[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: [InetBib] Kleiner aber feiner Nachtrag



Am 2017-05-20 00:33, schrieb Oliver Hinte via InetBib:
Es gibt Neuigkeiten in den Kapselschriften http://kapselschriften.blogspot.de/

Herzlichen Dank, für den feinen Nachtrag.

Ist der Satz: “Das primäre Geschäftsmodell von Zeitungen wird dadurch ernsthaft gefährdet.” ( https://pbs.twimg.com/media/DAGJLC5UMAU_UR5.jpg:large) nicht köstlich, wenn man das “dadurch” auf das Urheberrechts-Wissenschafts-Gesetz bezieht. Denn dieses "primäre Geschäftsmodell", bei dem Wert darauf gelegt wird, dass ein Leser eines bestimmten Beitrags immer auch die Werbung dazu kaufen muss, über die der Beitrag finanziert wurde, hat fast nichts mit den Verwertungsrechten des Beitrags und noch weniger mit dessen Urheberrechten zu tun. Dass das "primäre Geschäftsmodell von Zeitungen" seit Jahren in eine massive Krise geraten ist, hat einfache und bekannte Gründe. Es wurde vom privaten Fernsehen, von Youtube, Google, Amazon, den sozialen Netzwerken und vielen anderen (die auch ihre Urheberrechte einfordern) übernommen, und die haben so den Werbemarkt der gedruckten Zeitungen und Zeitschriften erheblich gemindert. Dabei hat die Digitalisierung für die Werbefachleute drei wichtige Vorteile: 1. Man wirbt verstärkt individuell für das, wofür die Leser bereits Interesse gezeigt haben. 2. Man zwingt die Leser immer öfter erst die Werbung zur Kenntnis zu nehmen, bevor diese an die eigentlich gewünschten Informationen gelangen
3. Man automatisiert marktanalytisch interessante Fragen.

Für uns Nutzer wird diese Werbung immer nervtötender, wenn wir merken, wie unser Verhalten mehr und mehr überwacht und gesteuert wird, wenn bei jeder neuen Internetseite die auf dem Bildschirm erscheint, zwei- oder mehrfach Werbung nachgeladen wird, und wir immer öfter zu Klicks gezwungen werden, die unserer Zeit kosten.

In gewisser Hinsicht ist auch die wiederholte Klage, über den Angriff auf die freie Presse köstlich, nachdem die schon seit Jahrzehnten durch das "primäre Geschäftsmodell" in bekannter Abhängigkeit von der jeweiligen Werbung und den Sponsoren steht. Ebenso köstlich ist auch die Kritik, dass so viele Informationen heute unentgeltlich verfügbar sind, obwohl gerade diese Kostenlosmentalität durch das "primäre Geschäftsmodell" der Zeitungen hervorgerufen wurde. Vermutlich haben sich schon etliche Insider über so manchen gutgläubigen Leser köstlich amüsiert, nur für die Printmedien ist es wirklich ernst und existenzbedrohend. Es hat aber trotzdem nichts mit dem Recht der Urheber geistigen Eigentums zu tun, denn auch von denen verlangen nun schon in der Wissenschaft immer mehr Verlage, dass sie zahlen, um im publish-or-perish nicht unterzugehen. Das eingeforderte Geld von den Informations- und Redundanzempfängern ist ja nur ein Zubrot, um den Eindruck zu erwecken, man habe als Leser seine Information auch bezahlt. Es soll sogar Menschen geben, die das glauben – nach dem Motto: Qualität hat ihren Preis. Auch hier kann man als Insider mit Jahrzehnte langer Erfahrung über den Witz nur lachen. Als würden Autoren beim primären Geschäftsmodell nach gelieferter Qualität bezahlt.

MfG

Walther Umstätter


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.