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Re: Entgegnung Der Deutschen Bibliothek Rahmenvereinbarung Netzpublik ationen



Es ist erfreulich, dass die Diskussion über die Archvierung digitaler
Dokumente (und das kann aus meiner Sicht weiterhin nur auf der Basis von
SGML erfolgen) in Bewegung gerät. Dabei scheint mir wichtig zu sein, dass
man genauer zwischen einer Publikation und nicht publizierten Dokumenten
unterscheidet, wobei meiner Ansicht nach eine Publikation grundsätzlich an
eine Bibliothek gebunden ist. Hier scheint mir das eigentliche Problem zu
liegen, dass man in Deutschland die fundamentale Bedeutung von Bibliotheken
unterschätzt.

Die zunehmende Praxis, Dokumente aus dem Internet zu zitieren, die schon
nach Tagen verändert oder verschwunden sein können,
ist wissenschaftlich eigentlich inakzeptabel, weil nicht nachprüfbar.
Insofern sind wirkliche Publikationen an Bibliotheken gebunden, in denen man
sich vergewissern kann, dass ein authentisches Dokument auch wirklich
existiert. Ebenso ist Wissenschaft an authentisch gespeicherte Dokumente und
damit grundsätzlich an Bibliotheken gebunden.

Wissenschaftliche Bibliotheken sind (und können nur) die wichtigste
Rationalisierungsmaßnahme der Wissenschaft sein, wenn durch sie überflüssige
Doppelarbeit verhindert wird. Genau genommen ist Wissenschaft ja gerade
dadurch definiert, dass Wissen produziert wird, das bis dato noch nicht
publiziert worden ist. Das geht nur, wenn das Wissen der Welt in den
Bibliotheken allgemein verfügbar ist.

Damit soll nicht gemeint sein, dass die Dokumente in gedruckter Form
vorliegen müssen. Im Gegenteil, es scheint mir eher abwegig, dass man
elektronisch verfügbare Dissertationen so behandelt, als wäre nur die
gedruckten authentisch, wenn man genau weiß, dass eigentlich nur die
elektronischen wirklich verfügbar sind. Entsprechendes gilt im Prinzip auch
für verlegte Bücher und Zeitschriften. Es dürfte auch fragwürdig sein, warum
man unter den heutigen Bedingungen der Digitalen Bibliothek nur in Frankfurt
a.M. bzw. in Leipzig das Recht haben soll ein Urheberrecht zu prüfen.

In dieser Tatsache, dass ein Dokument nur dann als publiziert gelten kann,
wenn es in mindestens einer öffentlich zugänglichen Bibliothek hinterlegt
ist, liegt ja der eigentliche Grund für die Existenz der Deutschen
Bibliothek und auch der Nationalbibliotheken der Welt.

Ein Urheberrecht im Sinne eines erschienenen Werkes (einer Publikation) kann
es nur geben, wenn die Informationen in Bibliotheken öffentlich und
allgemein überprüfbar sind, weil man für ein geheim gehaltenes Dokument
keine Urheberrechte einfordern kann.

Die Bedenken des Verlagswesens hinsichtlich eines Missbrauchs dürften im
Sinne eines fair use durchaus regelbar sein.

Ich darf dem Kollegen Hilf widersprechen, wenn er schreibt: "Dass sich
Deutschland aus den internationalen Entwicklungen abzukoppeln
beginnt". Deutschland hat am Beginn des letzten Jahrhunderts seine Position
im Bibliothekswesen (zugunsten des Dokumentationswesens) an die USA
abgegeben, Harnack u.a. haben damals darauf hingewiesen. Während des zweiten
Weltkriegs hat Deutschland dann auch seine Vormachtstellung in der
Dokumentation verloren, so dass wir seit dem Sputnik Schock und dem Weinberg
Report im Bibliotheksbereich etwa 10 Jahre hinter den USA hinterherhinken,
ohne dies je aufgholt zu haben.

Inzwischen führt China XML in seiner Nationalbibliothek ein, während wir
über die Bedeutung eines solchen Schrittes noch diskutieren.

Ich meine wir sollten eher damit beginnen in Deutschland
Bibliothekswissenschaft und die Bibliotheken wieder ernster zu nehmen.

Als kurze Bemerkung - es schiene mir auch preiswerter in Deutschland
Bibliotheken verstärkt mit Rechnern zu versehen,
anstelle alle Schüler mit Laptops auszustatten.


MfG

Umstätter

----- Original Message -----
From: "Eberhard R. Hilf" <hilf _at__ physnet.physik.uni-oldenburg.de>
To: "Internet in Bibliotheken" <INETBIB _at__ ub.uni-dortmund.de>
Sent: Monday, April 15, 2002 6:53 PM
Subject: Re: Entgegnung Der Deutschen Bibliothek Rahmenvereinbarung
Netzpublik ationen


> Die kluge, genaue  und diplomatische  Stellungnahme von Frau Niggemann,
> DDB, ist sehr hilfreich zum Verstaendnis der neuen Regelungen.
>
>
> 'im Rahmen der gesetzlichen Moeglichkeiten frei zugaenglich..'
> darum geht es ja gerade: der neue Gesetzentwurf erschwert die
> Zugaenglichkeit.
>
> Es ist nicht ganz klar, ob es weiterhin rechtlich moeglich bleibt,
> was fuer viele Gebiete besonders der Wissenschaften an den Hochschulen
> volkswirtschatlich fuer die Wettbewerbsfaehigkeit der Wirtschaft
> geboten  ist:
>
> - Die Autoren an den Universitaeten dazu anleiten, ihre mit staatlichen
> Mitteln erstellten  fuer die Wissenschaft bestimmten Dokumente mit einem
> expliziten Zusatz zu versehen: "Dieses Dokument soll von jedem, sofern es
> ungeaendert bleibt und korrekt zitiert wird, verbreitet, verwendet,
> kopiert, heruntergeladen werden. Die DDB als das gesetzliche Staatliche
> Archiv muss es frei auf dem Web zugaenglich halten.
>
> - Die Fachbereiche, Universitaetsbibliotheken, SSBs, Fachgesellschaften
> muessen eigene Archive ihres Bereiches aufbauen, die die freie
> Zugaenglichkeit ueber das Web sicherstellen. Dann schadet der
> restriktive Auftrag an die DDB nicht und ist nur ein zusaetzliches Backup.
> Das Open Archive Initiative Konzept bietet sich zur technischen
> Realisierung an.
>
> - Der Gesetzgeber muss ein Informationsgesetz fuer die Wissenschaft
> nachlegen, in dem die fuer die Wettbewerbsfaehigkeit der Wirtschaft in der
> Zukunft notwendige und fuer den Kulturauftrag zu forschen, gebotene
> freie Veroeffentlichung (und das heisst: auf dem Netz, nicht in einem
> Lesesaal an einem Orte) festgeschrieben wird.
>
> Dass der Backup des Staates durch die DDB fuer die Produkte kommerzieller
> Verlage ueber den Zeitpunkt des Erloeschens des Verlages ein heikles Thema
> ist,  zugegeben. Darum geht es in dem Staats-Auftrag fuer die DDB.
> Aber darum geht es hier nicht.
> Hier geht es darum, dass der Staat einen Kulturauftrag sehen sollte,
> geistiges Gut aus der Wissenschaft fuer die Wissenschaftler zugaenglich zu
> halten (und Reisekosten nach Ffm zu sparen).
>
> Dass sich Deutschland aus den internationalen Entwicklungen abzukoppeln
> beginnt, ist zu sehen:
>
> Auf der internationalen Konferenz
> Long Term Archiving of Documents in Physics LTADP
> der IUPAP (www.iupap.org)
> waren alle grossen internationalen Physik-Verlage und
> Fachgesellschaften und die nationalen Bibliotheken vertreten.
> Und man war sich einigermassen einig (was auch in die Empfehlungen der
> IUPAP fliessen sollte):
> - LTADP ist eine staatliche Aufgabe der nationalen Bibliotheken
> - die Dokumente sind in nichtproprietaeren Formaten vorzuhalten, weil
> nur so die langfristige Archivierung technisch moeglich ist und
> gesichert werden kann,
> - die Dokumente sind ueber das Netz kostenlos zugaenglic hzu halten.
> - die eFassung ist das Original. Papierfassungen sind sekundaer.
>
> Wohlgemerkt: gemeint ist hier nur der schmale Sektor der primaeren
> Wissenschaftlichen Publikationen, nicht der der Belletristik,
> der Darstellung von Ergebnissen fuer Dritte, usf.
>
> Auf der LTADP kuendigte der angesehenste internationale Physikverlag an,
> dass er sehr konkret die Freigabe des Zugangs zu seinen Dokumenten
> erwaege.
>
> Auf der LTADP war von den Nationalen Bibliotheken vertreten:
> Fr, UK, USA, usf.
> die DDB war es nicht.
>
> E.R.Hilf
> .................................................
> Eberhard R. Hilf, Dr. Prof.i.R.;
> CEO Institute for Science Networking
> an der Carl von Ossietzky Universitaet Oldenburg
> Ammerlaender Heerstr.121; D-26129 Oldenburg
> ISN:         http://www.isn-oldenburg.de/
> my homepage: http://physnet.uni-oldenburg.de/~hilf
> hilf _at__ physnet.uni-oldenburg.de tel/Fax: 0049-441-798-2884/5851
> PhysNet for the EPS: http://physnet.uni-oldenburg.de/PhysNet
>
>




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