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Re: [InetBib] PokemonGo-freie Zone in Nordenham



Hallo in die Runde,

mal ganz ketzerisch gefragt:

Wieso wird hier und bei Facebook eigentlich so viel im Sinne der 
Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes argumentiert. Mir war schon bewusst, 
dass das angesichts des Kaufbuttons der Onleihe und Themen wie 
Bestsellerservice etc. eher ein Marketinggag ist, aber aktuell ist doch die 
offizielle Lesart des Bibliotheksverbandes, sie findet sich seit Jahren in 
beinahe jeder Zuschreibung, die Rolle Öffentlicher Bibliotheken als quasi 
letzter kommerzfreier Ort in der Kommune.

Bedauerlich sind bei dieser "Diskussion" insbesondere zwei Punkte:

1. Die Weigerung beinahe aller kommentierenden KollegInnen die Aktion im 
Kontext der lokalen Arbeit zu betrachten. Es herrscht offensichtlich die irrige 
Annahme, die Kommunikation zwischen einer Bibliothek und der Stadtgesellschaft 
beschränke sich auf Schilder an der Bibliothekstür und damit auch auf Bilder 
bei Facebook. Ein Blick auf die Homepage der Stadtbücherei Nordenham ordnet 
diese Aktion relativ sichtbar und einfach in einen lokalen Kontext bzw. in 
bereits bekannte Kommunikations- und Aktionsformen ein. So betrachtet bleibt es 
ganz sicher diskussionswürdig, war ebenso sicher nicht der einfachste Weg, und 
ist aber noch viel sicherer mit wesentlich weniger Hektik und Ablehnung zu 
betrachten.

2. Die gefühls- und marketingorientierte Sichtweise auf bibliothekarische 
Arbeit gewinnt weiter an Fahrt. Was sich hier erneut zeigt, ist die 
inhaltsleere Glückseeligkeitssucht des wahllos auf jeden Hype aufspringenden 
Bibliothekszirkusses. Die Überbetonung der Bibliothek als Treffpunkt und die 
damit verbundene Notwendigkeit Hypes nutzen zu müssen um sichtbar zu sein, ist 
dabei nur ein Aspekt. Mir ist aber offensichtlich der Teil der Fachdiskussion 
entgangen, der die zentrale Aufgabe der Vermittlung von Informationen als 
redundant erklärt hat. Die Annahme freie Zugänge zu Informationen würden 
ausreichen um Offenheit zu garantieren ist dabei ebenso überheblich und 
bildungsbürgerlich, wie es einst gute Literatur definierende BibliothekarInnen 
waren. Man kann Verantwortung, Kritik und Spaß gleichzeitig vermitteln und man 
darf gernen über den Hype hinaus Fachliteratur nutzen.

Festzuhalten bleibt: Nordenham hat es geschafft eine Diskussion zu vielen 
Punkten auszulösen, die angesichts der Form und des Inhalts der (Facebook-) 
Kommentare aus der Bibliothekswelt mehr über uns selbst aussagt, als über das 
Spiel. Aber es gab eine Diskussion. Ich werbe dafür sich ehrlich zu fragen, 
welche andere Bibliothek überhaupt eine Diskussion angestrengt hat. Auch die am 
Pokémon-Hype orientierte Handlungsempfehlung der Fachstelle aus NRW hat erst 
auf Nachfrage Links zu Datenschutz etc. betreffenden Seiten in ihren Artikel 
eingefügt. Es war also offensichtlich nicht mal Teil einer möglichen 
Handlungsstrategie.

Zum Abschluß noch die Frage: wie kommt man darauf die Erklärung einer Pokémon 
freien Zone als Ausschluß ganzer Zielgruppen zu werten? Die armen MusikerInnen, 
die beim Verbot von Handys in ihren Veranstaltungen quasi niemanden mehr 
erreicht. Ich empfehle da ein bisschen mehr Lockerheit.

Es ist nicht in Ordnung, als Bilbiothek unkritisch gesellschaftliche 
Entwicklungen zu begleiten. Wir können Standpunkte einnehmen und 
Diskussionsflächen bieten, also ein demokratischer Ort sein. Das macht uns 
durchaus angreifbar. Ist das ein Problem?

Peter Jobmann


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