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Re: [InetBib] Für die Zeit, die ....



Am 03.12.2012 00:23, schrieb Lambert Heller:
Hallo Ben, hallo Liste,

zunächst mal vielen Dank für die sinnvolle und vielsagende Antwort - sowas
weist ja schon für sich genommen darauf hin, wozu Inetbib gut ist.

Einige der angesprochenen Punkte will ich unten erwidern.

Am 30. November 2012 20:17 schrieb Ben Dietze <bd_inetbib@xxxxxxxxxxxx>:

Speziell in den zum Vergleich herangezogenen Foren ist die
Kommunikationsstruktur eine gänzlich andere. Foren sind per se
hierarchisch nach Thema und Zeit geordnet, der Nutzer ist in allem
auf Möglichkeiten und Funktionen der serverseitig eingesetzten
Software angewiesen und der Wechsel des Kommunikationskanals ohne
gleichzeitigen Wechsel des Kommunikationsmediums ist i.d.R.
erschwert.

Tja, aber sind wir hier nicht auch der Mailinglistensoftware ausgeliefert?
Ich finde z.B. die Diskussionsthreads in Mailinglisten chronisch
unübersichtlich. Und ich schätze selbst an simpelster Forensoftware die
Möglichkeit, Threads dauerhaft separat zu führen.

Mit Verlaub, dann ist Ihre eingesetzte Mailsoftware Mist. Das Problem liegt dabei eben nicht an der Mailinglistensoftware! Diese ist nicht mehr und nicht weniger als ein aufgepepptes Mailprogramm, das ankommende Mails an mehrere Adressaten weiterleitet. Ein klein bisschen Bearbeitung gehört zwar dazu, damit im Betreff immer schön das [InetBib] drinsteht. Doch wie diese Mails beim Empfänger dargestellt, sortiert, markiert oder abgelegt werden, dafür ist allein der Empfänger zuständig.

(Und ja, ich gestehe zu:
Die Weiterentwicklung der (Web-)Mailclients hat dieses Problem gemildert.
Aber eben nicht wirklich gelöst.) Und über die Webarchivierungs-Lösung
Gmane, die ja u.a. auch für Inetbib eingesetzt wird, hatte mich vor ein
paar Jahren gefreut, aber inzwischen? Warum ist der Text da so schlecht
lesbar, von Sachen wie mobilgerätegerechter Ansicht oder
Trackbackfunktionen mal zu schweigen?
Daher: Nein, das ist kein Unterschied. Ich bin der Mailinglistensoftware
ebenfalls ausgeliefert und stoße regelmäßig an ihre Grenzen.

Nochmals: die Grenzen, an die sie stoßen, sind die Ihres Mailprogramms. Verwenden Sie ein anderes Mailprogramm oder nutzen Sie alle Konfigurationsmöglichkeiten Ihres jetzigen Programms und die genannten Probleme verschwinden wahrscheinlich. Das Problem mit einer unpraktischen Darstellung in einem Webarchiv hingegen müssen Sie genau diesem Webarchiv anlasten. Dafür kann der Listenmanager ebenfalls nichts.

Email dagegen, und hier zahlt sich das schiere Alter des Mediums aus, ist
so flexibel zu handhaben wie kaum ein anderes Medium. Es agiert sowohl
asynchron als auch - unter optimalen Bedingungen - nahezu in Echtzeit. Die
Sortierung der einzelnen Nachrichten kann nach beliebigen selbst
definierten Kriterien erfolgen, ebenso die Filterung oder gar
Nachbearbeitung. Das Medium ist zudem nach einer Synchronisation problemlos
offline nutzbar, selbst bei IMAP-Konten gibt es die Möglichkeit, Mails
lokal abzuspeichern.

Und was ist mit RSS/ATOM? Ist zwar nicht so alt wie Email, aber das
Synchronisieren und Offline-Benutzen wird von vielen RSS-Clients prima
erledigt.

Nur, dass RSS i.d.R. keinen Volltextzugang bietet, sondern in der Tradition klassischer Abstractdienste arbeitet. Das Konzept ist zwar aufgeweicht, doch nicht flächendeckend. Auch nicht alle Clients kommen mit Volltext-Feeds klar, weil der Umfang der Daten dadurch erheblich größer ist als ursprünglich geplant.

Aber Web-Werkzeuge, mit denen Neues aus verschiedenen Quellen zum
Offlinekonsumieren synchronisiert werden - dieses Konzept ist anscheinend
nicht tot zu kriegen. Im Gegenteil, mein Eindruck ist, dass dieser
Anwendungstyp in Gestalt personalisierter Webdienste im
Mobilgerätezeitalter erst recht treue Benutzercommunities für sich gewinnt.
Ich denke dabei an Dienste wie Instapaper oder Pocket, oder auch an
Podcast-Clients.

Grenzen verschwinden, Nutzungsszenarien verschwimmen und irgendwie lässt sich alles "im Web" lösen. Doch braucht man für eine Gruppe wie Bibliothekare und ähnliche Personen einen gemeinsamen Nenner, der für alle ohne größere Hürden nutzbar ist. Allein der Webzugang könnte schon ein solches Hindernis sein, wenn die IT-Politik des Hauses diesen nicht freigibt (wobei hier interessant wäre zu wissen, wer inetbib rein privat nutzt und wer es nur auf Arbeit nutzt). Mailzugang ist dagegen in aller Regel offen nutzbar, zumal inetbib durchaus als geschäftliche, also nicht private Mail angesehen werden könnte.

Ob oder inwieweit all das "besser" sein mag als Email mag ich gar nicht
beurteilen, nur: Die Aussage, Offline-Synchronisation sei eine Domäne von
Email oder Newsgroups scheint mir nicht haltbar zu sein.

Ich behauptete nicht, es sei unmöglich, Webdienste offline verfügbar zu machen. Nur wäre es wesentlich komplexer einzurichten und zu unterhalten als ein simples Mailprogramm, welches meist sowieso schon eingerichtet und genutzt wird.


Schließlich jedoch, und dies als wichtigstes Argument für Email bzw.
Mailinglisten: Mailprogramme gibt es für jedes Betriebssystem auf jeder
Hardware. Selbst einfache Mobiltelefone verfügen, sofern sie überhaupt
"Internet können", über ein Mailprogramm. Der Versuch dagegen, schon eine
simple Webseite so zu gestalten, dass zumindest jeder aktuelle Browser sie
nicht gänzlich missgestaltet darstellt, hat bereits für viel Kopfzerbrechen
bei Gestaltern geführt. Von der sehr eingeschränkten Bildschirmgröße
mancher Telefone und damit der Unbenutzbarkeit mancher Seiten ganz
abgesehen.

Nein, das kann ich nicht teilen. [Craig Mod Zitat]
Die Smartphone- und Tablet-Revolution haben es doch eigentlich gezeigt:
Trotz und wegen der ganzen fancy "Apps" können und müssen auch mobile
Computer vernünftig HTML darstellen.

Das ist nur teilweise richtig. Noch immer gibt es verschieden Browser für Mobilgeräte, weil noch immer diese Browser unterschiedlich arbeiten und -- das neue Problem im Bereich HTML -- eingebettete Skriptsprachen und Datenformate unterschiedlich unterstützen. Auch die Umsetzung von CSS ist längst nicht identisch in allen Browsern, was noch immer zu unterschiedlicher Darstellung von Seiteninhalten führt. Aber ganz davon abgesehen, welche Standards unterstützt werden, bleibt immer noch das Problem der Bildschimrgrößen. Mag sein, dass ich da etwas empfindlich bin, doch weigere ich mich schlichtweg, mit meinem Smartphone auf Webseiten zu "surfen". Das Display ist mir mit 7½ cm Diagonale (also 3") einfach viel zu klein. Dann noch den richtigen Link zu treffen ist fast ein Kunststück. Spezialisierte Apps (und mein verwendetes Mailprogramm ist ein solches) nutzen den Bildschirm dagegen optimal und bleiben dabei benutzbar.


Doch widerspreche ich vehement der Ansicht, ein Forum sei die heute
angemessene Form für diese Liste. Gerade für diesen universellen Zweck, als
Diskussionsplattform, Tauschbörse, Selbsthilfegruppe und die vielen
weiteren Aspekte, ist Email meines Erachtens noch immer das ideale, weil
ebenso universell nutzbare Kommunikationsmittel.

Auch hier möchte ich noch mal versuchen, ein mögliches Mißverständnis
auszuräumen: Nein, es ist heute keine Option für Inetbib, zu einem
webbasierten Diskussionsforum zu werden. Hatte ich nicht behauptet und
meine ich auch nicht.

Gut, dann war das falsch angekommen. :)

Die Begründung dieses Sachverhalts ist es, in der wir beide uns offenbar
nicht einig sind. Für mich liegt das nämlich weniger daran, dass
Mailinglisten technisch überlegen und alternativlos seien, sondern mehr
daran, dass sie so vertraut sind. Und dass für einen nicht unerheblichen
Teil der Zielgruppe von Inetbib diese Vertrautheit anscheinend absolut
ausschlaggebend ist. Aber das muß man m.E. einfach zur Kenntnis nehmen.

Ich denke nicht, dass Bibliothekare (m/w sowie Angehörige verwandter Berufe) so erzkonservativ sind, dass sie sich allen Neuerungen verschließen. Wir hätten dann auch keine OPACs, keine Online-Fristverlängerung, keine Ebooks und keine RFIDs in den Medien. Nein, an neue Medien können sich Bibliothekare durchaus gewöhnen. Email war immerhin auch einmal neu und ungewohnt, hat dann aber durch seine Vorteile anderen Kommunikationsformen gegenüber gepunktet und sich durchgesetzt. Das wäre durchaus wiederholbar. Nur gibt es momentan tatsächlich keine echte Alternative. Da sind wir uns offenbar nicht einig.

Diese absolute Bevorzugung eines vertrauten Mediums ist übrigens nichts,
was sich mit einer Diskussion wie dieser hier auflösen ließe - sondern es
hat etwas mit einem grundlegenden Verhältnis zu Medien zu tun, die
vermutlich wiederum in der demographisch-beruflichen Zusammensetzung der
Inetbib-Zielgruppe begründet ist. (Großes Bibliothekars-Ehrenwort: Diese
Feststellung ist weder als Publikums- noch als Berufsstandsbeschimpfung
gemeint.)

Ersetzen wir den Begriff "vertrautes Medium" durch "bewährtes Medium", dann kommen wir dem Kern der Sache schon recht nahe. Letztlich geht es doch auch darum, einen gemeinsamen Nenner zu finden und nicht die möglichst aktuelle Technologie zu verwenden.


Was allerdings mit dem "redundanten Gewese" gemeint ist, weiß ich nicht.

Okay, war mißverständlich ausgedrückt, ich versuchs nochmal anders:
Mir begegnet in Gesprächen über die Entwicklung der Webmedien (oder der
Entwicklung des Mediums Web) häufig die These, dass das Reden über das
Medium selbst in diesem Medium "zu" viel Raum einnehme und sich schon
deshalb am Rande der Zeitverschwendung bewege. Was ich auffällig finde,
weil z.B. dem Schreiben für Bibliotheks-Fachmagazine, den Geprächen mit
Fachkollegen o.ä. derartige Redundanz-Vorwürfe kaum gemacht werden - obwohl
die Kommunikation dort selbstverständlich auch oft selbstreferentiell ist
und überhaupt viel Redundanz hat. Daher scheint mir das ein
Generalvorbehalt zu sein - ein Generalvorbehalt gegen die aktive Benutzung
von Webmedien. Derartiges könne eben von vornherein kaum mehr als
Zeitverschwendung sein, und damit wäre das Thema dann erledigt.
Mal angenommen an meiner Beobachtung ist was dran, und diese These ist
verbreitet, weil es eine konsensfähige Formel ist, um sich die aktive
Beschäftigung mit dem neuen Medium vom Leibe zu halten:
Dann müßte man ja konsequenterweise darum bemüht sein, Inetbib nicht zu
einer virtuellen Community werden zu lassen, in der das gefährlich
zeitverschwenderische Reden über diese Liste selbst, ihre Sitten, Anstands-
und Höflichkeitsnormen etc. Raum greift. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.
Inetbib ist voller Postings, deren Inhalt sich in genau solchen Reden
erschöpft.

Da stelle ich mal frech eine andere These in den Raum: warum sollte sich ein Bibliothekar laufend mit den neuen Medien befassen, solange dies nicht zu seinem eigentlichen Aufgabengebiet gehört? Die Techniken, Standards, Möglichkeiten und nicht zuletzt die Netzwerke sind von teilweise so kurzer Halbwertszeit, dass sie bereits veraltet sein könnten, wenn ein mit seiner regulären Arbeit ausgelasteter Bibliothekar sich endlich damit beschäftigen kann. Für die Erprobung und Einbindung moderner Techniken in den Bibliotheksalltag sind Spezialisten zuständig, die sich genau damit befassen. Wenn das alles "in Sack und Tüten" ist, können die Nutzer (Mitarbeiter sowie Kunden) speziell darauf geschult werden. Ob dann irgendwo XML oder doch Binärdaten herumgereicht werden und ob Datenbanksystem a oder b zum Zuge kommt ist doch völlig Wurst. Damit muss sich nicht jeder befassen, genauso wenig wie jeder auf dem laufenden sein muss, welches Netzwerk gerade für welchen Zweck angesagt ist. Das was sich langfristig durchzusetzen vermag, wird auch in der Bibliothek ankommen, alles andere ist so gesehen Zeitverschwendung.


Einen Twitterer, der so langweilig auf Community-Normen beharrt wie
Inetbib als Gesamtheit hätte ich längst entfollowt. Weil mich
Twitter weniger als Sozial-Dingsbums interessiert, sondern als
Lieferant für mich relevanter Informationen. In Mailinglisten, diesem
1970er-Jahre-Prä-Web-**Dinosaurier, ist man hingegen mitgefangen und
mitgegangen. Das ist es vermutlich, was die kuschelige
Gruppenatmosphäre erzeugt, die hier so gern verteidigt wird.


Einer der agilsten Dinosaurier die ich kenne. Wie ja bereits angemerkt
wurde: eine Löschtaste existiert. Außerdem wird niemand zum Lesen
gezwungen, nicht mal auf einer Bibliotheks-Mailingliste ;)


Nein, natürlich nicht gezwungen. Aber mit solchen Dinosauriern zu leben
erfordert schon eine Menge Kompetenz im Dinosaurierhüten, pardon,
Medienkompetenz.

Sicher wieder ein Missverständnis, niemand will Bibliothekaren fehlende Medienkompetenz unterstellen. Ganz im Gegenteil!


Man muß dann halt sowas wie automatisierte Sortierregeln
kennen und anwenden, oder eines der öffentlichen Webarchive der Liste
abonnieren. Und da gibt es inzwischen Medien, die einem etwas weiter
entgegenkommen.

Wenn jemand mit einem webbasierten Archiv der Liste besser zurechtkommt, dann soll es so sein. Email ist glücklicherweise flexibel genug, alles bedienen zu können :)


Gruß
Ben Dietze

--
http://www.inetbib.de


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.