[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: [InetBib] Preisbindung für E-Books



Liebe Liste,

es gab vor zwei Jahren einen Bericht, dass die Genossenschaft unabhängiger 
Buchhändler exklusiv für ihre Mitglieder von Bestsellern Sonderausgaben als 
„enhanced Books“ anbieten wird. Dabei seien die Bücher am Ende durch einen 
zusätzlichen Bogen von 16 Seiten mit Making-of Material enhanced. Das Datum, 
1.4.2013, ist dabei nicht zufällig.
Ansonsten wird von Enhanced E-Book gesprochen, das E steht doch ganz simpel für 
„elektronisch“.

Im Börsenverein haben wir uns mit der Frage, ob ein E-Book ein Buch ist oder 
nicht unter der Überschrift „Prinzip Buch“ auseinander gesetzt. Das Ergebnis 
war, dass sowohl das gedruckte Buch als auch das E-Book ein Buch sind. Was aber 
natürlich auch vollkommen logisch aussagt, dass das gedruckte Buch kein E-Book 
ist und umgekehrt.

Ganz augenscheinlich ist das gedruckte Buch von Herrn Steinhauer über die 
Bibliotheksmumien nicht das gleiche wie das E-Book davon. Mit beiden Ausgaben 
des Werkes kann man ganz unterschiedliche Dinge machen. Nur behaupten, dass es 
keinen Unterschied gibt, kann man nicht.

Man kann allerdings die Ähnlichkeit von beidem in Bezug auf bestimmte Kriterien 
oder Qualitäten diskutieren. Genau das macht das Preisbindungsgesetz, wenn es 
feststellt, dass bezogen auf bestimmte Bereiche des Angebots von E-Books die 
Ähnlichkeit zum gedruckten Buch so ist, dass das E-Book auch der Preisbindung 
unterliegen soll. Und das macht auch der europäische Gesetzgeber, wenn er mit 
seiner Richtlinie festlegt, dass das E-Book bezüglich der Kriterien für eine 
Zuordnung von Umsatzsteuersätzen dem gedruckten Buch nicht gleich gestellt ist.
Es gibt Leute, die finden, dass das gedruckte Buch dem E-Book bezüglich 
Lesegenuss gleichwertig ist, andere sehen das E-Book überlegen und wieder 
andere das gedruckte Buch. Die Frage der Gleichheit oder Ungleichheit ist also 
mal offensichtlich, mal per Vorschrift festgesetzt, mal rein subjektiv.
Ich musste auch erst lernen, dass das E-Book dem Telemediengesetz unterliegt 
und deshalb auch bei jedem Fachbuch eine Altersfreigabe hinterlegt sein muss 
und wir einen Jugendschutzbeauftragten im Haus brauchen.

Ob es nun um Mehrwertsteuersätze oder Preisbindung oder Bibliotheksschranke 
geht: man kann sich die Gleichbehandlung wünschen, es nützt aber nichts, sie 
einfach allgemein zu behaupten, sondern man muss bezüglich der für eine 
Unterscheidung relevanten Kriterien prüfen, ob Gleichheit besteht oder nicht.

Herzliche Grüße
Matthias Ulmer

_________________________________________________________________
Verlag Eugen Ulmer
Matthias Ulmer
Postfach 700561 - 70574 Stuttgart
Wollgrasweg 41 - 70599 Stuttgart-Hohenheim
Tel: +49 (0)711-4507-164
FAX: +49 (0)711-4507-225
mulmer@xxxxxxxx
www.ulmer.de 


 
Eugen Ulmer KG
Sitz Stuttgart
Registergericht Stuttgart, HRA 581
Geschäftsführer: Matthias Ulmer





Am 30.04.2015 um 14:26 schrieb h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>:

„natürlich sind eBooks Bücher."
Ebenso wie Bücher der Oberbegriff von eBooks und pBooks sind, ist „Frauen“ 
der Oberbegriff von Ehe- und Nebenfrauen. Darum ist dieser Vergleich wirklich 
schräg. Für Menschen, deren Spezialgebiet bibliothekarische Klassifikationen 
sind, dürfte das kein wirkliches Problem sein. Daran können auch juristische 
Tricks nichts ändern. Denn es ist auch unzweifelhaft, das Goethes Faust 
urheberrechtlich bei J. W. von Goethe bleibt, gleichgültig, ob er als 
Hörbuch, gedrucktes Buch, ASCII-Datei, PDF-Datei, als eBook oder in Stein 
gehauen erschienen ist, er ist von einem Urheber untrennbar als Buch 
konzipiert, und welcher Verlag welche Verwertungsrechte besitzt, ist zunächst 
zweitrangig. Es ist richtig, dass man den Faust auch verfilmen kann, und dass 
er dann nicht mehr als Buch, sondern als Film erscheint. Manchmal fragt man 
sich schon beim Theater, was da noch vom Faust übrig geblieben ist, aber das 
ist eine andere Frage, denn ein veränderter Text ist eine Verfälschung, und 
kann nur anhand des Originals überprüft werden. Darum war es von jeher 
Aufgabe der Bibliotheken, mit dazu beizutragen, dass Bücher, durch die 
Möglichkeit von Textvergleichen, möglichst authentisch erhalten bleiben. 
Ansonsten nennt man das dann künstlerische Freiheit, wenn Regisseure aus 
Faust ein Happening machen ;-) Die permanente Verwechslung von Urheber- mit 
Verwertungsrechten ist dabei sehr störend, auch wenn sie von einer gewissen 
Lobby verständlicherweise gewollt ist. Ansonsten erkennt man an dem enhanced 
Book, und daran, dass ein Buch, wie Goethes Faust beispielsweise als 
ASCII-Text plötzlich kein Buch mehr sein soll, dass die Verlagslobby hier 
schon recht gute Arbeit geleistet hat. Die ersten Digitalisierungen von 
Büchern, waren alle nur ASCII-Texte. Erst mit den Versuchen, die Bücher in 
elektronischer Form nicht mehr kopierbar zu machen, ihre Existenz also zu 
verknappen, und damit die Bibliotheken zu enteignen, kam das „enhanced“ mit 
ins Spiel. Denn im Prinzip kann man mit einem guten Retrieval- bzw. 
Textanalysesystem ein Buch als ASCII-Text viel besser analysieren und für die 
eigenen Belange aufbereiten, als es die e-Books ermöglichen.

Ich hätte gedacht, dass Informationsspezialisten auf diesen juristischen 
Trick mit der Dienstleistung bzw. Datei nicht hereinfallen. Wir wussten doch 
von Anfang an, dass eine Bibliografie als Datenbank auf einer Datei basiert, 
trotzdem bezeichnen noch etliche Verlage ihre Datenbanken als Bibliografien. 
Wir müssen klar unterscheiden zwischen der Information, die in einem System 
enthalten ist, und der Software, mit der wir diese Information analysieren 
bzw. aufbereiten. Beide haben eigene Autoren und eigene Urheber.

MfG

Walther Umstätter


Am 2015-04-30 07:54, schrieb Alexandra Jobmann:
Mmmmmh.
Rainer Kuhlen <rainer.kuhlen@xxxxxxxxxxxxxxx> wrote:

Sehe ich doch leicht anders - natürlich sind eBooks
Bücher.
Sind in Ihren Augen eBooks auch dann noch Bücher, wenn sie nur einen
geringen Teil Text enthalten und sonst Videos oder Audiofiles oder was
auch immer man sich noch vorstellen kann?
Ich dachte immer eBook steht für enhanced books und nicht für
electronic book.... Und das macht dann doch einen riesen Unterschied
aus und wir sind wieder dabei, eBooks als Dateien anzusehen.
Was sie meiner Meinung nach sind. Ein Textbook in ein PDF umzuwandeln
und online zu stellen macht für mich noch kein eBook aus. Und mit der
Buchpreisbindung für eBooks wird IMHO der jetzige Zustand dieses
Mediums
zementiert. Das sollten Informationsprofis eigentlich nicht unterstützen.
Viele Grüße
Alexandra Jobmann
--
Alexandra Jobmann
- Bibliotheksleiterin -
IPN - Leibniz-Institut für die
Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik
Olshausenstr. 62
24118 Kiel
Tel.: 0431-880-3105

-- 
http://www.inetbib.de


-- 
http://www.inetbib.de

Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.