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Re: [InetBib] Was leisten Wissenschaftsverlage heute eigentlich noch?



Bibliometrie, Szientometrie oder auch Altmetrics wissenschaftlich betrieben, sind unverzichtbare Erkenntnisbereiche im modernen Knowledge Management, und ihre “Nicht-Erforschung” wäre zweifellos ein großer Fehler. Das Problem sind nur die Überschwemmung laienhafter Publikationen, und nicht weniger der Missbrauch durch Lobbyisten. Dagegen müssen sich die Information Professionals wehren. Ein klassischer Fall war, als E. Garfield den Journal Impact Factor (JIF) als Qualitätskriterium für Zeitschriften entwickelt hatte, erhöhten die Verlage die durchschnittliche Zahl an Zitäteanhängen von durchschnittlich 10 auf über 30, so dass die JIFs fast überall jährlich anstiegen, was nicht selten als Qualitätsverbesserung gewertet wurde, damit aber ebensowenig zu tun hat, wie das viel gepriesene “Peer Reviewed”, das meist nur dazu dient, die jeweiligen Zielgruppen von Zeitschriften nicht zu verärgern.

Viel zitiert zu werden bedeutet oft nur umstritten zu sein (s. Marx, Darwin, Einstein etc.), und wenn es E. Garfield gelungen ist aufzuzeigen, dass Nobelpreisträger oft zitierte Arbeiten publiziert haben, ist das weniger ein Zeichen von Qualität, sondern eher ein Zeichen dafür, dass man als Unbekannter kaum zu einem Nobelpreis gelangen kann.

Viel zitiert zu werden bedeutet Aufmerksamkeit erreicht zu haben, und das ist heute bedauerlicherweise auch in der Wissenschaft oft weit wichtiger als Qualität.

Die Frage: "Ist dieses Paper besser oder dieses?", kann nur beantwortet werden, wenn man beide sorgfältig und sachkundig liest und hinterfragt, das hat mit Altmetrics nichts zu tun.

MfG

Walther Unstätter


Am 2015-08-27 22:45, schrieb Mazarakis, Athanasios:
Guten Abend,

Ich bin selbst hin- und hergerissen: Einerseits glaube ich auch, dass
man den Verlagen mit der Erforschung von Altmetrics einen nützlichen
Dienst und den Wissenschaftlern einen Bärendienst erweist. Leicht zu
erreichende (und zu manipulierende?) Daten, die in die eine oder
andere Richtung interpretiert werden können. Einerseits.
Andererseits wäre es aber wohl vermessen zu denken, dass die
Nicht-Erforschung eines Feldes, dieses Problem lösen würde. Im
Gegenteil, die Wissenschaft (und damit auch die Wissenschaftler und
Wissenschaftlerinnen) müssen auf die entsprechenden Nachteile von
almetrischen Daten hinweisen und diese ebenfalls erforschen. Nur so
haben wir überhaupt den Hauch einer Chance, dem wissenschaftlichen
Credo gerecht zu werden, unabhängig welcher
wissenschaftsphilosophischen Richtung man angehört. Missbrauch wird
dies aber sicher auch nicht verhindern, aber vielleicht wenigstens
offenlegen.

Der Mensch (und damit auch die eben genannten Wissenschaftler und
Wissenschaftlerinnen) ist alles andere als unfehlbar. Peer Reviews,
H-Indizes und Journal Impact sollen diese Unfehlbarkeit durch
"objektive Daten" reduzieren. Das dies nicht geklappt hat, sieht man
ja an der Entstehung der Almetrics-Bewegung. Aber es wird halt noch
immer von den unterschiedlichsten Stakeholdern gefragt: Ist der oder
der besser? Ist dieses Paper besser oder dieses? Solange dieses Denken
in Benchmarkrelationen vorherrscht, wird sich meiner Meinung nach
nichts an den bestehenden Zuständen ändern (=weder verschlimmern, noch
verbessern).

Und ist es nicht ein besonderes Qualitätsmerkmal, wenn viele
Wissenschaftler einen Artikel zitieren? ;) (ja, dies ist eine
rhetorische Frage)

Mit besten Grüßen
Athanasios Mazarakis

--
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DR. ATHANASIOS MAZARAKIS
Postdoc at Kiel University
Web Science
 
ZBW – German National Library of Economics
Leibniz Information Centre for Economics
Düsternbrooker Weg 120
24105 Kiel
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-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag
von Walther Umstaetter
Gesendet: Donnerstag, 27. August 2015 19:39
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Was leisten Wissenschaftsverlage heute eigentlich noch?

Besten Dank für diesen Hinweis an Herren Wolf.
Bemerkenswert ist unter anderem der Satz: “Noch umgibt die großen
Marken ein Mythos von Qualität und Glaubwürdigkeit. Die Zukunft wird
zeigen, wie lange man daraus noch Profit schlagen kann,” denn es sind
die Wissenschaftler selbst, die den Mythos von Qualität und
Glaubwürdigkeit noch immer so hoch halten, und so tun als sei es
entscheidend in welch renommiertem Verlag mit welchem Impact Factor
jemand publiziert hat, anstatt die Qualität einer Publikation selbst
zu prüfen. Solange die meisten Wissenschaftler glauben, dass eine
Publikation bei Springer oder Elsevier qualifizierter ist als ein
Aufsatz, den der selbe Autor direkt ins Netz gestellt hat, ohne beide
wirklich gelesen zu haben, solange sind Bibliotheken gezwungen
überteuerte Produkte dieser Verlage für diese Wissenschaftler zu
erwerben, und so lange wird “der Gaul zu Tode geritten” - und das
schon seit einigen Jahrzehnten. Hinzu kommt, dass die Juristen diesen
Mythos durch ihre Rechtsprechung stützten, und das Verlagssterben so
zu verhindern versuchen - dabei aber die Digitale Bibliothek durch
Enteignung Opfern.

Die moderne Wissenschaft muss wieder Lernen Qualität inhaltlich,
sachlich zu bewerten, und die Verantwortung nicht länger auf
Zitationsraten, Peer Reviewer oder den Mythos der Verlage
abzuschieben.
So wichtig Zitationsraten für die Szientometrie waren und sind, ihre
Fehlinterpretation war von Anfang an ein Problem, und ihr Missbrauch
pflanzt sich in den Altmetrics weiter fort. Insbesondere dann, wenn
sich die Verlage selbst um ihre Altmtrics-Werte kümmrn. Um so
erfreulicher ist es, dass dazu immer mehr berechtigte Kritik laut
wird.

MfG

Walther Umstätter


Am 2015-08-26 16:12, schrieb Sebastian Wolf:
Hallo liebe Liste,

ein lesenswerter Erfahrungsbericht eines Wissenschaftlers mit dem
Springer-Verlag:
https://netzpolitik.org/2015/was-leisten-wissenschaftsverlage-heute-ei
gentlich-noch/

Irgendwo müssen Gewinnmargen von über 30%, die Elsevier, Springer und
Co. erzielen, ja herkommen.

Viele Grüße

Sebastian Wolf

--
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: Sebastian Wolf                                                 :
: Uni-Bibliothek Bielefeld, Abt. Elektronische Dienstleistungen  :
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