[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: [InetBib] Literatur zur "Bibliothekenkrise"



Um doch noch etwas zur eigentlichen Frage beizutragen:


Das Ende der Bibliothek? : Vom Wert des Analogen. Uwe Jochum; Armin Schlechter 
(Hrsg.). Frankfurt am Main : Klostermann, 2011
ISBN 978-3-465-03722-4 

Strzolka, Rainer: 
Handbuch der Kulturzerstörung : zehn Gebote, wie man eine funktionierende 
Kultureinrichtung gegen die Wand fährt oder: Wie man aus einer Bibliothek eine 
Wüstenei macht. Berlin : Simon, Verl. für Bibliothekswissen, 2010
ISBN 978-3-940862-17-4 

Viele Grüße

M. Prenz



-------- Original-Nachricht --------
Datum: Wed, 14 Dec 2011 15:32:32 +0100
Von: "Walther Umstaetter" <walther.umstaetter@xxxxxxxxxxxxxxxx>
An: "Internet in Bibliotheken" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Betreff: Re: [InetBib] Literatur zur "Bibliothekenkrise"


Abgesehen davon, dass Herr Dietz in der Raabe Liste auf die Tatsache
hingewiesen hat, dass es etliches an Literatur zu den Bibliothekskrisen
gibt (es ist ja, wie bereits angedeutet, nicht nur eine die beklagt wird),
und dass ich Herrn Eigenbrodt nur zustimmen kann, zumal die
Privatisierungsversuche bei den  Bibliotheken, seit dem General Agreement
on Trade in Services (GATS) der WTO, so manche Bibliothek schon in eine
weitere Krise gestürzt haben (s. M. Rohde), laufe ich gegen die
Krisendiskussion der Bibliotheken gerade darum Sturm, weil sich immer mehr
Laien dadurch ermutigt fühlen, die Bedeutung der Bibliotheken als
Bildungs- und Machtfaktor der modernen Gesellschaft nicht ernst zu nehmen.
Im Gegenteil, sie fühlen sich von vielen Bibliothekaren ermutigt, nur das
zu beschleunigen, wovon sie meinen, dass ihnen die Fachleute die Munition
liefern.

Motto: Bibliotheken sind überholt, es gibt jetzt das Internet. Wie
Ahnungslos sie da sind, bemerken sie natürlich nicht, wenn es ihnen
keiner
sagt.

Wie gefährlich diese Krisendiskussionen sind, erkennt man auch daran,
dass
Öffentliche Bibliotheken zunehmend das doppische System einführen
müssen,
bei dem die Abschreibungsfristen bei „Informationsmedien, um einen
Festwert des Bestandes zu ermitteln“ sind (Lehrbuch des
Bibliotheksmanagements, Umstätter, S.157). Wie das geschieht, ist
durchaus
diskussionswürdig, ohne, dass ich hier auf die
Wertschätzungsmöglichkeiten
einer Bibliothek näher eingehen will. Es ist zwar häufig richtig, dass
ein
Buch, dass ich heute kaufe, im Laufe der Zeit an Wert verliert (erst sehr
viel später gewinnt es oft wieder an Wert), aus solchen Überlegungen
aber
den Doppik "Festwert" zu ermitteln, hat schon abernteuerliches. Es scheint
auch so zu sein, dass Wirtschaftswissenschaftler die Definition der
Leistung, als Arbeit mal Zeit, in ihrer Schulzeit nicht so recht
verinnerlichen konnten, wenn man liest: Leistungen sind die
Arbeitsergebnisse einer Organisationseinheit.(Wir kennen das Problem aus
der Datenübernahme eines Katalogisats bzw. der aufwendigen
Katalogisierung
eines Informationsmedieums in Bibliothken zur Genüge. Das Ergebnis ist im
Prinzip das Selbe.). Es ist bei weitem nicht alles Leistung, was sich so
nennt. Im Gegenteil, manche Menschen leisten sich recht merkwürdige
Vorsellungen von Bibliothken ;-)

Das ist doch das eigentliche Problem in der Arbeitswelt. Die einen
arbeiten hart und schwer und andere lösen das gleiche Problem wie im
Schlaf - bei besserer Bezahlung. Im Akkordlohn wird nach Leistung bezahlt,
aber außerhalb dessen (und in Bibliotheken) selten, weil es um Bildung
und
immer weniger um Bücherstempeln geht.

Die veraltete Bibliothek ist in etlichen Krisen, die Digitale Bibliothek
wird mehr denn je gebraucht, weil wir eine Wissenschaftsgesllschaft sind -
eine Gesellschaft, die von der Wissenschaft und dringend Schulung in
Informationskompetenz braucht.

MfG

W. Umstätter

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

da kann ich beiden Vorrednern zunächst nur beipflichten: Die
Bibliotheksfläche, die weltweit - besonders auch in Europa und Asien -
seit dem Beginn digitaler Dienstleistungen durch Bibliotheken gebaut
wurde, dürfte bei weitem alles übertreffen, was in den Jahrhunderten
vorher entstanden ist. Leider liegt hier keine globale Bestandsaufnahme
vor, sie wäre aber lohnend.
Auch aus meiner Sicht ist das, was viele als 'Bibliothekenkrise'
erleben, vor allem Symptom einer generellen Krise bzw. Infragestellung
öffentlicher Versorgung: Was nicht mit mehr oder weniger Erfolg
privatisiert wurde, wird existentiell hinterfragt. Die Digitalisierung
ist nur das Schlagwort unter dem man diese Schließungen dan verkaufen
kann. Ich finde andererseits die vielen Beispiele, in denen sich Bürger
massiv für ihre von Kürzungen bedrohten Bibliotheken einsetzen (und
das
weltweit) sehr ermutigend. Wer glaubt, Bibliotheken hätten keine
Zukunft
sollte sich nur mal an einem beliebigen Nachmittag in eine gute,
räumlich ansprechende Stadtbücherei begeben und sich das Publikum
ansehen; die Zukunft der Bibliotheken sitzt schon dort und macht
Hausaufgaben oder spielt Games.
Vor dem Hintergrund dessen, was Herr Umstätter dazu schreibt sollte den
Politikern in Europa und den USA vielleicht zu denken geben, dass die
asiatischen Länder, die ökonomisch Anschluss suchen oder 'Überholen
ohne
Einzuholen' unabhängig von ihrem politischen System massiv auch in
Bibliotheken investieren, während im Westen diese Investitionen
zurückgefahren werden. Dies könnte sich dann von einem Symptom der
gegenwärtigen Krise zu einer der Ursachen für die nächste entwickeln.
Aber wir müssen uns natürlich auch die Frage stellen, wie wir
eigentlich
mit unseren 'Grenzen des Wachstums' umgehen. Während die
Informationsmenge weiter wächst, werden andere Ressourcen wie Energie
und Rohstoffe teurer und auch rarer. Das, was man im besten Sinne unter
Nachhaltigkeit versteht, sollte auch im Bibliothekswesen ernster
genommen werden. In diesem Zusammenhang wird auch zu oft von der
ökonomischen und zu wenig von der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung
von
Bibliotheken gesprochen.

Viele Grüße,

Olaf Eigenbrodt

Am 14.12.2011 08:11, schrieb Rohde Bernd Martin:
Liebe Kollegen/innen,

Walther Umstätter schrieb:
All das heißt nicht, dass die Bibliotheken nicht auch heute um ihre
Existenz kämpfen müssen, es ist aber gefährlich ein solches
Wachstum in
ein Bibliotheksuntergangsszenarium umzumünzen.
Sicher kein Untergangsszenarium, aber eben auch ein Beispiel dafür,
wie
mit den Auswirkungen der finanziellen Haushaltslagen der öffentlichen
Hand Bibliotheken zu einem Spielball werden können:

http://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kantone/luzern/Kantonsrat-legt-ZHB-Umbau-auf-Eis;art92,140219
Die Geschichte sehr gut aufgearbeitet von den Luzerner Kollegen/innen
auf: http://www.zhbluzern.ch/index.php?id=1589
Erst wird ein von Seiten der Verantwortlichen in der Bibliothek
detaillierter langjährig vorbereiteter Plan für die Sanierung über
den
Haufen geworfen - indem man auf politischer Seite kurzfristig aufgrund
der Haushaltslage kein Geld zur Verfügung stellt und lieber die
diesbezüglichen Ausgaben verschieben möchte.
Dann kommt ein Parlamentarier mit einem Vorstoss für einen kompletten
Neubau (nebenbei ist jener Politiker interessanterweise übrigens
selbst
aus der Baubranche), was nicht nur eine Änderung der Planungen bewirkt
(das alleine schon ärgerlich genug), sondern alle bisherige Planung,
die
ja auf eine Sanierung abzielt, de facto zu für-die-Katz macht.
Grundsätzlich gönne ich den Kollegen/innen in Luzern einen Neubau.
Aber
die Art und Weise, wie dieser jetzt dann möglicherweise zustandekommt,
ist doch sehr fragwürdig. Das kostet dort im Haus Nerven und Geld,
lenkt
unnötig von den Kernaufgaben ab und führt möglicherweise zur
Beerdigung
von anderen, inhaltlich bibliothekarisch-fachlichen Projekten, da die
vorhandenen Ressourcen umgelagert werden müssen. Und die Sache mit dem
angedachten privaten Investor...
Nein, um die Existenz muss in diesem Fall nicht gebangt werden, aber
gesundes Wachstum sieht doch auch irgendwie anders aus?
Ob der Fall in Luzern oder der Fall der Mainzer Stadtbibliothek - oder
letztes Jahr Augsburg (und und und): Wenn Bibliotheken aufgrund
haushalttechnischer (Um)Planung durch die Auswirkungen der Finanzwelt
so
zum Spielball werden, dann ist Krise womöglich doch kein unpassendes
Wort.

Mit freundlichen Grüssen
Bernd Martin Rohde

P.S. Zudem bin ich überzeugt: Die Zahl der neu errichteten und
sanierten
Gebäude für Bibliotheken und Archive wird weiterhin im selben
Zeitraum
deutlich durch die Zahl der neuerrichteten und sanierten Bankgebäude
übertroffen.
_________________________________________________________
Bernd Martin Rohde, Dipl.-Bibl. (FH), UP in Rare Book Librarianship

Obergütschstrasse 9, CH 6003 Luzern
Fasanenweg 2, D 88284 Wolpertswende
mailto:b.m.rohde@xxxxxxx
http://berndmartinrohde.gmxhome.de

dienstl:
Universitätsbibliothek Bern, Zentralbibliothek
Münstergasse 61, CH 3000 Bern 8
Tel.: +41 (0)31 631 93 16
mailto:bernd.rohde@xxxxxxxxxxx
http://www.ub.unibe.ch/zb



--
Viele Grüße,

Olaf Eigenbrodt
Universität Hamburg
Fachbereiche Sprache Literatur Medien
Leiter der Fachbereichsbibliothek
Vorsitzender der Bibliothekskonferenz der Universität Hamburg
Von-Melle-Park 6
20146 Hamburg
Tel.: +49-40-42838-5330
Fax: +49-40-42838-4853

--
http://www.inetbib.de



-- 
http://www.inetbib.de

-- 
NEU: FreePhone - 0ct/min Handyspartarif mit Geld-zurück-Garantie!               
Jetzt informieren: http://www.gmx.net/de/go/freephone

-- 
http://www.inetbib.de

Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.