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Re: [InetBib] Sci Hub, Fernleihe und Open Access



Lieber Herr Graf

Danke für die interessante Zusammenstellung.

Sci Hub und ILL von jüngerer wissenschaftlicher Literatur müssten wirklich 
nicht sein, würden wissenschaftliche Institutionen endlich mal ihre Anbieter- 
und Käufermacht dazu bündeln und Open Access ernsthaft angehen. Wie wirklich 
absurd das jetzige System ist zeigt zum Beispiel auch auch die derzeitige 
Aktion „Change the World, One Article at a Time“ 
(http://www.springer.com/gp/marketing/change-the-world 
<http://www.springer.com/gp/marketing/change-the-world>) von Springer. Noch bis 
Mitte Juli 2016 bietet Springer der Welt freien Zugriff auf 100 Artikel, welche 
im Zuge der aktuellen globalen Krisen, das Potenzial haben die Welt zu ändern. 

Zu diesen 100 „Change The World“-Artikeln gehört zum Beispiel auch ein Beitrag 
von einem Deutschen Autorenkollektiv mit dem Title „Reviewing the topic of 
migration and health as a new national health target for Germany“  
http://doi.org/10.1007/s00038-014-0617-z 
<http://doi.org/10.1007/s00038-014-0617-z> 

Da dieser Artikel bislang noch nicht frei auf einem Repository liegt (obwohl 
von Springer aus das akzeptierte Manuskript legal hinterlegt werden könnte), 
überlässt man es offenbar dem reinen Goodwill eines gewinnorientierten 
Verlages, dass öffentlich finanzierte und weltverändernde Forschung Impact 
entfalten kann ODER EBEN NICHT! Ich finde diese Situation skandalös und kaum 
zum aushalten. 

In der Schweiz beklagen zurzeit die Wissenschaftsorganisationen, dass die 
bundesweiten öffentlichen Ausgaben im Bereich der Forschung nicht mehr so gross 
ausfallen, wie auch auch schon, obwohl sie immer noch wachsen! Wenn ich sehe 
mit welcher Trägheit, die gleichen Wissenschaftsinstitutionen, das Thema Open 
Access angehen, bin ich mir als Bürger jedoch nicht mehr so sicher, ob Ausgaben 
im Bereich der Forschung sich wirklich immer auszahlen. Das "International 
Journal of Public Health“ worin der oben erwähnte Artikel erschienen ist, 
gehört beispielsweise der Stiftung „Swiss School of Public Health+“, welche 
Gelder von Schweizer Universitäten erhält. Warum sollte ich als Bürger, noch 
mehr Geld für Forschung zu Verfügung stellen, wenn die 
Wissenschaftsinstitutionen es offensichtlich nicht schaffen (wollen), die 
Resultate so zu Verfügung zu stellen, dass die teure Forschung ihr volles 
Wirkungspotenzial entfalten kann. Siehe auch: 
https://irights.info/artikel/das-verlorene-potenzial-von-forschung/ 
<https://irights.info/artikel/das-verlorene-potenzial-von-forschung/>

Gut immerhin, scheint in der Schweiz - ich hoffe auch ein wenig durch mein 
„Transparenzprojekt" bei den Subskriptionskosten (http://doi.org/bd49) - etwas 
Schwung in die Sache gekommen zu sein. Es wird nun ganz offiziell eine 
Finanzfluss-Analyse durchgeführt (ILL-Kosten müsste man da eigentlich auch 
einbeziehen) und eine nationale Open Access Strategie entwickelt.  

Ich hoffe mit oa2020.org kommt nun weiter Dampf ins Getriebe. Auch die 
Niederländer machen mit ihrer EU-Ratspräsidentschaft mächtig Druck: 
http://english.eu2016.nl/latest/news/2016/04/05/eu-action-plan-for-open-science 
<http://english.eu2016.nl/latest/news/2016/04/05/eu-action-plan-for-open-science>

Letzte Woche ist zudem auch ein recht konkretes Briefing Paper von Science 
Europe (Dachorganisation europäischer Wissenschaftsförderung, inkl. DFG, SNF, 
FWF) rausgekommen:
http://www.scienceeurope.org/uploads/PublicDocumentsAndSpeeches/SE_Briefing_Paper_OA_Business_Models.pdf
 
<http://www.scienceeurope.org/uploads/PublicDocumentsAndSpeeches/SE_Briefing_Paper_OA_Business_Models.pdf>

Es wäre wirklich zu hoffen, dass wir auf die Illegalität von Sci Hub und die 
Unbequemlichkeit von ILL in naher Zukunft verzichten könnten. Open Access ist 
klar die Lösung.

freundliche Grüsse

Christian Gutknecht




Am 10.04.2016 um 00:54 schrieb Klaus Graf 
<klaus.graf@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>:

Sonntagslektüre:

https://archivalia.hypotheses.org/55814 
<https://archivalia.hypotheses.org/55814>

"Fernleihen und Dokumentlieferungen für aktuelle
Zeitschriftenliteratur wären unnötig, wenn Open Access
flächendeckend verbreitet wäre. Im Vergleich zu Sci Hub
sind sie unbequem und teuer. Bibliothekare können natürlich
nicht einfach auf das illegale Sci Hub umsatteln. Aber sie
sollen nicht so tun, als sei mit dem weiteren Ausbau von
Fernleih- und Lieferservices das kaputte System zu
reparieren. Und an die Verleger ergeht der dringende
Wunsch, uns mit weiteren Hinweisen auf die von ihnen selbst
nach Kräften torpedierten ILL-Möglichkeiten zu verschonen.
Mit Sci Hub ist es wie mit dem Leben: Genießen wir es,
solange es geht."

Meinungen, Korrekturen & Kommentare gern hier wie dort.

Klaus Graf


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.