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Re: [InetBib] Petition zur ZLB, Rolle der ekz und Outsourcing



Sehr geehrter Herr Maas,

in Ihrem Kommentar zur Petition gegen das Outsourcing-Vorhaben der ZLB--Führung [in INETBIB, ich leite hiermit auch an FORUMOEB] zu Gunsten der ekz bringen Sie Aspekte ein, die m.E. nur noch sehr wenig mit den dortigen Vorgängen zu tun haben sondern sehr allgemeiner, "bibliothekspolitischer" Natur sind. Zu einigen Punkten möchte ich Ihnen und dem Publikum gerne meine Sicht der Dinge darlegen und gerne zum Nachdenken und Widerspruch anregen:

Am 13.06.2015 um 10:16 schrieb Philipp Maass:
Aus meiner Erfahrung in Öffentlichen Bibliotheken (3 Jahre FAMI und 1 Jahr als
Kinder- und Jugendbibliothekar) weiß ich wie unzulänglich das Angebot der EKZ
seien kann. Das heißt nicht dass es schlecht ist. Es ist eines aus denen der
Bibliothekar auswählt um einen Bestand passend für sein Stadtgebiet zusammen zu
stellen.
Die ekz muss, um wirtschaftlich rentabel arbeiten zu können, vorkonfektionierte und normierte Produkte und Dienstleistungen mit einer mal mehr oder oder weniger großen Variationsbreite anbieten. Es liegt in der Natur der Sache, dass man damit nicht die Bedürfnisse mehrerer tausend, höchst unterschiedlicher Bibliotheken zur Gänze bedienen kann. Nicht ein mal die ekz selbst nimmt das an. Von sehr wenigen Extremfällen abgesehen geht sie immer davon aus, dass z.B. mit Standing Order (STO) und Fortsetzungen nur ein je nach Bibliotheksgröße und -typ variierender Anteil des Etats verausgabt wird. Und trotzdem reagiert sie zusätzlich noch auf sehr individuelle Anpassungswünsche an die STO, die in den Prospekten z.T. nur angerissen werden. Ich selbst würde das Angebot deshalb als "insgesamt sehr gut, aber natürlich nicht vollumfänglich den Bedarf deckend" bezeichnen. Davon abgesehen hindert niemand - bestenfalls eine Stadtverwaltung/der OB/der Kämmerer - eine Bibliotheksleitung daran, ihre Medien bei der ekz jenseits der von STO oder Fortsetzung (automatisch) "einzeln", wie im örtlichen Buchhandel zu beziehen, um jenseits der Lektoratsarbeit wenigstens von Bearbeitungsdienstleistungen zu profitieren.

Wenn sich die Berliner Konzeption in Kooperation mit der EKZ durchsetzen sollte
frage ich mich wozu man dann in Öffentlichen Bibliotheken überhaupt noch
BibliothekarInnen benötigt. Wenn die Medienauswahl outgesourct wird kann im
Kinder- und Jugendbereich ein MedienpädagogIn, im Bereich Finanzen ein BWLerIn
(Ob der dann für E9 zahlen dreht sei mal dahingestellt), für die Leitung ein
KulturmanagerIn etc. eingestellt werden. Ergänzend betreuen Spezialisten und
Nerds den Makerspace.
Ihre Darstellung empfinde ich als drastisch und verkürzend. Mir fallen spontan sehr viele Aufgaben für BibliothekarInnen vor Ort ein, die weder eine ekz noch ein anderer Dienstleister ersetzen könnten. Solche, die mangels Kapazität niemand anpacken kann, weil der Berufsalltag schon fordernd genug ist. Und selbst wenn es partiell so wäre, es spräche nichts dagegen, jeweils abzuwägen, ob ich eine Dienstleistung selbst erstellen oder einkaufen soll. Umgekehrt finde ich aber seltsam, wenn einige BibliothekarInnen immer noch den Anspruch haben "alles selbst" (und dann leider häufig schlechter) machen zu können. Der von Ihnen skizierte Fall, mit Spezialisten anderer Berufe zusammenzuarbeiten, kann sehr fruchtbar für die Bibl. sein, die Stärke liegt in der Vereinigung von unterschiedlichem Wissen, Fertigkeiten und Erfahrungshorizinten, auf den Personalmix kommt es an. Es spricht nichts dagegen, die von Ihnen genannten Personen in einer Bibliothek zu beschäftigen, wenn Sie umfassend geeignet, qualifiziert und lernwillig sind. Und sich zudem in einigen Belangen sicher besser auskennen, als vielleicht unsere "Allround-Bibls.". Geht es Ihnen um die Verteidigung eines Berufstandes durch Abschottung gegenüber anderen Berufsgruppen? Bringen Sie einer Bibliothekarin eigentlich leichter Medienpädagogik, Informatik oder Betriebswirtschaft bei, oder umgekehrt einem fachfremden Akademiker das "Bibliothekswesen" oder den "Bibliotheksbetrieb" (wie das übrigens bei WB-Bibls des höheren Dienstes der Fall ist)? Das ist in meinen Augen nur ein Ausspielen von Berufsgruppen gegeneinander, das sind doch alles gleichermaßen Menschen, die eine Arbeit suchen und sich sinnvoll einbringen können.
Katalogisiert wird ja oftmals gar nichts/wenig dank der
Fremddatenübernahme. Und wenn katalogisiert wird, dann nur lokal. Wieviele
Schüler würden von einer kooperativen Aufsatzkatalogisierung in Zeitschriften
wie GEO oder Zeit-Geschichte profitieren?
Ja, zum Glück werden Fremddaten übernommen, finden Sie das kritikwürdig? Oder wollen Sie weiterhin örtlich katalogisieren lassen, um damit Stellen künstlich zu erhalten? Die kooperative Aufsatzkatalogisierung (hieß in Offline-Zeiten mal "Zeitschriften-Dienst", ZD) könnte schon lange Realität sein, wenn sich Bibl. mit bibl. Institutionen darauf einigen könnten, deutschlandweit Ressourcen in einen Topf oder ein Netzwerk einzubringen, von dem dann alle profitieren könnten. Ich halte den Hinweis mancher auf die föderale Struktur nur für einen Vorwand (sie ist ein Hürde, sicher). WBs ist es auch gelungen, standortunabhängige Kataloge zu schaffen - mit entsprechenden Rationalisierungseffekten.

  Wenn ich als Bürger zu bestimmten
Theman belastbare Informationen brauche, würde ich mich über Dossiers in der
Bibliothek freuen, beispielsweise zum Thema "Isamlischer Staat" "Asylbewerber"
"Bau von unterirdischen Bahnhöfen" etc. Ein Blick zurück: Erinnert sei an Victor
Matejka und seine Pickbücher:
(http://www.univie.ac.at/zeitgeschichte/ogz/pdf/matejka_info.pdf) Das kann dann sowohl analog (datenschutz, bpsw. die Snowden-Commons als
gedrucktes Exemplar!) als auch digital sein. Ist aber wenig chic, kostet viel
Zeit und Mühe und bringt erst nach einiger Zeit Erträge.
Wo ist der/die BibliothekarIn? Was sind die Aufgaben? Was ist die Aufgabe der
Bibliothek in solchen Konzeptionen?
Ich finde das alles ebenso wichtig wie Sie und habe auch den idiellen Anspruch, dass AUCH DAS Aufgaben der Bibliotheken sein müssten. Die Arbeit daran müsste aber a) wieder ein mal koordiniert und kooperativ verlaufen (dass kostet auch nicht mehr Zeit und Mühe, als wenn hunderte ÖBs das gleiche Buch einarbeiten) und b) ist nach dem Verständnis vieler KollegInnen erst möglich, wenn andere Aufgaben nicht mehr belasten (man kann natürlich auch einfach fordern, mehr Personal einzustellen...). D.h. auch hier kann Rationalisierung in der Bibliothek bei "Standard"-Vorgängen dazu führen, Zeit und Energie für etwas anderes zu haben. Tolle Online-Dossiers, und zwar tw. ganz genau zu den von Ihnen genannten Themen finden Sie z.B. bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Ich hatte gestern eine Abiturientin, die wollte für die mündliche Prüfung etwas zu "Megacities" wissen. Angesichts des Material dort konnte unser Bibl. mit ihrem Printmedienbestand leider einpacken, sie hat die Hälfte der zuvor ausgesuchten Bücher wieder zurückgestellt und immerhin die andere Hälfte ausgeliehen. Durch meine Beratung habe ich zu einer Reduzierung der Ausleihzahlen beigetragen (für die Leserin "zum Glück", denn das hätte sie niemals alles zielgerichtet lesen können) und somit einen Frevel gegenüber dem "Götzen Ausleihzahlen" begangen ;-)

MfG

Martin Spieler
(von 02/2001 bis 04/2014 ekz-Mitarbeiter im Medien-Vertrieb, dadurch sicher geprägt, aber ganz sicher nicht voreingenommen oder parteiisch)

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