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Re: [InetBib] Frage zu Hybridpublikationen



Lieber Herr Ulmer
ich will nicht im Detail auf Ihre Aussagen antworten, da Sie mir ja 
schon bescheinigt haben, dass ich vom Verlagswesen nichts verstehe. Aber 
Sie scheinen bei Ihrer letzten "Hochrechnung" den entscheidenden Fehler 
zu machen, den auch die Musikindustrie gemacht hatte, als sie die 
verkauften Leerdisketten bzw. dann CD-Roms/DVDs als Hinweis auf 
ansonsten verkaufbare Musikprodukte  genommen hatte. Die MI hat 
begonnen, aus ihren Fehlern zu lernen.
Ich hoffe, Sie tun das auch noch. Ansonsten wird Ihnen das 
Dinosaurier-Schicksal nicht erspart bleiben (nicht Ihnen persönlich, 
aber den auf ihre proprietären Rechte beharrenden Verleger). Ich bekomme 
weiter von deutschen Verlegern Verträge geschickt, auf Grund deren ich 
sämtliche Rechte (wie konstruiert die auch sein mögen)abtreten soll, 
obwohl es doch nur darum geht, ein  Buch zu publizieren.
Ich kann bei dem Stand meiner Karriere dann gut auf die Publkation 
verzichten, aber unsere jüngeren Wissenschaftler werden schlicht damit 
erpresst. Bauen Sie vernünftige Modelle - dann werden Sie weiter 
verdienen können un d nicht indem Sie sich an der Zahl der verkauften 
Kopien orientieren. Aber das ist ja wieder ein Ratschlag von jemand, der 
von dem Verlagswesen keine Ahnung hat. Vielleicht ist das jedoch der Weg 
- Google hatte auch keine Ahnung von Verlagswesen - aber hat viele und 
vieles von alten Klamotten befreit. Innovationn geschehen eben nicht auf 
den ahnungsreichen alten Pfaden.
RK

Matthias Ulmer schrieb:
Lieber Herr Müller,

Ihre Aussage ist ein Musterbeispiel für die von mir als wohlfeil  
bezeichneten Ratschläge aus der dritten Reihe.

Sie kaufen Kuhlens Buch, obwohl sie es als PDF haben. Und daraus  
machen sie einen Trend. Und in der Musik läufts doch genau so. Und  
weil die Verleger das nicht sehen bezeichnen Sie die als nicht  
innovativ, nicht kühn, ohne Visionen, Kleingeister und ewig Gestrige.  
(Alles Ihre Worte).

Es ist, als hätten Sie meine Mail vorhin einfach nicht gelesen.

Um sachlich zu bleiben:
Wie hoch ist die Druckauflage von Kuhlen?
Wie viele Ex wurden bisher verkauft?
Wie viele heruntergeladen?
Das wären doch entscheidende Informationen um die Frage der  
Verdrängung der Ausgaben zu diskutieren. Vielleicht werden zwar auch  
gedruckte Exemplare gekauft, ohne der elektronischen kostenlosen wären  
es womöglich aber 2000 statt 200 gewesen?!

Gruss
Matthias Ulmer



Am 05.08.2009 um 10:34 schrieb "Müller, Harald" <hmueller@xxxxxxx>:

Lieber Herr Ulmer!

Sie werden mir mit Recht sofort den Vorwurf machen "Eine Schwalbe  
macht noch
keinen Sommer". Aber das letzte Buch von Rainer Kuhlen:

Erfolgreiches Scheitern - eine Götterdämmerung des Urheberrechts? /  
Rainer
Kuhlen. - 1. Aufl.. - Boizenburg : Hülsbusch, 2008. - 641 S. - ISBN:
978-3-940317-21-6 - ISBN: 3-940317-21-7 - (Schriften zur
Informationswissenschaft ; Bd. 48)

wird sowohl als Hardcover verkauft, als auch als PDF zum kostenlosen  
Download
angeboten. Natürlich habe ich mir das PDF heruntergeladen. Für eine  
sorgfältige,
wissenschaftliche Durcharbeitung ist aber die Druckversion  
unverzichtbar. Nach
mir vorliegenden Informationen verkauft sich das Buch in einer für e 
in
wissenschaftliches Werk sehr erfreulichen Höhe (Beweis: KVK-Abfrage).

Nochmal: Ein einzelnes Beispiel beweist noch gar nichts. Aber ein  
Trend ist
nicht zu leugnen: Der Publikationsmarkt verändert sich genauso wie z 
.B. der
Musikmarkt. Ich kenne selbst mehrere Leute, die mit Musik gutes Geld  
verdienen.
Das läuft aber nicht mehr über die großen Musikkonzerne. Deren  
Manager haben vor
Jahren den Trend nicht erkannt und sitzen heute auf der Strasse. Der  
Kunde, der
Konsument entscheidet, wofür er sein Geld ausgibt, und nicht der Anb 
ieter.
Meines Erachtens mangelt es der deutschen Verlagswirtschaft an  
Leuten mit
innovativen, kühnen Ideen. Wie man es macht, haben in den letzten 30 
 Jahren
Microsoft, Apple, Google, YouTube, Facebook etc. vorgemacht. Wo sind  
bei uns die
Leute mit den gleichen Fähigkeiten und Visionen? Ich sehe nur Kleing 
eister, die
mit aller Kraft versuchen, am Gestrigen festzuhalten.

Trotzdem nicht ohne Hoffnung grüßt

--
Dr. Harald Müller


-----Original Message-----
From: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] On Behalf Of Matthias  
Ulmer
Sent: Wednesday, August 05, 2009 9:58 AM
To: Internet in Bibliotheken
Subject: Re: [InetBib] Frage zu Hybridpublikationen

Lieber Herr Kohle,

Die Frage, welche Auswirkung Onlinepublikationen auf den Print-Absatz
haben ist eben nicht so leicht zu beantworten.
Zunächst einmal gibt es noch nicht so viele Erfahrungen, dass man
klare Aussagen machen könnte.
Dann fallen die Antworten ganz sicher unterschiedlich aus, je nachdem
ob es sich um einen Roman, einen Reiseführer, ein Schulbuch, eine
Monografie etc handelt.
Und zusätzlich wird das Ergebnis davon abhängen, ob es sich um eine
Neuerscheinung handelt, der Titel ein Jahr alt ist, bereits als
Taschenbuch vorliegt oder zum ominösen Long tail gehört.

Wer in der komplexen Fragestellung mit Aussagen kommt wie: in den USA
gibts einen Verlag, der zeigt, dass es geht und überhaupt habe ich a 
uf
meiner Website 18 Links zu Aussagen, die irgendwas beweisen... der
macht sich die Dinge zu leicht.

Ich nenne Ihnen mal drei Beispiele: UVK veröffentlicht ein Fachbuch
parallel zum kostenlosen Onlinelesen und hofft dadurch auf steigende
Printerlöse. Die ersten Zahlen sind positiv.
Ein Prof stellt sein Lehrbuch an seiner Uni auf den Server und die
Verkaufszahlen in der Stadt gehen auf Null runter. Das Buch ist tot,
eine Neuauflage wird es nicht geben.
Ein Verlag bietet seine Lehrbücher als E-Books an der Bibliothek an
und die Verkaufszahlen brechen ein, das Geschäft kann aber in der
Summe positiv ausgehen.

Also: es wird dauern, bis man allgemeingültige Schlüsse ziehen kann.
Bis dahin ist es die Verantwortung des Verlegers zu entscheiden, wie
er die Pflichten aus dem Verlagsvertrag (Verbreitung, Honorar) optimal
erfüllt. Da es um seine Investitionen geht wird er die Aufgabe
verantwortlicher machen als jemand, der ihm aus der dritten Reihe
wohlfeile Ratschläge gibt.

Noch zwei Punkte aus der wunderbar komplexen Realität: Die
Verkaufszahlen in diesem Frühjahr waren schlecht. Dafür gibt es
folgende Gründe:
- schwache Neuerscheinungen
- Wirtschaftskrise
- Konsumzurückhaltung
- Piraterie
- E-Book Konkurrenz
- Auswirkungen der Schranken im UrhR
- Änderung des Leseverhaltens
Und das sind noch nicht alle. Wie soll man aus einer solchen Gleichung
mit vielen Unbekannten eindeutige Aussagen ziehen?

Und: bei Google Booksearch und Amazons SITB wurde auch immer
behauptet, dass dadurch der Verkauf ansteigt. Auch hier gibt es kein
klares Ergebnis. Bei manchen Titeln sieht es positiv aus, bei anderen
ist der Absatz eingebrochen und beim Rest ist nichts passiert.

Also: es gibt noch keine eindeutigen Aussagen. Aber Sie können sicher
sein, dass das aktuell für alle Verleger eine der wichtigsten Fragen
ist und wor bei jeder Gelegenheit unsere Erfahrungen dazu austauschen.

Herzliche Grüße
Matthias Ulmer



Am 05.08.2009 um 09:18 schrieb "Hubertus Kohle"
<Hubertus.Kohle@xxxxxxxxxxxxxxxxxxx
:
Liebe Collegae
man hoert oefter einmal, dass online-Publikationen den Verkauf der
gedruckten Version nicht behindern, sondern befoerdern. Das ist eine
faszinierende Perspektive, die doch eigentlich auch die  
Verlagsbranche
brennend interessieren sollte. Leider scheinen mir die Belege eher  
ein
wenig schmalbruestig. Warum nimmt der Boersenverein des deutschen
Buchhandels da eigentlich nicht mal eine fundierte Analyse in  
Angriff,
anstatt immer nur den Teufel an die Wand zu malen?
Schoene Gruesse Hubertus Kohle

-- 
http://www.inetbib.de

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Prof. Dr. Rainer Kuhlen
Department of Computer and Information Science
University of Konstanz, Germany

URL: www.kuhlen.name
Email: rainer.kuhlen@xxxxxxxxxxxxxxx

I am in Santa Barbara, CA, USA, till Sept 9th 2009
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or use Skype: rainer.kuhlen

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