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Re: AW: [InetBib] Stellungnahme Börsenverein DBV



Die Vereinbarung, die deutlich das Gepraege eines
Teufelspakts traegt (Boersenverein als Incubus), kann als
Download auf der Website des Boersenvereins eingesehen
werden. Als Wissenschaftler kann man nur angewidert sein,
wie die Interessen von Bildung und Wissenschaft von den
Bibliotheken verraten wurden. Wir duerfen auf die
Stellungnahme des Urheberrechtsbuendnisses gespannt sein.
Bibliotheksbenutzer brauchen eine eigene starke Lobby, die
ihre Interessen wahrnimmt und nicht einknickt wie die
Bibliotheksverbaende.

Dass die Bibliotheken Open-Access-Heuchler sind, braucht
nicht mehr ausgefuehrt zu werden. Nun sind sie auch
Verraeter, denn mit der Formulierung "Für die Finanzierung
wissenschaftlicher Zeitschriften ist derzeit kein
effizientes Geschäftsmodell als Ersatz für die Subskription
in Sicht" schlagen sie der Open-Access-Bewegung ins
Gesicht. PLoS, BMC, Hindawi usw., die nicht ueber
Subskription finanzieren - sind alle nicht effizient? Die
ganzen Experimente der angloamerikanischen Verleger mit
"hybriden" Zeitschriften (teils TA, teils OA) desgleichen?
Umgekehrt wird ein Schuh daraus: OA mit seinen
unterschiedlichen Geschaeftsmodellen (die meisten
OA-Zeitschriften haben NICHT das Autor-zahlt-Modell wie
PLoS oder BMC) gehoert die Zukunft und wer sich an
Subskriptionsmodelle klammert, wird auf lange Sicht
untergehen. Viele Bibliothekare werden das genauso sehen,
aber die Verbandsfunktionaere schlucken gern die
Anti-OA-Kroete (die Kroete ist Symbol des Teufels, nicht zu
vergessen).

Bei dem geplanten § 52b UrhG-RegE sichern die Bibliotheken
einen absoluten Bestandsschutz zu (es duerfen "keine
Absatzminderungen" eintreten). Das ist indiskutabel, auch
Verlage muessen sich auf die digitale Welt einstellen, und
es wurden ja auch in dieser Liste genuegend Beispiele fuer
die Vereinbarkeit von OA und guten Verlagsgeschaeften
angefuehrt.

Wenn ein Verlag ein digitales Buch in einem gaengigen
Format zu "angemessenen Bedingungen" anbietet, sollen die
Bibliotheken nicht digitalisieren und bereitstellen
duerfen.   Dass sich viele Bibliotheken auch die
"angemessenen Bedingungen" sich nicht werden leisten
koennen (was bereits bei DigiZeitschriften der Fall ist),
fuehrt dazu, dass die Benutzer dieser Bibliotheken leer
ausgehen. Angemessen meint nach der Definition der
Vereinbarung in etwa: branchenueblich, was die Bibliotheken
den Monopolen der Verleger ausliefert. Bietet ein Verlag
nur einen miesen Scan ohne Volltext an, kann eine
Bibliothek ihren Nutzern keinen besseren Service bieten. 

Wie die geforderte Langzeitverfuegbarkeit seitens der
Verleger garantiert werden soll, ist raetselhaft.
Ueblicherweise wird dieses Geschaeft den Bibliotheken
zugeschanzt.
 
Inakzeptabel ist die Beschraenkung des gleichzeitigen
Zugriffs auf die Zahl der gekauften Exemplare.

Inakzeptabel ist es, dass die Verleger weder zugestanden
haben
* dass Campuslizenzen zu angemessenen Bedingungen
angeboeten werden duerfen
* noch dass registrierte Nutzer remote-access zu
angemessenen Bedingungen haben.

Die Verbandsfunktionaere verraten ueblicherweise alle jene
Nutzer von Landes- und anderen wissenschaftlichen
Bibliotheken, die nicht Uni-Angehoerige sind. Auch das
Urheberrechtsbuendnis ist auf diesem Auge blind. Um so
wichtiger ist es zu unterstreichen, dass Nationallizenzen,
die den wissenschaftlich Taetigen unabhaengig von der
universitaeren Zugehoerigkeit den Zugriff auf
wissenschaftliche Quellen ZUHAUSE ermoeglichen, den
richtigen Weg darstellen. Siehe dazu
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Bibliotheksrecherche#Politische_Forderung_.28Entwurf.29

§ 52b geht auf eine EU-Richtlinie zurueck und beguenstigt
auch andere Kultur-Institutionen wie Archive oder Museen.
Durch den schmaehlichen "Separatfrieden" der Bibliotheken
wird die Position dieser anderen Institutionen geschwaecht.

§ 52b sollte im uebrigen durch eine Regelung fuer verwaiste
Werke ergaenzt werden, die auch die oeffentliche
Zugaenglichmachung verwaister Werke erlaubt.

Auch bei den Ausfuehrungen zur Dokumentlieferung § 53a tut
die Bibliotheks-Seite so, als gaebe es keine
"Zeitschriftenkrise": das Abonnement sei eine bewährte und
"in der Regel faire Lösung". Dass Monopolinhaber ihr
Monopol ausreizen und das Geld, das zusaetzlich ins System
kommt, weiter abschoepfen - die BibliotheksfunktionaerInnen
wollen das nicht mehr wissen.

Beim digitalen Versand nicht vom Verlag digital angebotener
Aufsaetze lassen sich die Bibliotheken auf den Versand
grafischer Dateien ein, die mit DRM gegen
"Vervielfaeltigung und Weiterleitung gesichert ist".

Grafische Dateien sind fuer die Wissenschaft (z.B. in der
Physik, siehe Hilf zur Uebernahme von Formeln) nicht
akzeptabel.

DRM ist nicht akzeptabel, da der Benutzer kein Recht hat,
ein wirksames DRM zu umgehen, um die Schranken des
Urheberrechts (z.B. § 53 UrhG oder Weitergabe im engsten
Freundeskreis zulaessig) zu nutzen. Die Bibliotheken geben
die Folterknechte, die das freie Wissen erdrosseln.

Bei originaer vom Verlag angebotenen digitalen Dateien
machen die Bibliotheken das Inkassounternehmen des Verlags:
auch hier erfolgt der Versand zu "angemessenen
Bedingungen",  wobei bekanntlich bei Aufsaetzen
pay-per-view international ca. 30 Dollar (auch fuer eine
zweiseitige Rezension) branchenueblich sind.

Dass Wissenschaftler darauf angewiesen sind, eine Vielzahl
von Fachpublikationen zu sichten, ohne dass es ihnen
zumutbar ist, diese jeweils zu "kaufen", wird von der
Verlagslobby konsequent ignoriert. Die gekauften Exemplare
koennen auch nicht weiterverkauft werden, sie sind (anders
als gedruckte Buecher) Verbrauchsmaterial, bei dem viel
Unbrauchbares notwendigerweise ebenfalls gekauft werden
muss. Eine "Ansichtssendung" scheidet ja aus. Zum
Fernabsatzgesetz und Downloads siehe
http://www.e-recht24.de/artikel/ecommerce/12.html   

Kurz: Die Vereinbarung ist eine Vereinbarung zu Lasten
Dritter, naemlich der auf die Bibliotheksdienste
angewiesenen Forscher und Buerger. Diese sollten den
massiven Widerstand gegen diese "Streitbeilegung"
organisieren. Und die Bibliothekare sollten sich
ueberlegen, ob sie von solchen Funktionaerinnen weiter
vertreten werden wollen ...

Klaus Graf


 



  



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.