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Re: Zensur, Sittenwaechter, Medienkontrolle



Liebe INETBIBlerInnen,

ich komme erst heute dazu, die Mails der letzten Tage zu lesen, das ist ja
eine erfreulich lebhafte Diskussion gewesen!
Ich meine, da gehen nur zwei Diskussionsthemen in einander ueber, die doch
getrennt sein sollten, und zwar:

1. Zensur im Internet

2. Bereitstellung der Internetinformationen fuer unsere Benutzer

zu 1.: Gegen eine Zensur im Internet bin ich, soweit sich nicht Normen
finden, die von allen Staaten vertreten       	werden, was
	 a.)ich fuer illusorisch halte, noch nicht mal die UNO/UNESCO-Konvention
gegen Kinderarbeit ist
	 von allen Staaten unterschrieben worden
	b.) glaube ich, dass es doch einige Selbstregulierungsmechanismen gibt, z.
B. die Aufforderung in 	?ernsthaften Sexualitaetsdiskussionsforen? an
Pornoanbietern, die in diesen Foren nichts zu suchen 	haben, ein paar Mbs
Datenschrott zu schicken
zu 2.: Was fuer mich voellig anderes ist jedoch, was wir fuer unsere
Benutzer bereitstellen. Ich verweise hier
	 auf die Stellungnahme von Ulrich Babiak vom 30.3.1996 zum gleichen Thema
in dieser Liste (ohne 
	sie seitenweise zitieren zu wollen).
	Natuerlich haben wir schon immer selektiert. Ich verweise z.B. auf die
Warnung im Bibliotheksdienst 	vor kostenlosen Buechergeschenken der
Scientology Sekte (R. Hubbard) oder dass wir unabhaengig 
	von rechtlichen Anweisungen radikales Gedankengut nicht in den
Praesenzbestand bzw. in den 	?Giftschrank? gestellt haben. Leitlinie unseres
Handelns war und ist fuer mich daher bisher immer der 	Gedanke gewesen,
allgemein akzeptierte Informationen allen bereitzustellen und bei anderen
Informationswuenschen zu ueberpruefen, ob der jenige die eventuell
vorhandene Problematik dieser 	Information  erkennt.

Also konkret: Wir haben unsere Auswahl fuer unsere Benutzer bisher immer
anhand von Besprechungen kompetenter Fachkollegen getroffen. So wird sich
wohl kein Horrorvideo in einer Oeffentlichen Videothek finden, dass dabei in
neuen Gebieten auch Fehler auftreten koennen (ich verweise hier auf die AGB
in Berlin, die bei der Auswahl von tuerkischen Buechern auch Propagandatexte
der Grauen Woelfe bzw. der PKK, wie im neuesten Spiegel beschrieben, in den
Bestand genommen hat), wird uns immer wieder passieren. Aber so sehe ich die
grundlegende Problematik unseres Berufs. Wir sind Informationsspezialisten
und stellen Informationen bereit, um diese  jedoch auch zu bewerten. Wir
stehen auch geschichtlich in diesem Dilemma
- haetten wir Kaestner, Tucholsky etc. unter den Nazis aussortiert und verbrannt
- danach Hitlers Mein Kampf etc. aussortiert und ?verbrannt?
- und dann die diversen Selektionslisten in der SBZ/DDR befolgt?

Mit nachdenklichem Gruss
Karoline


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Karoline Neuendorff              Hartmut Neuendorff
Stockweg 14   D-12203 Berlin     Deutschland/Germany
                Tel. ++49-30-834 26 45

"Was auch immer geschieht: Nie duerft ihr so tief sinken,
von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken!"
                                            E. Kaestner
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