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Re: [InetBib] Roland Reuß für's Analoge, gegen die Cloud



Sehr geehrter Herr Umstätter,
liebe Gemeinde,

geschenkt: wir können Roland Reuß nicht leiden, weil er unter dem
akademischen Deckmäntelchen Lobbying für die Content-Mafia macht
(Heidelberger Erklärung). Das ändert aber nichts daran, dass er mit
seinem Vorstoß in der FAZ recht hat, auch wenn das eine oder andere
Detail zur HU Berlin falsch sein mag. Wir sollten die menschliche
Größe haben, das einzugestehen, und die von den Bibliotheken in puncto
Datenschutz gemachten Fehler berichtigen.

Ich arbeite zur Zeit daran, dass nicht jede Titelanzeige in unserem
OPAC eine Datenspur bei Amazon hinterlässt. Technisch ist das kein
Problem; es gibt ja Alternativen bei GBV, OpenLibrary und zur Not
Booklooker, VLB und Google. Die Umsetzung ist technisch kein Problem,
es müssen aber erst die diversen Geschäftsbedingungen geprüft und
teilweise nachverhandelt werden. Falls hier jemand von den Verbänden
mitliest: Es wäre schön, wenn hier Rechtssicherheit hergestellt werden
könnte, die auch das aus meiner Sicht technisch und datenschutzmäßig
unerlässliche Zwischenspeichern der Bilder auf dem OPAC eindeutig
erlaubt. Oder ein Bibliotheksverbund stellt endlich einen Cover-Dienst
mit einer ausreichenden Abdeckung zur Verfügung.

On Tue, Nov 12, 2013 at 06:58:40PM +0100, h0228kdm wrote:
Was hat das mit Prof Reuß und dem Internet zu tun? Es zeigt, dass er noch
nicht weiß, was im Bereich der semantischen Netze und der Denkmaschinen zur
Zeit geschieht.

Aber Sie wissen das? Ich habe nicht den Eindruck:

Als die ersten Computer konzipiert wurden, sollten sie zu Denkmaschinen
werden, sie sollten die selbe Logik nutzen, wie wir. Als sie dann
funktionierten, zeigte sich, dass unsere neuronalen Netze im Gehirn, viel
assoziativer, schlampiger, fuzzy-artiger, auch genialer zu denken vermögen.
Trotzdem sind auch Computer noch immer Denkmaschinen, auch wenn sie keine
„Seele“ haben, ihnen fuzzy-logic beizubringen ist kein grundsätzliches
Hindernis.

Sie argumentieren hier auf dem Stand der KI-Forschung von vor 30
Jahren. Durch Big Data müssen die Technikfolgen ganz neu eingeschätzt
werden, insbesondere wegen der starken Verbreitung des Internets und
der Verknüpfbarkeit der Datenspuren. Für deren Auswertung reichen
übrigens Verfahren, die viel einfacher und schneller sind als die von
Ihnen genannten KI-Verfahren.

Noch einen Satz dazu, dass sich Geheimdienste schon lange für das
Leseverhalten von Bibliotheksbenutzern interessiert haben. Das ist
unverantwortlich, und da hat Prof. Reuß Recht. Der Fehler liegt aber nicht
darin, dass niemand wissen darf, dass ich z.B. „Mein Kampf“ gelesen habe,
sondern dass es grober Unfug wäre mich deshalb als rechtsradikal einzustufen.

Was soll das heißen? Weil Sie bereit sind, ein Beispiel Ihres
Leseverhaltens öffentlich zu machen (verknüpft mit einer
Rechtfertigung), wollen Sie suggerieren, es sei kein Problem, wenn
Bibliotheken das Rechercheverhalten ihrer Nutzer ungefragt an große
Konzerne melden, etwa indem sie Cover-Bilder im OPAC einblenden?

Schöne Grüße!
Christian Pietsch

-- 
   Christian Pietsch, http://www.ub.uni-bielefeld.de/~cpietsch/
   Universitätsbibliothek Bielefeld, Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld
   Abteilung LibTec: Bibliothekstechnologie und Wissensmanagement

-- 
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