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[InetBib] SLUBlog: Frißt das Web 2.0 seine eigenen Kinder?



Liebe Inetbibler,

mit Interesse verfolge ich seit einigen Wochen den Blog der SLUB Dresden, tobt 
doch dort seit der Freischaltung neuer Webseiten ein erbitterter Streit über 
die Vor- und Nachteile traditioneller Web-OPAC-Funktionalitäten gegenüber 
suchmaschinenbasierten integrierten Portalseiten. Angefangen hatte alles mit 
der freudigen Ankündigung von Achim Bonte zum Start der neuen Webseiten und des 
neuen Katalogs:

"Am 15.12. wird die SLUB mit ihren digitalen Angeboten in ein neues Zeitalter 
eintreten. Die Webseiten, vor allem aber auch unser Katalog werden vollständig 
überarbeitet sein und Ihnen zahlreiche wichtige Servicevorteile bieten." [1]

Doch schon die erste Reaktion auf diesen Beitrag ließ nichts Gutes erahnen:

"Bei aller Liebe für Fachbegriffe, aber lassen sich Terme wie 'linked open 
data' (was ist das?), 'Joy of use' ('Benutzerfreundlichkeit'?) nicht auch in 
good old German ausdrücken? Das mutet schon merkwürdig an." [2]

Und, in der Tat, ab dem 16.12. war da offensichtlich kein Halten mehr. Gleich 
drei Blog-Beiträge von Achim Bonte setzen sich seit der Freischaltung der neuen 
Seiten mit dem Thema auseinander und treffen dabei auf erregte bis derbe 
Kommentare, die ich in dieser Form bislang in einem Blog einer 
wissenschaftlichen Bibliothek noch nicht lesen konnte. [3][4][5]

Dafür allein schon gilt der SLUB meine Hochachtung, denn einerseits ist ein 
Blog in der Form, wie es die SLUB anbietet, beileibe keine 
Selbstverständlichkeit in "der offiziösen Bibliotheksszene", andererseits gilt 
es da eine wirklich harte Nuß zu knacken: Die neuen Seiten der SLUB sollten 
eigentlich alles bieten, was das Nutzerherz begehrt. Im Zentrum steht ein 
Suchmaschinenindex, der über einen "einfachen Google-Such-Schlitz" Zugriff auf 
einen mächtigen Gesamtindex bietet und dem Nutzer anschließend die 
systematische Sucheingrenzung via Facettierung erlaubt.

Doch, was machen die Nutzer? Sie schreien vom ersten Tag an nach einer 
erweiterten Suche, die bei der SLUB gerade in der Mottenkiste 
bibliothekarischer Detailversessenheit verschwand:

"[B]itte gebt uns die erweiterte Suche wieder!" [6]

Und auch die "Ein-Index-für-alles-Strategie" der SLUB scheint für manche Nutzer 
nicht wirklich aufzugehen:

"Der SLUB-Katalog kann nie eine Datenbankrecherche ersetzen. Deshalb sollte 
seine primäre Funktion, dei der Büchersuche sein." [7]

Verfolgt man die intensive Diskussion in ihren Details, zeigt sich schnell, daß 
es bei den neuen SLUB-Seiten vor allem an einer Stelle haperte: Nutzer konnten 
sich nicht mehr in ihr Konto einloggen, Bestellungen aufgeben, Verlängerungen 
durchführen usw. usf. Alles Funktionalitäten, die zuvor reibungslos zur 
Verfügung standen und die seit Jahren zu den Kernfunktionalitäten eines 
Web-OPACs zählen. Auf der anderen Seite sieht man aber auch, wie schnell die 
SLUB auf die in dieser Hinsicht wohl berechtigten Beschwerden der Nutzer 
reagiert hat und Schritt für Schritt für die Rückkehr vertrauter 
Funktionalitäten gesorgt. Für das kommende Jahr sind weitere Verbesserungen 
angekündigt - vor allem wohl auch die Rückkehr der vertrauten "erweiterten 
Suche".

Ich selbst werde den SLUBlog sicherlich noch eine gewisse Zeit interessiert 
weiterlesen. Man kann hier unmittelbar verfolgen, wie technische Innovationen 
z.T. auf Nutzerinteressen stoßen, die ein angenehm vertrautes Bild zeichnen: 
Ich weiß, was ich suche. Und ich will es einfach nur bestellen und ausleihen. 
Laßt mich mit Eurem ganzen Web-Firlefanz in Ruhe:

"Die Überarbeitung der Suchfunktion und der Kataloge hat leider dazu geführt, 
dass jede universitäre Erhabenheit und der Eindruck tatsächlicher 
Katalogisierung verloren geht. Google, Bing, Yahoo, SLUB - die Übergänge sind 
fließend. Ein Rückschritt für die Landesbibliothek und ein Hindernis für die 
größte Nutzergruppe: Die Studenten." [8]

Ich bin überzeugt, daß es der SLUB gelingen wird, die Vorteile des einen mit 
den Vorteilen des anderen zu verbinden. OPAC und Suchmaschine müssen wahrlich 
kein Widerspruch sein. Dankbar darf man aber auch dafür sein, daß die z.T. 
heftigen Nutzerreaktionen uns die Augen dafür öffnen, daß Nutzer nicht nur 
komfortabel recherchieren möchten, sondern eben häufig schlicht und einfach 
nur: in einem Buch lesen, von dem sie vor der Recherche bereits wußten, daß sie 
genau das (und nichts anderes) tun wollten. Wer hätte das vor lauter Web 2.0 
gedacht?

Beste Grüße,
Kay Heiligenhaus

[1] 
http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/10/nur-noch-fuenf-mal-schlafen-neuer-katalog-und-neue-webseiten-starten-am-1512/

[2] 
http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/10/nur-noch-fuenf-mal-schlafen-neuer-katalog-und-neue-webseiten-starten-am-1512/#comment_1476

[3] http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/16/zum-start-der-neuen-systeme/

[4] 
http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/17/zum-start-der-neuen-systeme-der-zweite-tag/

[5] 
http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/22/zum-start-der-neuen-systeme-die-erste-woche/

[6] 
http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/16/zum-start-der-neuen-systeme/#comment_1572

[7] 
http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/16/zum-start-der-neuen-systeme/#comment_1623

[8] 
http://blog.slub-dresden.de/beitrag/2010/12/22/zum-start-der-neuen-systeme-die-erste-woche/#comment_1657

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