handschriften als Politikum



Heute ein Artikel in der FAZ (27.9.2006):

Beutekunst. Wem gehören die Handschriften in Karlsruhe. (Rüdiger Soldt)

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx 
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Walther Umstaetter
Gesendet: Dienstag, 26. September 2006 13:25
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Handschriften als Politikum

Ich bin nicht sicher, ob ich das richtig verstanden habe.
Auf Salem lasten Schulden, die eigentlich die Markgrafenfamilie hat.

Um sie davon zu entlasten, überlässt das Land Baden (in Württemberg war die
Grundproblematik mit dem Ende der Monarchie schon geregelt) ihr für rund 70
Mio. Euro
Handschriften, die dann wieder mit begrenzter Unterstützung des Landes und
insbesondere durch Spenden der Wirtschaft und Bürger zurückgekauft werden,
weil man davon ausgeht (hofft?), dass es einen Aufschrei der Entrüstung
gibt, und
niemand zulassen wird, dass dieses Kulturgut außer Landes geht. Hier haben
Sponsoren gute Karten. Wenn man alte Handschriften rettet, tut man immer
etwas gutes.
Bei einer Eliteschule ist das nicht mehr ganz so sicher.
(Warum diese allerdings nicht wirtschaftlicher arbeitet, kann ich auch nicht
beurteilen.)

Insofern können sich die kulturgutschützenden Bibliotheken ja ihres hohen
Ansehens nur erfreuen ;-).

Wenn das richtig ist, möchte das Land also der Markgrafenfamilie durch einen
Spendenaufruf helfen, weil es am Privatbesitz Salem ein Landesinteresse hat,
aber anscheinend der Meinung ist, dass der Spendenaufruf eher glückt,
wenn man die Bibliothek aufs Spiel setzt, als das Schloss.
Das erinnert etwas ab Vabanque.

Wenn der Landesbeitrag eine Obergrenze bei einem einstelligen
Millionenbetrag hat,
sagen wir 7 Mio. Euro, müssten 90% von Wirtschaft und Einzelmäzenen kommen.
Dies ist wohl die neue Variante der Strategie von vor zehn Jahren,
als man bei Sotheby's ~25000 Kunstwerke und Gebrauchsgüter aus dem Neuen
Schloss
in Baden-Baden versteigerte, und das Land für 45 Mio. DM die wichtigsten
Werke
für Deutschland zurückkaufte. Wir müssen uns fragen, was wäre damals anders
gewesen,
wenn man das Geld direkt transferiert hätte. Hat man an dem weniger
wichtigen so gut verdient?

Wenn ich es also richtig sehe, ist das die Krise von Salem, und das Land
sollte sich ehrlicher Fragen, welchen Preis es Wert ist, Salem unter welchen
Bedingungen zu retten.

Raffinierte Ideen sind etwas sehr schönes, man kann sich dafür richtig
begeistern.
Politisch weitaus wichtiger ist aber, wie die Deutsche Geschichte zeigt,
Ehrlichkeit.
Daran sollten wohl auch Juristen denken, denn, und auch da frage ich mich,
ob ich das richtig sehe; das Ganze erinnert doch sehr an juristische
Fingertricks bei einer Pseudoprivatisierung.
Salem scheint auch im Privatbesitz nicht besonders wirtschaftlich zu sein.

Muss man darum gleich eine renommierte Bibliothek aufs Spiel setzen?

Mit freundlichen Grüßen

W. Umstätter




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