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Re: [InetBib] § 71 UrhG und nachgelassene Werke in Bibliotheken



On Fri, 25 May 2007 09:27:55 +0200 (CEST)
 Eric Steinhauer <eric.steinhauer@xxxxxxxxx> wrote:
Liebe Liste,

bei Nomos ist ein interessantes Gutachten zu § 71 UrhG
und Bibliotheken erschienen.

Horst-Peter Götting, Anne Lauber-Rönsberg: Der Schutz
nachgelassener Werke : der Schutz nachgelassener Werk
unter besonderer Berücksichtigung der Verwertung von
Handschriften durch Bibliotheken. ? Baden-Baden : Nomos,
2006. ? 96 S. (Schriften zum geistigen Eigentum und zum
Wettbewerbsrecht ; 1)
ISBN 3-8329-2350-0

22 Euro (das waren ca. 44 DM) sind ein recht stolzer Preis
für schmale 96 Seiten.

Die Autoren behandeln die Frage, wie ein
Leistungsschutzrecht nach § 71 UrhG erworben werden kann.
Für Bibliotheken ist diese Frage sehr bedeutsam, wenn sie
nachgelassene Werke und alte Handschriften in ihrem
Bestand haben. 

Beachtlich sind die Ausfürhungen der Autoren zu Nutzungs-
und Herausgabebeschränkungen von Altbestand in
Benutzungsordnungen.

Finde ich nicht sonderlich beachtlich, da im wesentlichen
der Argumentation im Bibliotheksdienst 1994 nachgebildet.
Ich hatte mich seinerzeit auch zu § 71 UrhG geaeussert und
auf den von den beiden Autoren ignorierten Aufsatz von
Stois bezogen:
http://www.literature.at/webinterface/library/ALO-BOOK_V01?objid=1511&page=347&zoom=4

Meinen Aufsatz haben sie ebenfalls nicht herangezogen, da
er nicht in die Gutachtensammlung zum Bibliotheksrecht
aufgenommen wurde. Er ist online verfuegbar unter:
http://deposit.ddb.de/ep/netpub/89/96/96/967969689/_data_stat/www.dbi-berlin.de/dbi_pub/einzelth/rechtpub/graf.htm

Nachdem Steinhauer und Mueller in dieser Liste vehement das
Copyfraud der Bibliotheken in Bezug auf die Zuerkennung
eines Lichtbildschutzes nach § 72 UrhG bei originalgetreuen
Reproduktionen und Digitalisaten verteidigt haben, nimmt
man mit Interesse zur Kenntnis, was Steinhauer dazu in
seinem Blogbeitrag schreibt:

"Am Rande des Gutachtens finden sich beachtliche Äußerungen
zu bibliotheksrechtlich durchaus kontrovers diskutierten
Detailfragen, so etwa die, daß Bibliotheken durch
Faksimilierung oder Mikroverfilmung mangels persönlicher
Leistung kein Schutzrecht nach § 72 UrhG erwerben. (S. 82)
Ob dies auch für Digitalisierungen gilt, haben die Autoren
nicht gesagt. Bei einfachen Digitalisaten dürfte aber wohl
im Ergebnis nichts anderes gelten."

Siehe dazu auch:
http://archiv.twoday.net/stories/3203578/
http://archiv.twoday.net/stories/3268984/

Nur am Rande sei vermerkt, dass ich von dem Gutachten nur
wenig halte. Die Informationsfreiheit ist bei Bibliotheken
generell in die Waagschale zu werfen, daher geht es auch
nicht an, wie mir Mueller neulich ausdruecklich
bestaetigte, die Handschriftenbenutzung wissenschaftlichen
Zwecken zu reservieren. Oeffentliche Bibliotheken, die,
wenn sie ueber Altbestand verfuegen, ja auch in grossem
Umfang unveroeffentlichte Materialien verwahren, haben
keine Beschraenkung von der Zweckbestimmung her auf die
Wissenschaft, wie sie von den Autoren fuer
Universitaetsbibliotheken konstruiert wird. Also ist auch
die kommerzielle Nutzung von Bibliotheksgut keine
Sondernutzung, sondern vom normalen Widmungszweck der
Bibliotheken umfasst.

Dass § 71 UrhG so ueberfluessig wie ein Kropf ist, fuer
diese Ansicht habe ich  unter
http://archiv.twoday.net/stories/3620318/
argumentiert.

Klaus Graf 



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.