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Re: [InetBib] UrhG - Autorenunterstützung - Verlagsadressdatenbank gesucht zum Widerspruch gegen unbekannte Nutzungsarten §137 l



Lieber Herr Meier,

leider kenne ich das von Ihnen erwähnte Schreiben der DFG nicht. Jedenfalls 
aber scheinen Sie bzw. Ihre Einrichtung über die Folgen des § 137 l UrhG-E nur 
diffuse Vorstellungen zu haben.

Zunächst einmal geht es in dieser Vorschrift nicht um die „rückwirkende 
Abtretung der Urheberrechte an den im Zeitraum 1966 bis 1995 noch unbekannten 
Nutzungsarten“. Vielmehr geht es in dieser Norm um Verträge, die ein Autor mit 
einem Verwerter zwischen dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes (im Jahre 
1966) und dem Inkrafttreten der jetzigen Novelle (voraussichtlich im Oktober 
dieses Jahres) geschlossen hat, und in denen der Autor dem Verwerter „alle 
wesentlichen Rechte“ an seinem Werk zur „ausschließlichen“ Nutzung übertragen 
hat. Ist in einem solchen Fall eine bestimmte Nutzungsart des Werks bei 
Vertragsschluss noch unbekannt gewesen, die inzwischen bekannt geworden ist 
(z.B. weil sie ursprünglich technisch noch nicht existierte), hat der Verwerter 
ohne einen erneuten Vertrag mit dem Autor nicht die Befugnis, das Werk auch auf 
diese Weise zu nutzen. Ursache dafür ist die Vorschrift des § 31 Abs. 4 des 
geltenden Urheberrechtsgesetzes. Mit dieser soll
 te der Urheber davor geschützt werden, sich Rechten an Nutzungsarten seines 
Werks zu begeben, die er bei Vertragsschluss gar nicht kennt und deren Ausmaß 
er daher gar nicht überschauen kann.

Diese Regelung des § 31 Abs. 4 UrhG hat sich durchgängig, insbesondere aber im 
Fall der – seit dem Jahr 1995 als bekannt geltenden – online-Nutzungsrechte 
nicht bewährt. Sie hat nämlich dazu geführt, dass die meisten Werke gar nicht 
erst in Nutzungsformen zugänglich gemacht worden sind, die erst nach 
Vertragsschluss bekannt wurden. Der Verwerter kann dies nicht besorgen, weil er 
die entsprechenden Rechte nicht hat. Der Aufwand, diese Rechte nachzuerwerben, 
ist für ihn in den meisten Fällen zu groß, weil er zu vielen Berechtigten 
gegenübersteht (Mehrautorenwerke wie Filme, Hörspiele, Zeitschriften, 
Festschriften, Lexika etc. / schwer lokalisierbare Erbengemeinschaften nach Tod 
des Autors) und/oder die potentiellen Erträge aus der neuen Nutzungsform keinen 
Lizenzierungsaufwand rechtfertigen. Der Autor kann dies nicht besorgen, weil er 
es nicht will (deswegen hat er ja mit einem Verwerter kontrahiert) oder gar 
nicht kann, weil er nicht der alleinige Werkberechtig
 te ist.

Dieses Dilemma hat dazu geführt, dass nur ein Bruchteil der unter dem deutschen 
Urheberrechtsregime entstandenen Werke heute online zugänglich sind. Das ist 
nicht nur für den „Verbraucher“ kultureller Werke, sondern gerade auch für die 
Wissenschaft ein massives Problem. Während Werke, die z.B. unter dem 
angloamerikanischen Copyrightsystem geschaffen wurden oder werden, sofort für 
neue Nutzungsarten und Vermittlungswege zur Verfügung stehen, ist „unser“ 
Kulturgut bisher oft blockiert. Vor diesem Hintergrund ist der Versuch des 
Gesetzgebers zu verstehen, mit dem § 137 l UrhG-E diese Blockade rückwirkend so 
gut es geht wieder zu beseitigen

Von Zeitschriftenartikeln, auf die Sie offensichtlich abzielen, handelt § 137 l 
UrhG-E (leider!) nicht. Bei diesen fehlt es nämlich in der weit überwiegenden 
Zahl der Fälle bereits an der Tatbestandsvoraussetzung, dass der Autor dem 
Verlag alle wesentlichen Rechte zur ausschließlichen Nutzung übertragen hat. 
Bei den wenigsten Wissenschaftszeitschriften wurden über die einzelnen Beiträge 
Verlagsverträge mit umfassenden Nutzungsrechtskatalogen abgeschlossen. Wenn 
nichts Gegenteiliges vereinbart wird, verliert der Verlag zudem aufgrund 
gesetzlicher Regelung ein Jahr nach der Zeitschriftenveröffentlichung eines 
Artikels sein Ausschließlichkeitsrecht.

Deswegen sollte Ihre Einrichtung – evtl. auch die DFG, wenn es wirklich von 
dieser ausgeht - den von Ihnen im Hinblick auf § 137 l UrhG-E eifrig verfolgten 
Unterstützungsauftrag noch einmal grundsätzlich hinterfragen. Wenn wir uns im 
Ziel einig sind, dass es darum gehen muss, wissenschaftliche Veröffentlichungen 
der Vergangenheit möglichst schnell und möglichst gut aufbereitet online 
zugänglich zu machen (z.B. unter www.nationallizenzen.de oder - bei 
entsprechender institutioneller Finanzierung - komplett open access), dann sind 
Sie auf dem falschen Weg. Wissenschaftliche Autoren können nämlich mit 
isolierten online-Rechten an älteren Zeitschriftenveröffentlichungen nicht viel 
anfangen, weil die öffentliche Zugänglichmachung einer zitierfähigen Version 
regelmäßig nicht ohne die Nutzung von Rechten möglich ist, die beim Verlag 
liegen.

Übrigens gilt dasselbe im Buchbereich, auf den § 137 l UrhG-E eher Anwendung 
findet. Auch hier führt ein Widerruf der unbekannten Nutzungsarten hinsichtlich 
wissenschaftlicher Monographien den Urheber ins Nirwana. Während der Verlag den 
entsprechenden Titel nicht einmal mehr für die online-Volltextsuche erschließen 
kann, steht der Autor als König-ohne-Land da, weil er die gedruckte Fassung 
nicht veröffentlichen darf, seine ursprüngliche Manuskriptfassung aber (wenn 
sie ihm bei Werken vor 1995 überhaupt noch vorliegt) wohl eher nicht gegen die 
spätere gedruckte Fassung stellen will. (Vom dritten Forscher, der auf zwei 
konkurrierende, voneinander abweichende Werkfassungen stößt – eine 
zitierfähige, aber schwerer zugängliche Print- und eine leicht zugängliche, 
aber nicht zitierfähige online-Version -, wollen wir gar nicht erst reden…)

Kurzum: Über § 137 l UrhG-E muss man sich nicht deshalb aufregen, weil die Norm 
Probleme mit älteren Zeitschriften- und Festschriftenbeiträgen schafft, sondern 
weil sie die bestehenden, gravierenden Probleme in diesem Bereich nicht löst. 
Gefragt ist nicht der untaugliche Versuch des Widerrufs von Rechten gegenüber 
Verlagen aus dumpfem Unmut heraus, sondern die Zusammenarbeit von 
Forschungs(förderungs)einrichtungen, Bibliotheken, Verlagen und 
Verwertungsgesellschaften (die den Anspruch des Autors auf angemessene 
Vergütung sichern, wenn der Verlag nach § 137 l UrhG-E von einer ursprünglich 
unbekannten Nutzungsart Gebrauch macht) auf das Ziel hin, ältere Jahrgänge 
deutschsprachiger Zeitschriften in hochwertigen online-Versionen zugänglich zu 
machen. DigiZeitschriften hat hier den Anfang gemacht. Die gemeinsamen 
Anstrengungen müssen aber noch vervielfacht werden, wenn die in Deutschland 
verlegten – und damit nicht zuletzt auch die deutschsprachigen - Wissenschafts
 zeitschriften im internationalen Wettbewerb nicht noch weiter zurückfallen 
sollen.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Sprang


Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.
RA und Mediator Dr. phil. Christian Sprang
Justiziar
Großer Hirschgraben 17 - 21
60311 Frankfurt/Main
Tel. 069/1306-313
Fax 069/1306-301
e-Mail: sprang@xxxxxxx
Website: www.boersenverein.de

-------- Original-Nachricht --------
Datum: Wed, 4 Jul 2007 09:18:52 +0200
Von: Joachim.Meier@xxxxxx
An: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: [InetBib] UrhG - Autorenunterstützung - Verlagsadressdatenbank gesucht 
zum Widerspruch gegen unbekannte Nutzungsarten §137 l

Liebe Listenmitglieder,

wir haben von der DFG ein Schreiben aus Anlass der Novellierung des UrhG 
erhalten.
Der Ausschuss für wissenschaftliche Literaturversorgungs- und 
Informationssysteme (AWBI) der DFG informiert darin
u.a. über die Folgen des § 137 l UrhG-E (Ausschluss unbekannter 
Nutzungsarten).
Als Hilfestellung für Autoren wird in dem Schreiben auf einen Musterbrief
der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGP)
hingewiesen ( http://www.dgps.de/dgps/kommissionen/iuk/005.php).
Mit diesem Musterbrief könnten Autoren bei Verlagen Widerspruch gegen die
rückwirkende Abtretung der Urheberrechte
an den im Zeitraum 1966 bis 1995 noch unbekannten Nutzungsarten einlegen.

Da es derzeit so aussieht, als ob die UrhG-Novelle in der zuletzt 
bekannten Form
als Gesetz im "Eilverfahren" verabschiedet wird, hat unsere Bibliothek den
Auftrag erhalten,
die hausinternen Autoren in ihren Widerspruchsverfahren zu unterstützen.
Diese Unterstützung sollte so aussehen, dass wir die Anschriften der 
Verlage
zusammenstellen, bei denen unsere Autoren von 1966 bis 1995
veröffentlicht 
haben.

Da im Fall der Fälle nicht nur wir, sondern alle deutschen Einrichtungen,
aus denen heraus
publiziert wurde, dieses Problem haben, frage ich die Listenmitglieder,
ob Ihnen ein (möglichst kostenfrei zugängliches) Verzeichnis
der für rechtlichen Schriftverkehr zuständigen Verlagsadressen bekannt 
ist. 

Es geht dabei nur um deutsche Verlage, Verlage mit (Teil-)Sitz in 
Deutschland und
Rechtsnachfolger von deutschen Verlagen (seit 1966). 
Erschwerend kommt hinzu, dass bei großen Verlagen mehrere 
Redaktionsadressen
gültig sein können. Da der Autor für jede seiner bei verschiedensten 
Verlagen und in 
unterschiedlichen Zeitschriften veröffentlichten Artikel Widerspruch 
einlegen kann,
steht er vor einem Problem: Für welche seiner Veröffentlichungen muss er
seinen Widerspruch 
an welche (Verlags-/Redaktions-)Adresse senden?

Es wäre für Autoren eine sehr große Hilfe, wenn er/sie in einer
kostenfrei 
zugänglichen Datenbank
die gültige Adressangabe der jeweils für eine bestimmte seiner 
Veröffentlichungen zuständigen
Redaktion recherchieren könnte (nur der Verlagsname und -Ort genügt 
nicht!). Auch der derzeitige Rechteinhaber
einer endgültig eingestellten Zeitschrift sollte ermittelt werden
können.

Vielleicht können die Kolleginnen und Kollegen aus den deutschen 
bibliothekarischen Einrichtungen mit zentralen 
Dienstleistungsaufgaben (DDB, Verbünde, ..)  hier wertvolle Hinweise 
geben.
Autoren werden diese Hilfe sicher zu schätzen wissen.

Gruß
Joachim Meier
____________________________________________________
Dr.-Ing. Joachim E. Meier 
Referatsleiter Q.11, Wissenschaftliche Bibliotheken
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) (http://www.ptb.de)
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GERMANY                 E-mail: Joachim.Meier@xxxxxx 
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