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[InetBib] OT: Die Diskussion über die Zentral- und Landesbibliothek Berlin geht weiter



Gesendet: Donnerstag, 07. August 2014 um 16:28 Uhr
Von: "Peter Delin" <peter.delin@xxxxxx>
An: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: OT: Diskussion über die Zentral- und Landesbibliothek Berlin

In Berlin hat eine öffentliche Diskussion über das Profil der ZLB begonnen. 
Zur Information hier ein Artikel aus dem Berliner Lokalteil der TAZ
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2014%2F08%2F07%2Fa0211&cHash=1e54af9c5f84d94a0da650d66fe52a4a

Dieser in INETBIB am 7.8. gepostete taz-Artikel konnte die Diskussion über die 
Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) 
http://de.wikipedia.org/wiki/Zentral-_und_Landesbibliothek_Berlin nur in groben 
Zügen darstellen. Deshalb möchten wir hier für alle, die an der Debatte um das 
Profil der ZLB interessiert sind, unsere in der taz erwähnte Rede auf der 
Personalversammlung der ZLB im Wortlaut wiedergeben. Sie stellt unsere 
Gegenposition zur Leitung der Bibliothek etwas differenzierter dar. (Aktuelles 
siehe am Ende der Mail) 


REDE AUF DER PERSONALVERSAMMLUNG DER ZLB VOM 6.8.2014:

Die Perspektiven für die Entwicklung der Zentral- und Landesbibliothek Berlin 
(ZLB) nach dem Scheitern des Neubauprojekts in Tempelhof

1. Wie die Belegschaft ihre Bibliothek selbst in die Hand nehmen kann - 
Geschichte der Anbauplanung der Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) von 1986 bis 
1991 (Ursula Müller Schüssler)

        Auch nach dem Ende meiner Berufstätigkeit in der AGB nehme ich noch 
teil an dem Auf und Ab dieser Bibliothek. Die Debatten der Bürgerinitiative auf 
dem Tempelhofer Feld (100%THF) habe ich neugierig verfolgt und ich habe auch 
zahlreiche Veranstaltungen dort zum Thema Feld-Bebauung besucht. Nebenbei 
gesagt, habe ich Vertreter der ZLB vermisst, die den Gegnern des ZLB-Baus eine 
anschauliche Beschreibung der geplanten Bibliothek gegenübergestellt hätten.
        Die Debatte der 100%THF-AktivistInnen löste bei mir Erinnerungen an die 
AGB-Anbauplanungen von 1986 bis 1991 aus. Damals hatten wir AGB-KollegInnen 
allerdings mehr Erfolg, wenn auch der prämierte Entwurf dann letztlich nicht 
gebaut wurde. Die Begründung der Politik und Verwaltung dafür: Nach der Wende 
müsse eine gemeinsame Bibliothek für AGB und Berliner Stadtbibliothek (BStB) 
neu geplant werden. Das ist 22 Jahre her...
        Aber nun zum Positiven: 1985/86 hatte der damalige Direktor der 
Bibliothek zusammen mit dem Architekten Fritz Bornemann (einer der vier 
Architekten des Gebäudes der AGB von 1954) beim Senat einen Anbau beantragt, 
der schon seit Jahren notwendig war, weil die Freihand- und Magazinbereiche 
seit 1979 überliefen. Ohne Wettbewerb hatten die beiden schon begonnen, ein 
Modell dafür zu entwerfen. Die Architektenverbände meldeten sich zu Wort, sie 
liefen Sturm dagegen. Das war der Auftakt zu einer breiten Diskussion in der 
Öffentlichkeit. Gleichzeig stellten die beiden Planer das Modell in der AGB 
aus. Dieser Entwurf stieß bei der Belegschaft auf großes Interesse. Schnell 
wurde festgestellt, dass das neue Gebäude vor allem wegen zu geringer 
Freihandflächen keine Antwort auf den Bedarf des Publikums gab. Hintergrund für 
das rege Interesse an diesen Baufragen war, dass die KollegInnen sich Stück für 
Stück Strukturen aufgebaut hatten, in denen sie wichtige Vorkommnisse in der 
Bibliothek gemeinsam diskutieren konnten.
        Es gab einen sehr durchsetzungsfähigen Personalrat und eine aktive 
ÖTV-Betriebsgruppe - heute Verdi - mit regelmäßigen Mitgliederversammlungen, 
sowie eine sog. "Inforunde", die zuerst eine reine Informationsrunde der 
Direktion war. Die Themen wurden aber bald von den KollegInnen bestimmt und 
vorher an einem schwarzen Brett ausgehängt.
        Gleichzeitig hatte sich auch eine sogenannte Anbau-Initiative gebildet: 
vier KollegInnen, zwei Magazinkollegen, eine Bibliothekarin und eine 
Bibliotheksreferentin, trafen sich privat und informierten sich über 
Bibliotheksbauprojekte im In- und Ausland und unternahmen Reisen zu 
interessanten Bibliotheken. Ihre Ergebnisse bzw Forderungen an einen AGB-Anbau 
veröffentlichten sie in einer Broschüre. 1)
        Die Anbauinitiative und eine große Zahl von Kollegen prüften das 
Architekturmodell von Fritz Bornemann sehr genau. Es wurde von einer großen 
Zahl von Kollegen abgelehnt. Das drückten sie in einem Brief mit ausführlicher 
Begründung an den Architekten aus. Die DBI-Baukommission wurde gebeten, den 
Entwurf zu begutachten. Sie bestätigte unsere Kritik.
        Der Kultursenator Volker Hassemer schaltete sich ein und lud die 
KollegInen der Anbauinitiative zu einem Gespräch mit dem Ergebnis, dass er eine 
Wettbewerbsausschreibung veranlasste, zu der 14 junge amerikanische Architekten 
eingeladen wurden. In mehreren fachöffentlichen Kolloquien wurden 
Bibliothekskonzept und Architektur des Erweiterungsbaus beraten.
        Der Senator für Kulturelle Angelegenheiten und der Bibliotheksdirektor 
übergaben zwei KollegInnen der Anbau-Initiative die weitere Begleitung der 
Anbauplanungen von Seiten der AGB, was bis zur Erstellung des Raum- und 
Ausstattungsprogramms 1991 führte.
        Die Anbau-Planung wurde von der Belegschaft in einzelnen Arbeitsgruppen 
intensiv untersucht und in Mitgliederversammlungen ausführlich diskutiert. Ein 
Höhepunkt waren zwei Besichtigungsreisen nach Paris zur öffentlichen 
Informationsbibliothek BPI im Centre Pompidou und zur neuen Stadtbibliothek 
nach Rotterdam. Die Reisen wurden in extra gemieteten Eisenbahnwaggons von der 
Belegschaft unternommen. Und die Moral von der Geschicht'? So kann Planung auch 
sein!

        
2. Kleine Geschichte des Modells "Landesbibliothek" in der ZLB (Peter Delin)

        Die Diskussion um eine mehr wissenschaftliche oder populäre Ausrichtung 
der Bibliothek hat die Berliner Zentralbibliothek schon immer begleitet. Man 
denke nur an die Beschneidung der BStB 
http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Stadtbibliothek zu einer eher 
wissenschaftlichen Bibliothek in den Zwanziger und Dreißiger Jahren, u. a. 
durch den politischen Reaktionär Wilhelm Schuster 2).
        Auch die Gründungsphase der AGB 
http://de.wikipedia.org/wiki/Amerika-Gedenkbibliothek war davon geprägt. Die 
AGB ist bekanntlich teilweise aus der BStB entstanden. Fast alle Bibliothekare 
verließen 1948 nach der Teilung der Stadtverwaltung die BStB und gründeten mit 
der Wissenschaftlichen Zentralbibliothek (WZB) eine wissenschaftliche 
Stadtbibliothek im Westteil Berlins. Diese wurde dann mit ihrer Fachliteratur 
ohne große Probleme in die neue AGB integriert, ganz entgegen dem bis dahin 
üblichen (alt)deutschen Modell der sog. „Einheitsbibliothek“, in dem 
wissenschaftliche Bibliothek und populäre Öffentliche Bibliothek 
organisatorisch getrennt waren. Dagegen [ d. h. gegen die Vermischung von 
wissenschaftlicher und Öffentlicher Bibliothek, in der Bibliothekare beider 
Berufsrichtungen zusammenarbeiten sollten] liefen Vertreter von 
Standesverbänden des höheren Dienstes Sturm, wie der Vorsitzende des Verbands 
deutscher Bibliothekare (VDB), Gustav Hofmann, damals Generaldirektor der 
Bayerischen Staatsbibliothek. Gleichzeitig verhinderten die amerikanischen 
Kulturoffiziere eine rein wissenschaftliche Ausrichtung der AGB, wie sie von 
Ernst Reuter [dem Regierenden Bürgermeister] befürwortet wurde, indem sie gegen 
die Übernahme der [ausgelagerten] Bestände des Ibero-amerikanischen Instituts 
votierten und auf großen Freihandbereichen und einer Kinder- und einer 
Musikbibliothek bestanden. Während das Berliner Publikum die Mischform AGB zur 
meistgenutzten Bibliothek in Westdeutschland machte, haderten manche 
Bibliothekare immer noch mit der unklaren Zuordnung in die Sparten WB oder ÖB. 
3)
       Die gesellschaftliche Entwicklung stellte auch die DDR vor das Problem, 
öffentliche Zentralbibliotheken und wissenschaftliche Landesbibliotheken zu 
qualifizieren, was sich im Begriff der Wissenschaftlichen Allgemeinbibliothek 
(WAB) niederschlug. Die BStB spielte als WAB aufgrund ihrer schieren Größe und 
Vielfalt dabei immer eine herausragende Rolle.
       Dieselbe Debatte brandete nach dem Mauerfall wieder auf, als es um die 
Vereinigung von BStB und AGB ging. Die Kulturverwaltung veröffentlichte 1992 
ein Teilungsmodell und berief sich dabei explizit auf Paul Ladewig, der 1912 
sog. Verbrauchsbibliotheken von Archivbibliotheken abgegrenzt hatte. Die BStB 
sollte als wissenschaftliche Landesbibliothek eine Archivbibliothek werden, die 
AGB eine Verbrauchsbibliothek: „Die Medien sollen verbraucht werden können. 
Verschleiß ist einzuplanen.“. 4) 5) Nur wenige Monate später war dieses 
Teilungsmodell aus dem Bedarfsprogramm für den Palast der Republik (Autor: 
Peter K. Liebenow im Auftrag der Kulturverwaltung) verschwunden, in dem ein 
einheitlicher Freihandbereich (12.800 qm) und ein Magazin (5.000 qm) vorgesehen 
waren. 6)
        Mit der Gründung der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin 1995 
http://de.wikipedia.org/wiki/Zentral-_und_Landesbibliothek_Berlin brach diese 
Kontroverse jedoch wieder auf. Es standen zwei Modelle gegeneinander. Sollten 
zwei Universalbibliotheken (BStB 950.000 Bände, AGB 850.000 Bände) mit 
verschiedenen Profilen getrennt betrieben werden oder sollten die zur Verfügung 
stehenden finanziellen Mittel auf eine Bibliothek mit einem breiten 
Angebotsspektrum und damit doppelter Wirksamkeit konzentriert werden? Der 
Erfolg einer einheitlichen öffentlichen Universalbibliothek 7) mit heute 3,4 
Millionen Ausleihen machte die ZLB in den folgenden Jahren zur meistgenutzten 
Kultureinrichtung Berlins und legitimierte letztlich damit das anstehende 
Neubauprojekt.
                 
3. Modell des Managementdirektors für die ZLB nach dem Scheitern von Tempelhof

        Heute steht hier der nächste Versuch zur Diskussion, die Bibliothek in 
zwei Teile aufzuspalten, in eine wissenschaftliche Landesbibliothek und in eine 
populäre Verbrauchsbibliothek. Diese Frage geht alle KollegInnen der ZLB an, 
denn auch nur eine organisatorische Teilung der ZLB würde in viele 
Arbeitsgebiete eingreifen und sie entscheidend verändern. Mitsprache ist hier 
also oberstes Gebot. Dafür soll auch diese Personalversammlung ein Forum bieten.

Bewahren oder Aussondern?
        Die erste schwerwiegende Folge einer neuen aktuellen 
Verbrauchsbibliothek im üblichen Sinne wäre der Verlust des Magazinbestands, 
denn es würde nichts mehr archiviert werden, außer in der neuen 
Landesbibliothek das, was über oder in Berlin erschienen ist. Die ZLB würde 
damit ihren Charakter grundlegend verändern. Es droht dann auch eine erneute 
Aussonderungsaktion und damit die Abwicklung einer sorgfältig ausgewählten, 
über Jahrzehnte aufgebauten Sammlung aus Ost und West. Der Managementdirektor 
der ZLB könnte sich dafür auf den "Kommissionsbericht zur Strukturentwicklung 
der ZLB" 8) von 2010 stützen. Dieser hatte u.a. eine konsequente Aussonderung 
veralteter und „seit zwei Jahren nicht mehr genutzter Medien“ gefordert und 
wollte den Bestand auf die letzten 10 Jahre begrenzen, verbunden mit einer 
laufenden Aussonderung in der Größenordnung der jeweiligen Neuanschaffungen und 
folglich der Aufgabe des Prinzips „Erhalt des Letztexemplars“ (vgl. S. 35 des 
Kommissionsberichts).
        Eine solche, nur auf Aktualität getrimmte Bibliothek wäre dann kein Ort 
 mehr für Entdeckungen, die nicht dem jeweiligen Zeitgeist entsprechen. Dafür 
ein Beispiel: Gerade erst ist Ernst Glaesers Roman „Jahrgang 1902“ von 1928 
wiederentdeckt worden. Die Neuausgabe ist in der ZLB als e-book und als Buch 
ausleihbar. Doch schon seit über 60 Jahren war dieses  eindringliche 
Psychogramm des Wilhelminismus, das 1933 auf dem Scheiterhaufen brannte, in der 
Berliner Stadtbibliothek für alle erhältlich. Sollen solche Bücher künftig 
wirklich geschreddert werden, damit der Neubau der Landesbibliothek schrumpfen 
kann? 

Die Spaltung der Bibliothek
Es könnte aber noch schlimmer kommen, denn der Staatssekretär für Kultur hat am 
21. Juni dieses Jahres ein rätselhaftes Interview im rbb (Rundfunk 
Berlin-Brandenburg) gegeben. Demnach will er die Bibliothek in zwei Teile 
teilen: „Ich habe lieber einen Standort, der das, was wirklich wichtig ist, 
schnell zusammenfasst. Und da, wo ich wirklich nur einmal rein muss, weil ich 
ein ganz verwegenes Forschungsthema hab, könnte dann doch an einem zweiten 
Standort sein.“ 
http://www.rbb-online.de/kultur/beitrag/2014/06/Renner-Landesbibliothek-schrumpfen-kleiner.html
 
        Das klingt ganz vernünftig, wenn man damit eine große Bibliothek an 
einem Standort mit vielleicht einer Million frei zugänglicher Medien meint und 
die selten benutzten Bestände in einem Außenmagazin bewahrt, wie es gerade die 
Staatsbibliothek in Friedrichshagen eröffnet hat. 
     Doch die Vision von Tim Renner könnte auch ganz anders gemeint sein. Will 
er, wie es der Managementdirektor plant, die ZLB in E und U aufteilen, in 
"Massengeschäft" 9) und "Nischengeschäft" 9) und damit in eine Bibliothek für 
die „Gebildeten“ und eine für das  „Volk“, wie es seit der ständischen 
Gesellschaft des Wilhelminismus mit ihren wissenschaftlichen Stadtbibliotheken 
und öffentlichen Lesehallen in Deutschland lange Zeit üblich war?  
        Es besteht die reale Gefahr, dass die größte öffentliche 
Zentralbibliothek in Deutschland nach diesem alten Modell in zwei Teile 
zerschlagen werden soll, in eine sogenannte wissenschaftliche Landesbibliothek, 
erfahrungsgemäß ein Buchmausoleum ohne viel Publikum, und eine geschrumpfte 
Öffentliche Zentralbibliothek nach dem Muster von Hamburg, Bremen, [Köln] oder 
Dresden, wie sie der Managementdirektor der ZLB, Volker Heller, bei jeder 
Gelegenheit im Munde führt. Gemeint ist damit wohl eine reine 
Verbrauchsbibliothek mit ausschließlich aktueller populärer Literatur, die das 
sogenannte „Massengeschäft“ abwickeln soll.  
        Das Besondere an der ZLB ist jedoch genau das Gegenteil: Sie ist keine 
akademische Einrichtung, sondern eine öffentliche Bibliothek für alle, aber mit 
einer Vielfalt und Größe, die es nur in Berlin gibt. Jedes Jahr kommen 70.000 
neue Medien hinzu und locken 1,2 Millionen Besucher an.
        Wie sähen dagegen die beiden von der Leitung zunächst nur 
‚organisatorisch‘ angedachten Teilbibliotheken der ZLB für sich gesehen aus?

Eine isolierte Landesbibliothek
        Wenn der Managementdirektor eine wissenschaftliche Landesbibliothek aus 
dem Bestand der ZLB herauslöst, schafft er für die Stadt einen veralteten 
Bibliothekstyp, der nur aus der Senatsbibliothek, der Berlin-Sammlung und den 
Sondersammlungen besteht, sowie aus einem wachsenden Pflichtexemplarbestand 
aller in Berlin erschienenen Medien, die per Gesetz bei der ZLB kostenfrei 
abgeliefert werden müssen.
        Damit  wäre der Gipfel der Absurdität erreicht. Der reichhaltige 
Medienbestand der Verlagsstadt Berlin 
http://www.berlin.de/projektzukunft/fileadmin/user_upload/pdf/sonstiges/PZU_Verlagsbroschuere_Screen.pdf
 - mit jährlich ca. 10.000 neuen Buchtiteln immerhin die größte Deutschlands - 
würde in seiner ganzen Fülle vollständig aus dem allgemeinen Bestand der ZLB 
entfernt und in einer neuen, konzeptionell aber veralteten wissenschaftlichen 
Landesbibliothek isoliert werden. Dort  entstünde dann eine schnell wachsende 
zweite Bibliothek mit aktuellen Beständen, die allein nach dem formalen 
Kriterium des Erscheinungsorts Berlin aufgebaut ist. 2013 betrug der Zugang aus 
diesem Bereich über 23.000 Medien aller Art. Der eigentlichen 
Publikumsbibliothek der ZLB würden die  Medien des reichhaltigen literarischen 
und intellektuellen Lebens der Stadt in der ganzen Breite und Vielfalt 
entzogen. 

Eine geschrumpfte Verbrauchsbibliothek
        Die zweite Bibliothek wäre nur noch eine geschrumpfte 
Verbrauchsbibliothek. Was die meisten Berliner an der ZLB besonders schätzen, 
die eigentliche Ausleihbibliothek mit 1,7 Millionen Bänden und 2,4 Millionen 
Ausleihen im Jahr, soll offenbar radikal reduziert werden. Bereits jetzt sind 
die Publikumsbereiche stark ausgedünnt worden. Für Erwachsene sind nur noch 
260.000 Bände frei zugänglich aufgestellt (Bücher, ohne Noten, inkl. der 
Ausgeliehenen), 30 % weniger als vor 5 Jahren. Die Ausleihbibliothek soll 
voraussichtlich nur noch aus den "höchst aktiven Medien" 9) bestehen und nach 
"stringenter Output-Orientierung" 9) organisiert werden. In dieser 
Verbrauchsbibliothek mit Bestseller-Konzept würde dem Typus nach nichts mehr 
archiviert werden. D. h., alles was heute neu erscheint, ginge der nächsten 
Generation verloren. 
        Die Auswahl der Medien dürfte dann die Bibliothek größtenteils nicht 
mehr selbst treffen, denn  angestrebt wird ein "Höchstmaß von wirtschaftlichem 
Einsatz von Fremd-Dienstleistungen" 9). Die Neuerscheinungen würde überwiegend 
der ekz-bibliotheksservice, eine Einkaufszentrale für Öffentliche Bibliotheken 
in Reutlingen, regalfertig liefern – allerdings mit einem viel zu geringen 
Titelangebot. Für eine Bildungseinrichtung wie die ZLB mit ihrem Schwerpunkt 
auf Fachliteratur für die Aus- und Weiterbildung wäre das bei weitem nicht 
ausreichend. 
        Bisher konnten die selbstständigen Lektoren der ZLB für ihr Publikum 
aus dem gesamten Angebot des deutschen Buchmarkts selbst auswählen. Das wäre 
dann vorbei.
        Nicht vergessen darf man auch, dass die neue Verbrauchsbibliothek den 
Bezirksbibliotheken, die bereits vom ekz-bibliotheksservice bestückt werden, 
mit einem ähnlichen Angebot starke Konkurrenz machen würde, quasi als 13. 
Bezirk. Andererseits verlieren die Bezirksbibliotheken mit der Schrumpfung der 
ZLB einen großen Teil spezieller Medien, die sie selbst nicht anbieten. Die ZLB 
stellt immerhin ca. 30 % des Angebots im Webkatalog des Verbunds der 
öffentlichen Bibliotheken Berlins (VOEBB), der mit seinem komfortablen 
Bestellservice an alle Bezirksbibliotheken liefert.

Eine öffentliche Diskussion fehlt
        Eines hat das Scheitern der ZLB auf dem Tempelhofer Feld wohl gezeigt: 
Ein neues Bibliothekskonzept kann nur mit dem Publikum zusammen entwickelt 
werden. Von der Landesbibliothek aus ist hier bisher nicht viel geschehen, 
weder bei den Planungen für den Neubau auf dem Tempelhofer Feld, noch bei der 
jetzt beabsichtigten Aufteilung und Reduzierung der ZLB.
        Ein so schwerwiegender Eingriff in das Profil der Landesbibliothek kann 
auch nicht ohne eine bibliothekarische Leitung mit eigener Verantwortlichkeit 
vorgenommen werden. Die jedoch fehlt in der ZLB, seit der neue 
Managementdirektor vor zwei Jahren die alleinige Leitung übernommen hat.   
ENDE DER REDE

Anmerkungen:

1) Amerika-Gedenkbibliothek Berlin - 1994 / [vorgelegt von d. Anbau-Initiative 
von AGB-Beschäftigten...Hrsg.: Amerika-Gedenkbibliothek/Berliner 
Zentralbibliothek], Berlin : AGB, 1987, 66 Bl. 
2) Delin, Peter: Bücherverbrennung und Raubgut: Der Bibliothekar Wilhelm 
Schuster. In: Der Personalrat. Berlin : Personalrat der Zentral- und 
Landesbibliothek Berlin, 2013,  S. 26-34.
3) Borchardt, Peter: Die Arroganz der Sparten. Zur Dichotomie Öffentliche 
Bibliothek - Wissenschaftliche Bibliothek am Beispiel Berlin. In: Die 
wissenschaftliche Stadtbibliothek und die Entwicklung kommunaler 
Bibliotheksstrukturen in Europa seit 1945. Frankfurt : Harrassowitz in 
Kommission, 2001. S. 139-154. (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des 
Buchwesens, Bd. 34). 
4) Pforte, Dietger: Für einen Palast der Republik des Geistes. Eine konkrete 
Utopie. In: BuB 44 (1992) 4, S. 332-335.
5) Delin, Peter; Ursula Müller-Schüssler: Mut zur Wende – zweite Umdrehung. 
Zentralbibliotheksplanung in Berlin. In: BuB 44 (1992) 8, S. 670-675.
6) Liebenow, Peter K.: Bibliothekspalast. Überlegungen zur inhaltlichen 
Gliederung und zur räumlichen Gestaltung. Berlin, 12.8.1992, 32 Bl. Nicht 
veröffentlicht.
7) Wahlich, Ulrike: Rückblick mit Zukunft: 100 Jahre Zentral- und 
Landesbibliothek Berlin. München : Saur, 2001, S. 199-202, S. 227.
8) Kommissionsbericht zur Strukturentwicklung der Stiftung Zentral- und 
Landesbibliothek Berlin. Januar 2010. Berlin : Strukturkommission, 2010, S. 35.
9) Die ZLB von Morgen. Die Zukunft aktiv gestalten. Strategische Entwicklungen 
für die nächsten 10 Jahre. Präsentation MitarbeiterInnenversammlung 29.7.2014, 
S. 27.


Die wesentlichen Punkte, für die wir uns weiterhin einsetzen wollen, sind:
- Erhalt des selbstständigen Bestandsaufbaus durch eigene Lektorate nach dem 
bisherigen Profil - keine Übernahme des konfektionierten Bestandsprofils der 
EKZ, wie es die Leitung der ZLB plant. Approval plans sind damit 
selbstverständlich nicht ausgeschlossen.
- Erhalt eines hohen aktuellen Medienzugangs (physisch und digital) für eine 
einheitliche Universalbibliothek - keine Aufspaltung in zwei Bibliotheken mit 
ÖB- und WB-Profil, d.h. aktuelle Verbrauchsbibliothek und wissenschaftliche 
Landesbibliothek mit Pflichtexemplarbestand.
- Erhalt eines gepflegten Magazinbestands mit erhaltenswerten, durch Lektorate 
geprüften Letztexemplaren, auch aus den Beständen der Bezirksbibliotheken.
- Aufbau einer umfassenden, aktuellen, laufend gepflegten digitalen Bibliothek 
entsprechend dem Profil der Universalbibliothek der ZLB inklusive des digitalen 
Pflichtexemplars. Nichts gegen Lifestyle-Angebote wie Maker spaces, aber sie 
können eine professionell geführte digitale Bibliothek für das allgemeine 
Publikum nicht ersetzen (und die Onleihe kann selbstverständlich nur ein Teil 
davon sein).

Die Bibliotheksplanung für das Tempelhofer Feld hat den Rahmen abgesteckt, der 
für eine Zentralbibliothek für 3,5 Mio. Einwohner gebraucht wird. 
http://www.neues-deutschland.de/artikel/933887.warum-berlin-eine-neue-landesbibliothek-braucht.html
Das Bedarfsprogramm für dieses Projekt sollte an einen neuen Standort 
angepasst, aber nicht für eine konventionelle Verbrauchsbibliothek aufgegegeben 
werden. 

Wir sind gespannt, wie die Diskussion um die ZLB weitergeht.

Der nächste Termin:
23.9.2014: Diskussion mit der Direktorin der Stadtbibliothek Köln, Frau Dr. 
Hannelore Vogt in der Amerika-Gedenkbibliothek mit dem Thema: "Wissen für alle 
– Bibliotheken und Teilhabe im 21. Jahrhundert" 
http://www.zlb.de/kalender-detail/kalender/be-berlin-be-diverse.html

Die Berliner haben jedenfalls schon einmal eine Liebeserklärung an ihre 
öffentlichen Bibliotheken abgegeben.
http://www.berliner-zeitung.de/berlin/umfrage--berliner-haengen-an-oeffentlichen-bibliotheken,10809148,28250432,view,asTicker.html
http://www.morgenpost.de/berlin/article131683587/Jeder-zweite-Berliner-nutzt-regelmaessig-Bibliotheken.html

Beste Grüße

Peter Delin und Ursula Müller-Schüssler
Ringstraße 100
12203 Berlin

Tel.: 030/81305675
Mobil: 015787311689
Mail: peter.delin@xxxxxx

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