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Re: [InetBib] TELEPOLIS: Onleihe nur für Microsoft-User
- Date: Wed, 5 Sep 2007 17:31:59 +0200
- From: "Frank Daniel" <daniel@xxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] TELEPOLIS: Onleihe nur für Microsoft-User
Lieber Herr Delin, lieber Herr Schleiwies,
vielen Dank für die ergänzenden Kommentare zum Telepolis-Artikel!
Ich kann auch nur noch einmal betonen, dass wir ohne besondere 
Schutzmechanismen weder Inhalte von den Verlagen bekämen noch diese auf 
elektronischem Wege verleihen könnten. Etwas zu verleihen bedeutet ja 
schließlich, es zeitlich befristet zur Verfügung zu stellen (und nicht 
dauerhaft), das Ausleihmanagement ist nur über ein DRM möglich. Es ist 
jedoch nicht ganz richtig, dass die Bibliothek das jeweilige Medium besitzt. 
Sie erwirbt lediglich Lizenzen für Inhalte, die die Firma DiViBib den Kunden 
der Bibliothek zugänglich macht.
Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag
Frank Daniel
StadtBibliothek Köln
Recherche und Elektronische Dienste
Josef-Haubrich-Hof 1
50676 Köln
E-Mail:  daniel@xxxxxxxxxxxxxx
WWW: http://www.stbib-koeln.de
----- Original Message ----- 
From: "Delin, Peter" <delin@xxxxxx>
To: "Internet in Bibliotheken" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Sent: Monday, September 03, 2007 12:33 PM
Subject: Re: [InetBib] TELEPOLIS: Onleihe nur f?r Microsoft-User
Zur Divibib noch einige ergänzende Informationen:
- Die Bibliotheken schließen keinen Lizenzvertrag, sondern kaufen das 
jeweilige digitale Medium. Die Bibliothek besitzt dieses Medium, 
allerdings mit den von den Rechteinhabern geforderten DRM-Beschränkungen. 
Es gibt kein Verfallsdatum für die Bibliothek (die laufenden Kosten 
beziehen sich auf das Hosting von Divibib).
- Der gesamte Textbestand ist im Volltext recherchierbar.
- Ein Ausdruck ist möglich.
- Die "Onleih"-Dauer kann individuell festgelegt werden. So können bei 
kurzen Fristen z.B. für den "Spiegel" höhere Nutzungszahlen erzielt 
werden.
- Divibib liefert die Metadaten, die in den Webkatalog der Bibliothek 
integriert werden können.
Viele Grüße
Peter Delin
http://www.zlb.de/wissensgebiete/kunst_buehne_medien/videos
http://buecherei.netbib.de/coma/Filmrecherche
http://buecherei.netbib.de/coma/Filmliteratur
http://dvdbiblog.wordpress.com/
u.herb@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx schrieb:
Dieser TELEPOLIS Artikel wurde Ihnen
von Ulrich Herb <u.herb@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx> gesandt.
zur Info
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Onleihe nur für Microsoft-User
Reiner Sladek 03.09.2007
Als könnte man die Tagesschau nur mit dem Fernseher empfangen, der die 
Sendung sponsort
Die Stadtbüchereien von Hamburg, Würzburg, Köln und München haben sich 
mit dem privaten Dienstleister  DiViBib (1) zusammengeschlossen um Medien 
per Download zu verleihen. Diese  "Onleihe" (2) ist das erste Projekt 
seiner Art in ganz Europa. Sie verwenden für die Ausleihe von Mediendaten 
das Windows Media Format, mit zusätzlichem Digital Rights Management 
(DRM) und einem digitalen Wasserzeichen, in das die Benutzernummer 
eingearbeitet ist.
Dieses DRM-WMF ist proprietär und derzeit weder auf Apple noch auf 
GNU/Linux portiert. Die Projektbetreiber argumentieren, dass das System 
ja "nur" die Apple- und GNU/Linux-User nicht bedienen würde, also maximal 
ein paar Prozent der Benutzer dies nicht nutzen können. Aber das ist 
Unsinn. Gerade von der jugendlichen Zielgruppe, die die Büchereien mit 
dem Angebot besonders ansprechen wollen, geht es weniger um Rechner, als 
um MP3-Player. Und da sieht das schon ganz anders aus: im Januar hatte 
der iPod 28 Prozent Marktanteil. Das heißt ungefähr ein Drittel der 
Bevölkerung kann diese Dateien nicht benutzen - praktisch für Microsoft, 
die Ende des Jahres den Musikplayer Zune in Deutschland auf den Markt 
bringen. Das ist der Karren, vor den sich diese vier Stadtbüchereien 
gerade dankbar haben spannen lassen. Die dazugehörige Karotte war, dass 
Microsoft sein DRM kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Wie aber 
verträgt sich das mit der Hauptaufgabe der Büchereien, der 
Grundversorgung aller Schichten der Bevölkerung mit Literatur und anderen 
Medien? Die digitale imitiert die Einschränkungen der analogen Ausleihe 
Seit dem 25.07. 2007 können auch Benutzer der Münchner Stadtbücherei 
"onleihen". Bis jetzt ist das Programm aus verschiedenen Gründen eher 
schmal. Im e-book Bereich finden sich auch Magazine - als Flaggschiff der 
"Spiegel". Bis Mitte August verzeichnete die Bücherei, die mit 11 
Millionen Ausleihen jährlich eine Spitzenposition unter den deutschen 
öffentlichen Bibliotheken einnimmt, respektable 80.000 Downloads. Die 
digitalen Medien haben also die öffentlichen Büchereien erreicht. Aber 
damit auch alle Probleme, die diese Formate mit sich bringen: Jenseits 
aller Probleme mit dem Kopierschutz, wie man ihn von den kommerziellen 
Verkaufsportalen her ja bis zum Abwinken kennt, haben die Bibliotheken 
zusätzliche Probleme. Zwei sind besonders erwähnenswert: Erstens: Die 
digitale Ausleihe muss so tun, als handle es sich bei dem Download um 
eine tatsächliche CD, DVD, ein Buch oder eine Zeitschrift: Konkret heißt 
das, wenn die Bücherei fünf Abonements des "Spiegel" gekauft hat, dann 
können maximal fünf Exemplare gleichzeitig ausgeliehen werden. Das ist 
zuhause nich anders als in den Lesesälen. Dort ist die elektronische 
Wiedergabe von Literatur an Lesegeräten (sprich Computern) auf genau die 
Anzahl von Exemplaren beschränkt, in der das betreffende Werk in 
Papierform vorhanden ist. Wenn es nur ein Exemplar von einem Buch gibt, 
darf es auch nur auf einem Bildschirm betrachtet werden (Vgl.  Der 
Gerechtigkeit einen Korb geben (3)). Zweitens:Die Verlagslobby setzte 
durch, dass auch elektronische Ausleihen ein digitales Verfallsdatum 
bekommen.  Das heißt eine "ausgeliehene" PDF-Datei kann man nur einen Tag 
lang öffnen, Musikdateien bleiben eine Woche lang spielbar.  Die digitale 
Form sorgt dafür, dass Inhalte schneller dahin kommen, wo sie gebraucht 
werden - zu Leuten, die eben nicht einfach mal schnell in die Bücherei 
gehen können, zum Beispiel in Krankenhäusern, Altenheimen, aber auch in 
Kinderzimmern. Auf diesem Weg so zu tun, als wäre eine PDF-Datei ein 
reales Buch, ist albern. Die "Onleihe" ähnelt dadurch im Augenblick einer 
Puppenstubenbibliothek. Was gibts umsonst? Die digitale Ausleihfrist 
wurde mit dem bereits eingangs erwähnten DRM-System umgesetzt. Solche 
Systeme gibt es unter anderem von Microsoft und von Apple. Im 
Open-Source-Bereich ist dagegen umstritten, inwieweit 
Rechteeinschränkungen für die Benutzer  funktionieren sollen und können 
(4).  Microsoft hat sein System kostenlos zur Verfügung gestellt, Apple 
hätte dagegen 50.000 Euro verlangt, erzählt Ernst Zimmermann, der 
Fachreferent der Münchner Onleihe. Deshalb werden alle graphischen Daten 
als Adobe PDF und alle Mediendaten als Window Media Files (WMF) 
ausgeliefert.
Während sich aber die DRM-PDFs wenigstens auf MacOS öffnen lassen, 
funktioniert das Microsoft-System weder auf GNU/Linux noch auf Apple - 
und damit auch nicht auf iPods. Diese Tatsache ist unter anderem deshalb 
von besonderem Interesse, weil die EU-Kommission vor allem wegen der 
Monopolisierungstendenzen im Medienbereich gegen Microsoft Rekordstrafen 
verhängte. Hinzu kommt, dass ausgerechnet die Stadt München 2003 
beschloss (5), den Anbieter aus Redmond den Rücken zu kehren und die 
ganze Stadtverwaltung auf GNU/Linux bzw. "LiMux" umzustellen - obwohl 
Microsoft-CEO Balmer extra seinen Skiurlaub unterbrochen hatte, um ein 
persönliches Gespräch mit Oberbürgermeister Ude zu führen. Ernst 
Zimmermann erklärt dazu: --"Es war  nicht leicht mit unserem Projekt 
durch den Stadtrat zu kommen, der natürlich auch diesen Widerspruch 
gesehen hat. Nur ist das Projekt kein rein münchnerisches, sondern eines 
der Bibliotheken Hamburg, Köln, Würzburg und München mit einem 
privatwirtschaftlichen Dienstleister. Unsere Alternativen waren 
lediglich, entweder das Projekt in dieser Form anzugehen, also mit 
Microsoft/Adobe zu starten, oder gar nicht. Hätte der Stadtrat nicht 
zugestimmt, wäre München aus dem Pilotprojekt zwangsweise ausgestiegen 
(worden) und die Virtuelle Münchner Stadtbibliothek hätte auf absehbare 
Zeit überhaupt nicht an den Start gehen können, da in den anderen Städten 
die Open-Source-Problematik überhaupt keine Rolle gespielt hat und eine 
technische Realisierung in Eigenarbeit an den Münchner Ressourcen 
gescheitert wäre. Wir versuchen unter dem Druck Münchens als 
Projektteilnehmer später Verbesserungen in Richtung andere Plattformen zu 
erreichen."-- 
Realistisch ist das in absehbarer Zukunft nicht, auch wenn Zimmermann 
erzählt, dass man im Apple Hauptquartier in Cupertino das Projekt recht 
genau beobachtet. Dass das Thema die anderen Städte scheinbar gar nicht 
erst interessiert, mag in der Betriebsblindheit von Verwaltungskräften 
liegen; bei so viel Bevorzugung eines Konzern durch eine öffentliche 
Einrichtung sollten aber bei den verantwortlichen Politikern die 
Alarmsirenen zu läuten anfangen.
LINKS
(1) http://www.divibib.com/
(2) http://www.heise.de/newsticker/meldung/90373
(3) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25724/1.html
(4) http://www.heise.de/newsticker/meldung/76110
(5) http://www.heise.de/newsticker/meldung/37197
Telepolis Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26064/1.html
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Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.