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Re: [InetBib] Eric Steinhauer: Was ist ein Buch? (2005)



Sehr geehrter Herr Umstätter,

Herr Dietz hatte eine konkrete Frage bezüglich eines konkreten Werkes gestellt.

Auf diese haben Sie nicht geantwortet, sondern Ihre bekannte Position zu Urheberrechtsfragen breit vorgetragen. Herr Ulmer hat darauf entsprechend seiner verlegerischen Position geantwortet.

Ich habe mir erlaubt, dies zu anzumerken und Herrn Dietz eine konkrete Antwort zu geben.

Das Ergebnis gefällt Ihnen nicht, weshalb Sie statt einer Widerlegung das Klischee mit den Katastrophen auslösenden Juristen bemühen. Da hätte ich Besseres erwartet. Wo gibt es diese Liste, welche Berufsgruppe an welchen Katastrophen beteiligt war?

Das Zusammenleben in einer Gemeinschaft bedarf gewisser Regeln, die bitte auch eingehalten werden sollen. Wenn sich die Lebensverhältnisse und das Rechtsempfinden ändern, müssen auch die Regeln angepasst werden. Das wir "das Recht des Stärkeren" zum Glück hinter uns haben, sollte nicht den Blick dafür verstellen, dass die an der Gesellschaft Beteiligten aufgerufen sind, sich an die Regeln zu halten und Konflikte tunlichst unter sich zu lösen. Wer sich mit seinem Nachbarn über dessen Laub und seine eigenen Wurzeln an der Grenzbebauung nicht unterhält und das nicht lösen kann (weil jeder sein Recht bekommen "muss"), der nimmt sich einen Juristen. Daher wage ich die Behauptung, dass sich viele Dinge einfacher lösen ließen, wenn die "Rechthaber" sich lieber den eigenen Anteil am Streitfall nüchtern überlegen würden und nicht immer gleich zu den Juristen laufen würden.

Was spricht dagegen, wenn Sie mit dem "Rechteinhaber" über einen Download zum Zwecke der Falsifizierung verhandeln? Vielleicht freut ihn das Interesse und interessiert ihn Ihr Vorhaben? Würden Sie sich darüber freuen, wenn man Ihnen zunächst etwas nimmt und erst danach auf Reklamation bereit ist, über die Berechtigung zur Wegnahme zu diskutieren?

Im Übrigen ist es noch schlimmer, als Sie annehmen. Der Käufer (hier eines Buches) erwirbt Eigentum, nicht bloß Besitz, er darf das Werk auch wieder verkaufen. Wenn Sie etwas leasen (Maschinen, Autos etc.), ist dies auch nur ein Nutzungsüberlassungsvertrag. Am Ende des Vertrags kann eine Übernahme gegen Restzahlung stehen, dass muss aber nicht sein. Wir kennen alle zudem die Lesemappe z.B. im Warteziummer irgendeiner Praxis. Ob es noch Leihbüchereien gibt (die rechtlich richtiger als Vermiet-Büchereien zu bezeichnen waren), darüber habe ich keine Kenntnis. Die Beispiele sollen auch nur zeigen, dass es überhaupt nicht ungewöhnlich ist, statt vollem Eigentum nur Nutzungsrechte zu erwerben.

Auch der von Ihnen an anderer Stelle mit "Das digitale Urheberrecht steht am Abgrund" zitierte Herr Peifer gibt ziemlich am Ende zu: "Das geltende Urheberrecht ist im Grundsatz ein taugliches Instrument, davon bin ich überzeugt. Es müsste nur da und dort anders ausgelegt und stellenweise weiter angepasst werden. Hinzu kommt, dass Jura nur im Zusammenhang mit der Stärke und Wandelbarkeit der Wirtschaft zu sehen ist. Die Wirtschaft könnte im Prinzip durchaus vertragliche Modelle entwickeln, die zurzeit noch nicht rechtlich abgebildet sind. Nur weil das noch nicht geschehen ist, heißt das nicht, dass das Recht als solches überholt ist"

Aus der zeitlichen Befristung des Downloadangebots von Herrn Steinhauer bzw. des Verlags
http://eisenhutverlag.wordpress.com/2013/04/23/gratisdownload-des-ebooks-vampyrologie-fur-bibliothekare-zum-welttag-des-buches/
ist doch wohl auch für Nicht-Juristen zu erkennen, dass der Autor und der Verlag das Werk anschließend weiter selber verkaufen möchten und sich diese Rechte vorbehalten.

Dietrich Pannier


Am 05.05.2013 15:19, schrieb h0228kdm:

Dass die Definition des Buches zunächst nichts mit dem Kopierrecht zu tun hat, sollte die bisherige Diskussion zeigen. Ebenso, dass Buch ein Oberbegriff von gedrucktem und E-Book ist, da das E-Book mit identischer Information der ganz gezielte Versuch war,
dem Vorbild zu entsprechen, bis hin zum umblättern der Seiten.

Multimediangebote, Tondokumente etc. haben damit wenig zu tun. Schon die sog. "Hörbücher" oder das Theaterstücke, in denen die Freiheit des Regisseurs wirksam wird, zeigen oft ein erstaunliches
Eigenleben.

Dass ein Käufer aber mit einem gedruckten Buch, einer gedruckten Zeitschrift etc. Besitzrechte erwirbt, aber bei entsprechenden elektronischen Dokumenten nur Nutzungsrechte erwerben darf, dass ist die Krux, die daraus entsteht, dass elektronische Dokumente so leicht kopierbar wurden, was das Verlagswesen durch rechtliche Beschränkugen und durch trickreiche Informationsverknappung nun zu unterbinden versucht.

Dabei geht es mit nichten um das "Beharken aus sattsam gepflegten Vorurteilen",
sondern um die Enteignung von Bibliotheken,
da deren Funktion z.B. durch Amazons Book Lending übernommen werden soll.
Worum es also wirklich geht, ist doch das (mögliche) juristische Todesurteil für Bibliotheken.

Bislang konnte ich aus § 17 Abs. 2 noch nicht die Aussage "Mit dem Downloadangebot wurde das Werk nicht "veräußert", also nicht verkauft. Daher ist eine Weiterverbreitung (§ 17 Abs. 2) z.B. durch Bibliotheken, nicht zulässig." noch nicht herauslesen, es
bestätigt aber meine Befürchtung.

Juristen haben in der Geschichte der Menschheit schon oft Katastrophen ausgelöst,
möglicherweise wird hier die nächste vorbereitet, weil sie
1. die Bedeutung von Bibliotheken unterschätzen und
2. den Unterschied von Information, Redundanz und Wissen nicht kennen.

Der Kern der Frage ist doch, warum ein Verleger daran verdienen soll, wenn irgend jemand in der Welt sich eine Kopie von einem vorhandenen Dokument zieht (um es beispielsweise falsifizieren zu können). Mit leistungsgerechter Bezahlung hat das ebensowenig, wie mit riskanter Investition zu tun. Hier wird ein Recht aus einer Zeit der Printprodukte, ohne jede Rechtfertigung, in die
Welt der Digitalen Bibliothek zu tradieren versucht.

Autoren und Verlage sollen und müssen leistungsgerecht bezahlt werden, aber nicht auf der
ungerechten Basis über die Menge der Redundanz.

MfG

Walther Umstätter


Am 2013-05-05 11:24, schrieb Dietrich Pannier:
Am 2013-05-04 13:28, schrieb Karl Dietz:
Hallo,
neulich gingen zwei Buchhinweise von H. Steinhauer an inetbib.
Am 23.04.2013 konnte eines davon für umme down-geloaded werden.
Und liegt nun sicher auf etlichen Festplatten.
Eine Frage vor der wdh. aus 2005, die damals an inetbib ging:
Kann dieses eBook nun auch verliehen werden?
zB an Freunde? in einer Bibliothek? ...

Lieber Karl Dietz,

wenn ich es recht sehe, haben Sie mit dem Betreff "Was ist ein Buch"
ein wenig in die Irre geführt.
Im Text jedenfalls fragen Sie: Kann dieses eBook nun auch verliehen werden?
zB an Freunde? in einer Bibliothek? ...

Darauf geht keiner der sodann eloquent vortragenden Kontrahenten
leider ein. Dabei handelt es sich aus meiner Sicht eher um ein
Beharken aus sattsam gepflegten Vorurteilen heraus, statt um wirklich
erhellende Aufklärung.
So werden z.B. auch Kinder als Zeugen herangezogen, keiner stellt sich
aber die aus den Definitionsbeiträgen nahe liegende Frage, haben wir
denen immer nur "Kinderbroschüren"  (weniger als 50 Seiten !!) zur
Erbauung vorgelesen oder waren das doch "Bücher"? Oder hatten die
diese Grenzen Definierenden Buchwissenschaftler keine Kinder?

Zurück zu Karl Dietz und nur zu dem Buch von Herrn Steinhauer:
Das E-Book wurde mit Zustimmung des Autors auf dem Server des Verlags
(und damit auch dessen Zustimmung) zum Download angeboten.

In seiner Pflichtexemplarentscheidung
Beschluss vom 14. Juli 1981 – 1 BvL 24/78 -,
http://de.wikipedia.org/wiki/Pflichtexemplar-Entscheidung
hat sich das BVerfG nicht mit der Frage "Buch" aufgehalten, sondern
den Begriff "Druckwerk" verwendet.

Wer das genauer haben möchte, der lese bei der AjBD im für jedermann
verfügbaren Online-Archiv der Mitteilungen bzw. von RBD die Beiträge
von Bertold Picard
http://www.makrolog.de/ajbd/show?id=bi_ajbd_1983_0087_0103_p&solrid=PAjA_1983_0013_0003_0087_0103&notesdb=PAjA&type=pdf
und besonders Hans-Burkard Meyer, der damals schon das noch unbekannte
E-Book mit einbezog
http://www.makrolog.de/ajbd/show?id=bi_ajbd_1983_0061_0070_p&solrid=PAjA_1983_0013_0002_0061_0070&notesdb=PAjA&type=pdf

"Das BVerfG hat die Ablieferungspflicht - entsprechend dem Sachverhalt
des zugrundeliegenden Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt
- nur in bezug auf konventionelle Druckwerke gebilligt . Die dazu
getroffenen Aussagen haben sinngemäß aber auch Gültigkeit für neuere
Materialien und Pub1ikationsformen. Entscheidend ist stets, ob diese
Materialien bzw. ihr Inhalt als Teil des geistigen und kulturellen,
zur Vervielfältigung bestimmten Schaffens gelten können; das wird in
der Regel der Fall sein, so daß ihre geschlossene Sammlung ebenso wie
die herkömmlicher Druckwerke aus Gründen des
wissenschaft1ich-kulturellen Interesses legitimiert ist."

Zugleich hat das Gericht aber die Eigentumsrechte der Autoren und der
Verlage anerkannt. Und damit den Bogen zurück zur Frage, die
eigentlich auf § 53 UrhG zielt "Vervielfältigungen zum privaten und
sonstigen eigenen Gebrauch".

Man kann wohl ohne weitere Prüfung davon ausgehen, dass Autor und
Verlag Ihnen im Sinne von § 53 Abs. 1 UrhG eine Vervielfältigung nur
zum "privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern" angeboten haben und
dabei nur die mit der bekannt gemachten URL  "öffentlich zugänglich
gemachte Vorlage verwendet" werden sollte.

Daher greift aus meiner Sicht nun von § 53 UrhG der Abs. 6 "Die
Vervielfältigungsstücke dürfen weder verbreitet noch zu öffentlichen
Wiedergaben benutzt werden".
Somit bestehen gegen das Verleihen Ihrer Privatkopie an den guten
Freund keine Bedenken. Man sollte ihm als juristischen Laien
allerdings die Warnung mitgeben, diese Leihe berechtige jenen nicht zu
einer neuerlichen Eigenkopie.
Das Verleihen in Bibliotheken ist ein "Verbreiten" im Sinne von § 17
UrhG. Mit dem Downloadangebot wurde das Werk nicht "veräußert", also
nicht verkauft. Daher ist eine Weiterverbreitung (§ 17 Abs. 2) z.B.
durch Bibliotheken, nicht zulässig.

Dietrich Pannier



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Dietrich Pannier
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