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Re: [InetBib] Studie "Wissen wir tatsächlich mehr? - Aussagewert - Artikel BuB



Dass lange Zeit nur etwa zehn Prozent der Gesellschaft Bibliotheksbenutzer von ÖBs waren ist seit langem bekannt. Das hat man durch den Kauf attraktiver, nicht immer hochwertiger Bücher (z.B. Angelique) zu überwinden versucht (nicht nur in Deutschland, sondern noch stärker in den Niederlanden oder England). Dabei sollte man allerdings auch die Dynamik der Gesellschaft nicht übersehen. So benutzen viele Kinder und Jugendliche eine Zeit lang ÖBs, um sich dann in ihren Interessen (insbesondere in einem Studium) immer weiter zu spezialisieren. Wenn es nun also 37% Bibliotheksbenutzer in der deutschen Bevölkerung sein sollten, so wäre das eher erfreulich. Dass dabei das Elternhaus von entscheidender Bedeutung ist, ist ebenso bekannt, weshalb man in den USA eine Kampagne betrieb, bei der Bibliothekare in die Entbindungsstationen gingen, um jungen Müttern mit einem Leseausweis ihren Kindern den Gang in die Bibliothek nahe zu legen. Hier erwächst also die Frage, warum man in der vorliegenden Befragung erst bei 14 Jährigen die „standardisierte CATI Studie“ eingesetzt hat. Ist dieses, als „in der Umfrageforschung seit vielen Jahren gängiges Verfahren“ bezeichnete Befragungsinstrument, bei Kindern mit einer altersbedingten Bias behaftet?

Bei der Frage der „Non-User“ von Bibliotheken sollte man allerdings auch bedenken: „Hier werden also oft Klischees und Stimmungen, wie die Bibliothek für gemütliche Mußestunden, für Freizeitvergnügen oder Musikgenuss bis hin zum fröhlichen Kinderspielplatz mit Rutsche und Kissen genutzt. Auch wenn eigentlich nichts dagegen einzuwenden wäre, Bibliotheken auf diesem Wege attraktiv zu machen, so hat diese Vorstellung bei Laien und Politikern ohne Zweifel schon so manche Öffentliche Bibliothek die Existenz gekostet. Wenn Kommunen und Städte sparen müssen, gehört Unterhaltung und Freizeitgestaltung nicht zu ihrem Kernbereich, zumindest nicht nach Ansicht der Steuerzahler.“ (Lehrbuch des Bibliotheksmanagements S. 150; 2010) Dagegen ist seit PISA die Leseförderung (insbesodere bei Kindern) gefragt, was den ÖBs wieder erheblichen Auftrieb brachte.

Dass die Attraktivität von Bibliotheken mit ihrer Bestandsgröße linear wächst ist bekannt ( S. 212), andererseits gilt: „Schon aus der Halbwertszeit der Literatur ergibt sich, dass bei einer permanenten Ausleihe von rund 15% des Bestandes, die sich zu 50% auf die letzten fünf Jahre beziehen, der sogenannte Satisfaction level bei rund einem Drittel liegt. Mit anderen Worten, jedes dritte Buch, dass ein Benutzer in seiner ÖB erwartet, ist für ihn nicht greifbar. Es spricht viel dafür, das dies etwa der Grenzwert ist, bei dessen Überschreitung die Leser vom Besuch der Bibliothek Abstand nehmen, weil sich der Weg dorthin nicht mehr lohnt. Anders gesagt, wenn jedes zweite Buch nicht greifbar ist, reduziert sich die Zahl der Benutzer, bis die noch verbleibenden Benutzer immerhin zwei von drei Büchern ausleihen können.“ (S. 136) Dass die elektronisch verfügbaren Informationen dabei dem gedruckten Buch in einer ÖB weitgehend ebenbürtig sind ist inzwischen auch bekannt. Insofern kommen immer mehr Bibliotheksbestände über das Internet zu uns nachhause.

Wenn Mevill Deweys Aussage: "The time is when a library is a school, and the librarian is in the highest sense a teacher." (S. 29) noch immer stimmt, sollten sich ÖBs unter den heutigen Möglichkeiten auch des Fernstudiums darauf einstellen - vorausgesetzt die Verlage hindern sie nicht weiter durch Enteignung daran.

MfG
Walther Umstätter


Am 2013-04-25 11:04, schrieb Barbara Schleihagen:
Sehr geehrter Herr Maass, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Auseinandersetzung um – auch kritische – Punkte bereichern die
Entwicklung von Verfahren. In diesem Sinne freuen wir uns über Impulse
und Kritik von außen. Die Autorinnen des Beitrags im BuB Heft 4/2013
haben allerdings den Dialog mit dem Deutschen Bibliotheksverband e.V.
(dbv) und der Stiftung Lesen nicht gesucht, so dass wir zu einer
Klärung der sachlichen Fragen unmittelbar nicht beitragen konnten.
        
Daher sollen auch Sie die Möglichkeit erhalten, die methodischen
Details der Untersuchung zu den Ursachen und Gründen für die
Nichtnutzung von Bibliotheken unvoreingenommen beurteilen zu können.
Wir haben die zentralen Punkte der Autorinnen aufgegriffen und  die
relevante Sachinformation in einer Stellungnahme:
http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/projekte/Nichtnutzungsstudie_Stellungnahme_dbv_Stiftung_Lesen_Kritik.pdf
zusammengestellt.

Der überwiegende Teil der Sachinformation war bereits seit April 2012
auf den Webseiten von dbv und Stiftung Lesen zugänglich:
http://www.bibliotheksverband.de/dbv/projekte/nichtnutzungsstudie.html

Wir bedauern, dass die Autorinnen der HTKW gerade zu solchen Fragen
den wissenschaftlichen Diskurs nicht gesucht haben. So kann man sich
beispielsweise auch durchaus gewinnbringend fachlich darüber
auseinandersetzen, ob Tests auf statistische Repräsentativität von
Ergebnissen sinnvoll sind, wenn man mit einer Studie Teilgruppen
vergleichen, nicht aber Aussagen über die Gesamtbevölkerung machen
möchte. Der Deutsche Bibliotheksverband und die Stiftung Lesen stehen
den Autorinnen wie auch allen anderen interessierten Leserinnen und
Lesern für Fragen und einen sachlichen Dialog gern zur Verfügung.

Mit besten Grüßen,
Barbara Schleihagen
 
Deutscher Bibliotheksverband e.V. (dbv)
Geschäftsführerin
Tel: 030/644 98 99-12
Fax:030/644 98 99-29
www.bibliotheksverband.de
www.treffpunkt-bibliothek.de


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag
von Philipp Maass
Gesendet: Donnerstag, 25. April 2013 08:10
An: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: [InetBib] Studie "Wissen wir tatsächlich mehr? - Aussagewert
- Artikel BuB

Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Kollegen_Innen,

in der aktuellen Forum Bibliothek und Information  (4/2013)

haben Frau Prof. Andrea Nikolaizig (HTWK Leipzig), Frau Prof. Helga
Tecklenburg (HTWK Leipzig) sowie die Studentinnen der HTWK Daniela
Hoffmann und Martina Werder den Artikel

-Wissen wir tatsächlich mehr?
Zum Aussagewert der Studie „Ursachen und Gründe für die Nichtnutzung
von Bibliotheken in Deutschland“-

veröffentlicht. In dem Artikel geht es um die Aussagewer einer vom
Deutschen Bibliotheksverband (DBV) herausgegebenen Studie. Mich hat
der Artikel in Unruhe gebracht, da ich die Argumentation des Verbandes
für Betriebsinterne - und externe Kommunikation nutze. Außerdem war
ich sehr enttäuscht. Es ergeben sich aus meiner Sicht viele Fragen
durch diesen Artikel. Fragen die wir stellen sollten. Deshalb habe ich
Frau Nikolaizig um Erlaubnis gebeten, den Artikel hier (Inetbib,
Forumoeb, ggf. Blogs) veröffentlichen zu dürfen, was Sie auch gerne
getan hat.

Mir geht es nicht darum, den DBV oder seine Arbeit zu diskreditieren.
Es geht mir

1. Um die Information für alle BuB-Nichtleser, dass die Studie nicht
brauchbar ist 2. Darum, zu verhindern dass sowas nocheinmal passiert
3. Um eine sachliche Diskussion

Sie finden den Artikels unter

http://tiny.cc/5j12vw

bzw.

https://docs.google.com/file/d/0B0rxsxQnH0QnQzZ2blM5UUdJTWc/edit?usp=sharing

Sie können den Artikel gerne in einem Blog posten oder weiter
verbreiten, wenn Sie Frau Nikolazig anfragen. -
nikolaiz@xxxxxxxxxxxxxxxxxxx

Mit den besten Grüßen,

Philipp Maass

Philipp Maass B.A.
Hochschule für Kunsttherapie Nürtingen
Staatlich anerkannte Fachhochschule der Stiftung für Kunst und
Kunsttherapie Nürtingen University of Applied Sciences
-Bibliothek-
Sigmaringer Str. 15/2
D-72622 Nürtingen
Telefon +49 / 70 22 / 93 33 6-18
E-Mail: p.maass@xxxxxxxxxxxxxxxxx
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