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[InetBib] Call for Papers: Über Stammbücher schreiben (Wolfenbüttel, 23.-24.03.2023)



Über Stammbücher schreiben. Stand und Perspektiven der Erschließung und 
Erforschung von Freundschaftsbüchern (16.-19. Jahrhundert)
Tagung vom 23.-24. März 2023 an der Herzog August Bibliothek und am 
Niedersächsischen Landesarchiv in Wolfenbüttel

Seit den 1980er Jahren werden Stamm- oder Freundschaftsbücher systematisch 
tiefenerschlossen und erfreuen sich gesteigerter Forschungsaufmerksamkeit. Eine 
epochen- und disziplinenübergreifende Synopse, welche diese Textgattung im 
Lichte neuerer Projekte und Erkenntnisse beleuchtet, steht allerdings aus. Die 
geplante Tagung will daher Ergebnisse und Perspektiven der Erforschung und 
Erschließung von Stammbüchern zusammenzuführen.

Tagungskonzept:
Stamm- oder Freundschaftsbücher entstanden aus dem Bedürfnis Wittenberger 
Studenten, eigenhändige Widmungen der Reformatoren zu sammeln, um sich als 
deren Schüler kenntlich machen zu können. Im Laufe der Frühen Neuzeit weitete 
sich diese Praxis zu Büchern aus, in denen insbesondere Studenten und Adlige 
auf Reisen Einträge von Kommilitonen, Professoren, Honoratioren, Machthabern 
und sonstigen Bekanntschaften sammelten. Zunehmend führten aber auch Frauen, 
Offiziere, Künstler, Musiker, Handwerker und Besitzer von gelehrten Sammlungen 
Stammbücher, wobei in Form und Inhalt der Einträge jeweils eine gruppen- oder 
milieuspezifische Praxis zum Tragen kommt. Die vielsprachigen, oftmals 
kunstvoll ausgestalteten und reich illustrierten Freundschaftsalben wurden zu 
selbstrepräsentativen und memorialen Zwecken angelegt, sollten aber auch 
Beziehungsnetzwerke veranschaulichen und als Empfehlungsschreiben dienen. 
Die Erschließung und Bereitstellung von Stammbüchern ist komplex und 
zeitintensiv. Ihre Strukturierung in einzelne Notate verlangt eine aufwendige 
Einzelblatterschließung, idealerweise angereichert mit Normdaten. Der 
technische Fortschritt eröffnet neue Möglichkeiten: Wurde früher eine 
Faksimile-Edition favorisiert, um ikonografische Eigenheiten abzubilden, bietet 
sich heute eine vollständige Digitalisierung an. Durch Text- und 
Bilderkennungsprogramme stehen zudem neue Ansätze der Erschließung zur 
Verfügung. Ein spartenübergreifender Austausch zur Erschließung und 
Bereitstellung von Stammbüchern hat in Hinblick auf diese Möglichkeiten und 
Anforderungen bislang aber noch nicht stattgefunden, da Stammbücher vornehmlich 
von Bibliotheken erschlossen werden, obwohl sie in großer Zahl auch in Archiven 
und Museen zu finden sind. Letztere Einrichtungen haben den 
Freundschaftsbüchern bisher verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit geschenkt und 
bis dato weder eigene Erschließungsstandards erarbeitet, noch ihre spezifischen 
Arbeitsweisen und ihr institutionelles Potenzial in die Fachdiskussion 
miteingebracht. Gerade die Relation zu Archivgut sowie die Querverbindungen zu 
dort verwahrten Quellengattungen und Beständen können aber völlig neue Zugänge 
zum Verständnis und der Ausdeutung von Freundschaftsbüchern schaffen. 
Ihre komplexe Deutungsoffenheit, ihr hoher Quellenwert und ihre visuelle 
Attraktivität haben die Stammbücher seit dem späten 19. Jahrhundert zu einem 
vielbeachteten Untersuchungsgegenstand avancieren lassen. Seit den 1980er 
Jahren ist eine bislang ungebrochene Forschungskonjunktur festzustellen, die 
sich ebenso in einer breiten Erschließung der vorhandenen Bestände 
manifestiert, wie sie umgekehrt von dieser befördert wird. Die Anlage von 
Datenbanken und die fortschreitende Digitalisierung von Freundschaftsbüchern 
ermöglichen der Forschung inzwischen einen breiten Zugriff auf das Material. 
Gleichwohl werden die Stammbücher noch allzu selten vertieft ausgewertet und in 
Relation zu anderen Quellengattungen gesetzt. An prinzipiellem Interesse 
mangelt es dabei nicht: Stammbücher stehen zwischen den traditionellen 
Fächerkanones verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, ihre Erforschung 
konstituiert ein transdisziplinäres Arbeitsfeld. Während sich vorrangig die 
Germanistik mit Stammbüchern als literarischer Gattung sui generis befasst, 
nutzen insbesondere die Geschichtswissenschaft, die Theologie, die 
Neulatinistik, die Kunstgeschichte, die Musikwissenschaft, die 
Medizingeschichte und die Philosophie dieses Sammelmedium als wichtige 
historische Quelle. Eine Gesamtschau, die leitlinienhaft Ergebnisse und 
Perspektiven dieses heterogenen Forschungsfeldes zusammenführt, steht 
allerdings aus. Diese Lücke will die geplante Wolfenbütteler Tagung schließen. 
Zudem soll ein Impuls zur weiteren Erschließung und Erforschung dieser 
Textgattung gesetzt werden.
Mit der Herzog August Bibliothek (HAB) und dem Niedersächsischen Landesarchiv 
(NLA) existieren in Wolfenbüttel zwei Institutionen mit herausragenden 
Stammbuchsammlungen, welche beide im Rahmen von DFG-Projekten zeitlich parallel 
erschlossen, digitalisiert und beforscht werden. Unter den gut 100 
Freundschaftsbüchern der HAB befindet sich mit dem „Großen Stammbuch“ des 
Philipp Hainhofer ein eminentes Glanzstück, welches womöglich das bedeutendste 
Exemplar der gesamten Gattung markiert. Das NLA verwahrt in der Abteilung 
Wolfenbüttel mit über 300 Stammbüchern die größte Sammlung in Niedersachsen, 
die zudem mit dem nördlichen Deutschland und der Universität Helmstedt sowie 
etwa einer Vielzahl weiblicher Stammbuchhalter besondere Schwerpunkte 
aufzuweisen hat. Bei ihrer Erschließung und Digitalisierung handelt es sich um 
das erste archivische Projekt seiner Art. Beide Institutionen möchten ihre 
Stammbuchsammlungen im Rahmen der Tagung einer Fachöffentlichkeit vorstellen. 

Mögliche Fragestellungen:
Entsprechend der doppelten Ausrichtung der Tagung richtet sich die 
Ausschreibung gleichermaßen an Vertreter*innen der Wissenschaftsinfrastruktur 
(Archive, Bibliotheken, Museen, private Sammlungen), die Stammbücher verwahren 
und erschließen, und an Forschende der oben aufgeführten 
Wissenschaftsdisziplinen. Mögliche Fragestellungen könnten etwa sein:
Überlieferung, Erschließung und erschließungsgebundene Forschungsperspektiven
1) Provenienz: In welchem Verhältnis steht die private und öffentliche 
Überlieferung von Stammbüchern? Welche Intention hatten und haben Sammlungen in 
staatlichen Institutionen? 
2) Erschließungsstandards und -praxis: Wie werden Stammbücher in Archiven, 
Bibliotheken und Museen jeweils erschlossen oder wie sollten sie idealerweise 
erschlossen werden? 
3) Digitalisierung als Paradigmenwechsel: Welchen Stellenwert nehmen bei der 
Erschließung die Digitalisierung, die Anreicherung mit Normdaten und Text- oder 
Bilderkennungsprogramme ein? 
4) Neue Möglichkeiten der Kooperation: Welche Portale und Austauschformate 
eignen sich für Erschließungsdaten von Stammbüchern? Welche Kooperationsformen 
zwischen den verschiedenen Zweigen der Wissenschaftsinfrastruktur bieten sich 
an?
5) Institutionen und Forschungsperspektiven: Welche Forschungs- und 
Deutungsmöglichkeiten erfährt das Stammbuch eingebunden im Archiv und als 
archivalische Quelle? Welche als Museumsgut? Wie können Bestände dieser 
Einrichtungen umgekehrt der Stammbuchforschung neue Impulse geben?
Bedeutung des Stammbuchs für die wissenschaftliche Forschung
6) Forschungsstand: Welche neueren Forschungsansätze existieren in anderen 
Wissenschaftsdisziplinen zum oder unter Rückgriff auf das Stammbuch? Welche 
konkreten Forschungsfelder eröffnen die beiden Wolfenbütteler 
Stammbuchsammlungen? Welche Forschungsprojekte können an diese anknüpfen?
7) Pragmatik: Welche Rezeption erlangten Stammbücher im privaten und 
öffentlichen Umfeld der Stammbuchhalter? Wie wurden sie von ihren Halter*innen 
lebenspraktisch verwendet?
8) Form- und Mediengeschichte des Stammbuchs: Welche zeitgenössischen 
Begrifflichkeiten wurden zur Beschreibung des Stammbuchs verwendet und 
wandelten sich diese ggf. im Laufe der Jahrhunderte? Wie lässt sich die mediale 
Hybridität des Stammbuchs beschreiben (Diversität der Notationsformen Text, 
Bild und Musiknotation; Mit-, In- und Gegeneinander von Handschrift und Druck; 
Diversität der Materialität etc.). Lassen sich die einzelnen Subgattungen des 
Stammbuchs, etwa unter Rückgriff auf archivalische Quellen, genauer bestimmen?
9) Stammbücher als historische Quellen: Welche Bedeutung erlangen die in den 
Stammbüchern greifbaren Netzwerke jenseits der Freundschaftsbücher? Welche 
biographischen Informationen teilen Stammbücher über deren Halter*innen und 
ihre Einträger*innen mit?
10) Inter- und Transdisziplinarität der Stammbuchforschung: Was ist das 
Besondere der Einträge in Stammbüchern aus philologischer, theologischer, 
philosophischer, kunsthistorischer oder musikwissenschaftlicher Sicht?
11) Stammbuchforschung unter Genderaspekten: Gibt es gruppen- oder 
geschlechtsspezifische Formen der Einträge?
Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch.
Organisatorisches:
Die Tagung wird von zwei Institutionen ausgerichtet und soll folglich 
alternierend an zwei Orten in Wolfenbüttel stattfinden. Veranstaltungsort des 
ersten Tages, inklusive eines öffentlichen Abendvortrages, ist die Herzog 
August Bibliothek, während das Niedersächsische Landesarchiv, Abteilung 
Wolfenbüttel, inklusive einer Aus- und Vorstellung der Stammbuchsammlung, 
Schauplatz des zweiten Tages sein wird. Auch Dank der finanziellen 
Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft können die Veranstalter für 
die Kosten von Reise und Unterkunft sowie für die Verpflegung aufkommen. Die 
Tagungsbeiträge sollen in der Reihe „Veröffentlichungen des Niedersächsischen 
Landesarchivs“ publiziert werden.

Abstracts von max. 3000 Zeichen mit einem kurzen Lebenslauf werden bis zum 31. 
März 2022 per-E-Mail erbeten an: 
forschung@xxxxxx  und Philip.Haas@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx




--
Dr. Sven Limbeck, Stellv. Leiter der Abteilung Handschriften und 
Sondersammlungen, Musiksammlung

Herzog August Bibliothek, Lessingplatz 1   38304 Wolfenbüttel   Tel. +49 5331 
808-123
im Homeoffice +49 5331 703 20 39





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