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Re: Symposion zum Informationsbegriff



Sehr geehrter Herr Prof. Umstaetter,

erlauben Sie mir einen kleinen persoenlichen Zwischenruf in Ihrer
Debatte mit Herrn Jochum. Ich sehe nicht, dass der Einwand, den Sie
gegen Herrn Jochum vorbringen, etwas austraegt, ja, man kann sich des
Eindrucks nicht erwehren, dass es sich um eine, wie die Alten es
nannten, cavillatio verborum handelt. Mir ist die Rede von Herrn
Jochum durchaus verstaendlich. Definitorisch zu klaeren ist dagegen
die Sache auch nicht so ohne weiteres. Problematisch wird es sicher
beim Wissensbegriff; Sie selbst haben sich - "wissentlich" ;-) oder
unwissentlich - ja bereits darin verstrickt, wenn Sie fordern, der
Bibliothekar muesse Wissen und Information sachgerecht behandeln. Was
aber soll das sein, "Wissen sachgerecht behandeln"? Den Gegenstand,
der gewusst ist, sachgerecht behandeln, bedeutet, dasjenige, was ist,
zu wissen, mit anderen Worten: die Wahrheit (so die klassische
Variante: das Seiende zu wissen). Was aber charakterisiert dann das
Wissen, was macht das Wissen zum Wissen im Unterschied zum blossen
Meinen? Ich erspare Ihnen den weiteren Gang, sondern empfehle zur
weiteren Lektuere Platos Theaitetos.

Als Arbeitshypothese finde ich die Rede von Metapher
ausgesprochen geglueckt, und zwar im Sinne eines "als ob". Herr
Jochum deutet hier auf einen Zug unserer Zeit, demzufolge Wissen
erstens mit Information verwechselt, zweitens nicht mehr fuer das
Subjekt auf seine Wahrheitsfunktion hin problematisiert wird. Wir
managen Wissen, "als ob" wir wuessten. Man koennte es auch die
Technizitaet des Wissens nennen. Und so brauchen wir in der Tat
Wissenschaft. Aber welche Wissenschaft?

Ich denke, dass vor diesem Hintergrund die Diskussion sehr an
Schaerfe gewinnt, weil es hier um zentrale Begriffe unseres
beruflichen Selbstverstaendnisses geht. Es waere, glaube ich, schon
ein Erfolg, wenn man der Problematik solcher Begriffe wie "Wissen"
oder "Wissensgesellschaft" und ihrer offensichtlichen
Verschlissenheit in ihrem heutigen Gebrauch inne wuerde.

Mit freundlichen Gruessen,
Ihr
Th. Staecker


> Sehr geehrter Herr Dr. Jochum,
>
> Sie schreiben:
> > Wissen und Information sind zu zentralen Metaphern in der Beschreibung
> > gesellschaftlicher (Zukunfts-) Prozesse geworden, ohne daß doch klar
> > wäre, was unter diesen Metaphern eigentlich zu verstehen sei.
>
> ist das mit den "zentralen Metaphern" als Grundlage für das Symposium
> gedacht oder Ihre weiterhin vertretene persönliche Meinung dazu? Daraus
> ergibt sich die Frage, ob auf diesem Symposium über die Begriffe:
> Information und Wissen, oder wirklich nur über Information und Wissen im
> übertragenen Sinne diskutiert werden soll? In letzterem Falle verstehe ich
> auch Ihre Behauptung: "ohne daß doch klar wäre, was unter diesen Metaphern
> eigentlich zu verstehen sei".
>
> Ich halte es, wie Sie wissen, für die Berufsbereiche in denen
> Informationsspezialisten tätig sind (Archiv, Bivbiothek, Dokumentation),
> allerdings für gefährlich, wenn diese Information und Wissen nicht
> sachgerecht behandeln würden, sondern nur als "Metaphern in der Beschreibung
> gesellschaftlicher (Zukunfts-) Prozesse".
>
> Damit wir uns nicht falsch verstehen, es kann wohl als gesichert angesehen
> werden, dass die Wissenschaftsgesellschaft (eine Wissensgesllschaft haben
> wir meines Erachtens schon deshalb nicht, weil wir relativ wenig Wissen
> haben - gerade darum brauchen wir ja die Wissenschaft) nicht ohne
> Information und Wissen existieren kann. Wir brauch aber Wissen und
> Information nicht nur zur Beschreibung gesellschaftlicher (Zukunfts-)
> Prozesse.
>
> Ich denke, dass die Klarstellung dieser Fragen für Teilnehmer wichtig ist.
>
> MfG
>
> Umstätter
>
>
>
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Dr. Thomas Staecker (Leiter Abteilung Alte Drucke)
Herzog August Bibliothek - Postfach 1364 - 38299 Wolfenbuettel
Tel. +49(0)5331/808-119 - Email: staecker _at__ hab.de
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