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[InetBib] Netzwerktreffen: Umwege, Auswege, Sackgassen? Karriereverläufe von Gelehrten um 1700



Netzwerktreffen: Umwege, Auswege, Sackgassen? Karriereverläufe von Gelehrten um 
1700

Veranstalter: Forschungsbibliothek Gotha
Leitung: Jacob Schilling
Tagungsort: Forschungszentrum Gotha, Vortragssaal
Datum: 28.04.2022; 9-16 Uhr

Das Netzwerktreffen fokussiert Brüche in den Biographien von gelehrten 
Politikern oder politisch aktiven Gelehrten in der Frühen Neuzeit. Die 
Forschung hat zuletzt mit quantitativen Methoden deren Karrieremuster in der 
Frühen Neuzeit offengelegt.[1] Das Treffen soll dagegen laufende oder kürzlich 
abgeschlossene Forschungsvorhaben aus dem Bereich der Wissensgeschichte 
zusammenführen, die am Einzelfall die Gründe für solche Karriereverläufe 
untersuchen und zugleich die biographischen, habituellen, aber auch 
ökonomischen Implikationen eines solchen Lebenseinschnittes betrachten.

Zu Beginn des Treffens soll am Beispiel Veit Ludwig von Seckendorffs 
(1626*1692) in das Thema eingeführt werden. Seckendorff hat sich in den 
Vorworten seiner Bücher vielfach zum spannungsvollen Verhältnis von Hof- und 
Staatsdienst einerseits und gelehrter Beschäftigung anderseits geäußert. Ein 
Blick in seine Korrespondenz offenbart bei ihm und einigen seiner Kollegen ein 
Streben nach Rückzug aus dem politischen Tagesgeschäft, um sich endlich 
gelehrtem - vor allem aber - selbstbestimmtem Tun zuzuwenden. Otto Brunner 
("Adeliges Landleben und Europäischer Geist") sah im Beispiel Seckendorffs 
einen Akt der Widerständigkeit des nichtdomestizierten Adels, der sich im 
Rückzug auf eine gelehrte Existenz der Integration in den Staat entzieht. 
Einige Quellenbeispiele aus dieser Korrespondenz Seckendorffs sollen auf dem 
Treffen vorgestellt werden. Ausgehend von Seckendorff sollen vergleichbare, 
aber auch anders facettierte oder sogar kontrastierende Beispiele vorgestellt 
werden.

Dabei stehen drei Perspektiven im Mittelpunkt. Zum einen soll es um mögliche 
Gründe für solche Brüche in den Karriereverläufen gehen. Zugleich soll dabei 
auch betrachtet werden, wie und ob ein solcher Rollenwechsel reflektiert und 
gegebenenfalls symbolisch und kommunikativ repräsentiert wird: Als Befreiung 
von höfischen Zwängen; als Chance, Gelehrsamkeit zum Beruf zu machen; 
Gelehrsamkeit als letzter Ausweg; oder gar als Hinwendung zu Politik und Hof. 
Im katholischen Bereich kommt eine Karriere als Geistlicher dazu, die aus 
verschiedenen Gründen nicht gelingt und daher zu einer Umorientierung zwingt.
Zum anderen soll im Rahmen des Workshops analysiert werden, wie das Verhältnis 
zwischen politisch/staatlicher und gelehrt/privater Sphäre ausgehandelt wird. 
Am Beispiel Seckendorffs lassen sich auf der praktischen Ebene sehr gut die 
begrenzenden, aber eben auch begünstigenden Chancen von Hofnähe illustrieren. 
Durch das Bemühen um Patronage sowie praktische Erfordernisse wie etwa der 
Zugang zu Archiven werden die Gegensätze zwischen Hof und gelehrter Praxis 
vielfach wieder aufgeweicht.
Damit ist zum dritten der (wissens-)ökonomische Aspekt von Karrieren 
angesprochen. Seckendorff war in der privilegierten Position, die Bedingungen 
seines Ausscheidens aus dem Dienst selbst bestimmen zu können. Nicht jeder kann 
den Verlust einer Pfründe, einer Professur oder eines Hofamtes gleichermaßen 
kompensieren.

Das Netzwerktreffen soll anhand dieses Fragenkatalogs laufende 
Forschungsarbeiten zur Wissensgeschichte der Frühen Neuzeit zur Diskussion 
stellen und zum komparatistischen Austausch über wissensökonomische und 
praxeologische Ansätze auf diesem Gebiet anregen. Zugleich ist das Treffen eine 
Vorbereitung auf die interdisziplinäre Tagung "Veit Ludwig von Seckendorff. 
Politik, Gelehrsamkeit und Adel im 17. Jahrhundert" vom 01. bis 03. März 2023.
Nach der Mittagspause ist eine Vorstellung von Korrespondenzen und 
Lebenszeugnissen Seckendorffs in den Räumen der Bibliothek vorgesehen.

Pro Beitrag sind 30 Minuten Redezeit und 30 Minuten Diskussion vorgesehen.
Interessierte sind zur Diskussion herzlich eingeladen. Da die Teilnehmerzahl 
pandemiebedingt auf 25 Personen begrenzt ist, wird im Hinblick auf die 
Corona-Maßnahmen der Universität Erfurt um Anmeldung gebeten.
Kontakt: Jacob Schilling, wissenschaftlicher Bearbeiter des Projekts 
"Erschließung der Korrespondenz und der Lebenszeugnisse Veit Ludwig von 
Seckendorffs" (Email: jacob.schilling@xxxxxxxxxxxxx)
https://www.uni-erfurt.de/forschungsbibliothek-gotha/bibliothek/kontakt-und-ansprechpartnerinnen/ansprechpartnerinnen/dr-cand-jacob-schilling


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[1] https://www.hab.de/professorale-karrieremuster-der-fruehen-neuzeit/

Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.