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Re: [InetBib] Von Arbeitsgemeinschaften, Trotteln und Calls for Papers



Sehr geehrter Herr Pannier, liebe Liste,

wie erklären Sie sich dann so etwas:

http://www.univie.ac.at/voeb/publikationen/voeb-mitteilungen/

oder

http://www.bib-info.de/kommissionen/kopl/publikationen/checklisten.html

oder

http://plan3t.info/

oder so etwas

http://bibcamp.wordpress.com/

?

Aber mein größtes Problem mit Ihrer Argumentation ist noch nicht
einmal, daß sie empirisch leicht widerlegbar ist. Mein größtes Problem
ist vielmehr die hoffnungslose Überbewertung von Toll Access, die
darin impliziert ist.

Gehen Sie tatsächlich davon aus, daß verhältnismäßig mickrige
Mitgliedsbeiträge und Subskriptionsgebühren (gezahlt von denjenigen
KollegInnen, die immer noch damit fremdeln, Branchenneuigkeiten online
zur Kenntnis zu nehmen - sowie von Bibliotheken...) die widrigen
Bedingungen des ehrenamtlichen Engagements vieler BerufskollegInnen zu
kompensieren helfen? Darauf kann ich mir keinen Reim machen.

Die Werkzeuge und Praktiken des Online-Kostenlos-Zurverfügungstellens
(ich will's noch nicht mal Open Access nennen, es ist eigentlich viel
simpler) scheinen mir für die bibliothekarische Fachöfffentlichkeit
vielmehr ein Segen zu sein - weil gerade sie neue, ungewohnte,
ungehörte und kritische Sichtweisen zur Geltung bringen können.

Viele Grüße und schönen Tag noch,
Lambert Heller

Am 10. Oktober 2011 21:33 schrieb Dietrich Pannier <dietrich.pannier@xxxxxx>:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vergangene Woche kam in einer Mail zum Ausdruck, alle die kleinen
Vereine, die ihre Vereinszeitschriften, Mitteilungsblätter etc. noch
gegen Geld  abgeben, statt sie per open-access zu veröffentlichen, seien
zumindest rückständig.

Nun muss man nicht alle falschen Vorstellungen, die hier in Inetbib
gelegentlich leichtfertig zu Markte getragen werden, auch kommentieren
und korrigieren. Die kleineren bibliothekarischen Arbeitsgemeinschaften
haben es aber verdient, gegen solche Fehlvorstellungen in Schutz
genommen zu werden.

Diese Gruppierungen, Arbeitsgemeinschaften, Vereine (wie auch immer ihre
rechtliche Stellung sein mag) bereichern ehrenamtlich das
bibliothekarische Vereinsleben, geben durchweg spezialbibliothekarische
Hilfestellungen, sind Selbsthilfeeinrichtungen, wo die großen
Bibliotheksvereine diese Klientel längst vergessen hat. Was diesen
Gemeinschaften wie ihren Trägern fehlt, ist natürlich Geld. Wie will man
aber all diese speziellen Publikationen, Fortbildungsveranstaltungen,
Referenten u.a. finanzieren? Wer als Einzelner einen Blog schreibt und
manchmal sogar auf Kosten und zu den Arbeitszeiten seines Dienstherrn
und unter Nutzung von dessen Ressourcen, muss entweder dessen
Einverständnis haben oder aber er hat ein dienstrechtliches Problem. Wer
als Gruppierung aus mehreren Personen an verschiedenen Orten zusammen
etwas für die gemeinsame Sache machen will und seinen Dienstherrn nicht
in solch mildtätiger Art hinter sich weiss, der muss sehen, wie er an
die Ressourcen kommt, um keine Probleme zu haben.

Nun kann man das alles selbst finanzieren, aber das klappt auf die Dauer
auch mit den gutwilligsten Kolleginnen und Kollegen nicht, dafür sind
die Beträge zu hoch, wenn man z.B. mal am Bibliothekartag auftreten und
einen Vortrag halten lassen möchte. Dort müssen "die Kleinen" nämlich
höflich bitten, ob sie überhaupt mitmachen dürfen. Das war früher
anders, als noch universitäre Einrichtungen in der Woche nach Pfingsten
fast kostenfrei für den Veranstalter genutzt werden durften. Die Gründe
für die jetzige Lage bei den gestiegenen Teilnehmerzahlen sind
nachvollziehbar. Aber dass "die Kleinen" jetzt häufig zunächst vom
Programmkomitee einen Hinweis bekommen, ihre angemeldeten Themen
entsprächen nicht dem Auswahlverfahren des "Calls for Papers", weshalb
ihre Teilnahme abgelehnt werde, zeigt, dass die Veranstalter des
Bibliothekartags "die Kleinen" aus dem Blick verloren haben. Wenn sie
dann zugelassen werden, zahlen sie ordentlich die Raummiete, die
Referenten, Wasserflaschen für dieselben, Miete für Beamer, manchmal
sogar Eintrittsgelder für die Referenten etc. und alles aus eigener Tasche.
Wenn Sie ein fachlich spezielles Arbeitsheft oder ein "Blättchen"
publizieren wollen und da sollten Bibliothekare noch Printpublikationen
wählen dürfen, entstehen weitere Kosten. Der Absatz ist gerade bei
monografischen Publikationen nicht immer gesichert.

Aus Mitgliederbeiträgen können Sie solche Dinge nicht finanzieren, denn
die wenigsten "Mitglieder" wollen dafür mit Geld aus der eigenen Tasche
eintreten. Als Bibliothek einer Institution dürfen Sie aber nicht einmal
Mitglied in einem bibliothekarischen Verein, erst recht nicht gegen
Mitgliedsbeitrag werden, es sei denn, ihr Dienstherr stimmt dem zu. Das
wird er wohl nur tun, wenn gerade keine Beiträge erhoben werden. Denn
dazu haben die meisten Dienstherrn weder das Recht noch den Etat
(Mitglied im Verein wäre dann z.B. der "Freitstaat X, dieser vertreten
durch die Behördenleitung, diese vertreten durch die Bibliotheksleitung
[die dazu regelmäßig die Kompetenz nicht hat]). Daher wird bei den
meisten Spezialgruppierungen die Mitgliedschaft kostenlos vergeben, aber
an den Bezug einer Publikation gekoppelt. Die Rechnungen für die
Publikationen können, da fachlich geeignet und für die sonst vom
Dienstherrn nicht speziell gebotenen Fortbildungs- und
Informationsinhalte sinnvoll, aus dem Bibliotheksetat gezahlt werden.

Die kleinen Gruppierungen würden sich also selbst den Boden unter den
Füßen wegziehen, wenn sie open-access vollständig einsetzen würden. Das
können selbst Ahnungslose nicht wirklich wollen, denn dann hätten Sie ja
niemanden mehr, an dem sie herummäkeln können.

Dietrich Pannier

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Lambert Heller
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