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[InetBib] Do Not Track



Aus https://netbib.hypotheses.org/78636676 "Von inetbib bis in die FAZ: Das 
Thema Überwachung der Wissenschaftler*innen":

Letzten Oktober fand auf inetbib [...] eine Debatte über das Tracking von 
Wissenschaftler*innen durch Verlage statt. Jetzt wurde das Thema in der FAZ 
in einem Artikel mit dem Titel „Auf einmal Laborratte“ aufgegriffen und 
ausgeführt.
https://zeitung.faz.net/faz/geisteswissenschaften/2020-12-02/auf-einmal-laborratte/539535.html?GEPC=s3

Abgesehen der Nachverfolgung über Web-Tracker auf den Verlagswebseiten - werden 
die Forschenden eventuell auch verlagsübergreifend über ihre Zugriffe via DOI 
verfolgt? Stehen die Zugriffe auf doi.org Forschenden für Analysen zur 
Verfügung? ("Users accessing this article, often also accessed the following 
ones ...") 

Sind Tracker neben mangelnder Barrierefreiheit/Auffindbarkeit und umständlichen 
Zugangs ein weiteres Argument für die Nutzung von Sci-Hub, selbst für die 
Bezahlkunden?

Do Not Track Me, Pretty Please.

On Thu, 22 Oct 2020 07:55:09 +0000, Siems, Renke via InetBib wrote:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

seitens der MPDL wird aktuell der Abschluss der Rahmenvereinbarung für einen 
Open Access-Transformationsvertrag mit Nature verkündet, was auf Twitter dann 
viele Anmerkungen vor allem zum Thema Kosten nach sich zog. Ich möchte gerne 
auf einen anderen Aspekt hinweisen, nämlich, welchen Dingen man schon jetzt 
begegnet, wenn man sich auf der Nature-Webseite bewegt. Als ich mir Ende 
August, also einige Zeit nach dem Schrems II-Urteil des EuGH, das letzte Mal 
die Seite näher ansah, waren dort folgende Tracker und verwandte 
Webtechnologien verankert:

Celtra
Usabilla
Google Tag Manager
Zemanta
Facebook Connect
ScoreCard Research Beacon
Google Analytics
AppNexus
Twitter Advertising
Permutive
Twitter Conversion Tracking
Facebook Custom Audience
Google Publisher Tags
Google Safeframe
Moat
Google Adsense
Google Ads Measurement
Amazon Associates
Rubikon
Amazon Mobile Ads
Rhythmone Beacon
Tradedesk
Adobe Audience Manager
Mediamath
Liveramp
Unruly Media
Yahoo Ad Manager Plus
DataXu
SiteScout
Simpli.fi
Turn Inc.
Rocket Fuel
Index Exchange
Yahoo Ad Exchange
Quantcast
Adition
MBR Targeting
Adform
Impresssion Desk
BidTheatre
Dotomi
Delta Projects
BlueKai
Beeswax
BidSwitch
OpenX
Teads
Bidtellect
Videology
MySpace
gumgum
AdGear
ScaleOut
Doubleverify
SpotXChange
PulsePoint
Tribal Fusion
Flashtalking
DoubleClick Spotlight
Advertising.com
Crimtan
Acuity Ads
Smart AdServer
The Reach Group
DoubleClick Floodlight
Affiliate Window
Atlas

Sie haben hier folglich das gleiche Potpourri an Third Parties wie bei 
Webseiten im frei zugänglichen Internet, die ihre Angebote über Werbetracking 
monetarisieren: einzelne Tracker, Audience Tools, die Informationen aus 
unterschiedlichsten Quellen gebündelt auswerten (und dafür mit vielen 
Partnern Daten austauschen), Real Time Bidding Data (also die 
Echtzeitversteigerung von Nutzerdaten) und Browser Fingerprinting, um 
Seitenbesucher zu identifizieren, die das durch ihre Browser-Einstellungen 
eigentlich unterbinden wollen.

Die eingesetzten Technologien sind in der Lage, jeden Seitenbesucher zu 
identifizieren und sein Informationsverhalten auszuwerten. Manche dieser 
Anbieter gehen dabei so weit, dass sie sich wie BlueKai (gehört zu Oracle) 
gegenwärtig Sammelklagen in den Niederlanden und Großbritannien 
gegenübersehen. Die Praxis personalisierter Werbung, die auf 
Echtzeitauktionen basiert, wird von der britischen Datenschutzbehörde 
mittlerweile als unvereinbar mit der DSGVO betrachtet. Anbieter wie 
Acxiom/liveramp sind wiederum seit Jahrzehnten im Geschäft und können daher 
für personalisierte Profilbildung auf Daten bis in analoge Zeiten 
zurückgreifen.

Für die Transformation des wissenschaftlichen Publikationswesens hin zu Open 
Access ist es wichtig, diese Entwicklung im Blick zu behalten. Der Einsatz 
dieser Technologien und deren Ergebnis wird durch eine Richtungsänderung der 
Zahlungsströme an sich erstmal nicht tangiert. Wir sehen seit Jahren eine 
Mutation der großen Verlage weg von einem Inhaltsanbieter zu einem data 
analytics business (das lässt sich in der „landscape analysis“ von SPARC 
komprimiert nachlesen) und manche werden sicher auch noch die Aussage des 
Marktführers im Ohr haben, zum „Betriebssystem der Wissenschaft“ werden zu 
wollen. Je nach eigener Meinung kann man das unterschiedlich wahrnehmen, auf 
den Einsatz von ThreatMetrix auf der Plattform ScienceDirect wurde hier auf 
der Liste ja auch gerade hingewiesen. Die Verlage bringen in diesem Kontext 
momentan gerne das Argument von der IT-Sicherheit und dem Schutz der 
Bibliotheksnutzer vor, gerade mit Verweis auf die böse Plattform aus dem 
Osten. Wenn m
 an sich aber das Spiel erlaubt, den gleichen Artikel auf der Nature-Webseite 
und auf der Webseite der Frau-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf aufzurufen, 
so findet man bei Nature eben die Liste oben und auf der anderen Plattform 
Yandex Metrics, einem Pendant zu Google Analytics. Das Spiel geht also mit dem 
Endergebnis 73:1 aus, und da kann sich jede*r selbst seinen Reim auf das Thema 
Nutzerdatenschutz machen.

Es wäre daher gut, wenn die Kolleg*innen der MPDL bei den in Aussicht 
gestellten Detailinformationen auch genau darüber unterrichten, was die 
getroffenen Vereinbarungen im Bereich User Tracking und Datenschutz generell 
sind. Schließlich sind das ja alles keine neuen Erkenntnisse, sondern war 
auch schon zur Zeit der Verhandlungen des Springer-DEAL-Vertrags bekannt. Es 
wird gerade die Wissenschaftler*innen, die in patent-relevanten 
Forschungsbereichen aktiv sind oder generell in Bereichen, wo es eine starke 
Konkurrenz zwischen öffentlicher und kommerzieller Forschung gibt wie KI, 
personalisierte Medizin oder Materialwissenschaften, sicher interessieren, 
wer in welcher Form ihr Informationsverhalten beobachtet und wo die Daten 
dann überall hingehen. Ebenso möchten die Einrichtungen, die dem 
Nature-Vertrag beitreten wollen, vielleicht sicher sein, dass sie damit nicht 
einem neuen double dipping Vorschub leisten, worin Autoren mit APCs bezahlen 
und Leser mit der Preisgabe ihrer pe
 rsönlichen Daten. Wir wollen alle Open Access unterstützen, aber vielleicht 
nicht gerade solche Dinge.

Wer sich mit der Thematik etwas mehr auseinandersetzen möchte, hier ein paar 
Links:

https://www.codyh.com/writing/tracking.html
https://www.youtube.com/watch?v=uAzt-iJEkvU&feature=youtu.be
http://www.inthelibrarywiththeleadpipe.org/2019/ice-surveillance/
https://twitter.com/WolfieChristl/status/1286341387718397952

Viele Grüsse von R. Siems



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.