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Re: Entgegnung Der Deutschen Bibliothek Rahmenvereinbarung Netzpublik ationen



Die kluge, genaue  und diplomatische  Stellungnahme von Frau Niggemann,
DDB, ist sehr hilfreich zum Verstaendnis der neuen Regelungen.


'im Rahmen der gesetzlichen Moeglichkeiten frei zugaenglich..'
darum geht es ja gerade: der neue Gesetzentwurf erschwert die
Zugaenglichkeit.

Es ist nicht ganz klar, ob es weiterhin rechtlich moeglich bleibt,
was fuer viele Gebiete besonders der Wissenschaften an den Hochschulen
volkswirtschatlich fuer die Wettbewerbsfaehigkeit der Wirtschaft
geboten  ist:

- Die Autoren an den Universitaeten dazu anleiten, ihre mit staatlichen
Mitteln erstellten  fuer die Wissenschaft bestimmten Dokumente mit einem
expliziten Zusatz zu versehen: "Dieses Dokument soll von jedem, sofern es
ungeaendert bleibt und korrekt zitiert wird, verbreitet, verwendet,
kopiert, heruntergeladen werden. Die DDB als das gesetzliche Staatliche
Archiv muss es frei auf dem Web zugaenglich halten.

- Die Fachbereiche, Universitaetsbibliotheken, SSBs, Fachgesellschaften
muessen eigene Archive ihres Bereiches aufbauen, die die freie
Zugaenglichkeit ueber das Web sicherstellen. Dann schadet der
restriktive Auftrag an die DDB nicht und ist nur ein zusaetzliches Backup.
Das Open Archive Initiative Konzept bietet sich zur technischen
Realisierung an.

- Der Gesetzgeber muss ein Informationsgesetz fuer die Wissenschaft
nachlegen, in dem die fuer die Wettbewerbsfaehigkeit der Wirtschaft in der
Zukunft notwendige und fuer den Kulturauftrag zu forschen, gebotene
freie Veroeffentlichung (und das heisst: auf dem Netz, nicht in einem
Lesesaal an einem Orte) festgeschrieben wird.

Dass der Backup des Staates durch die DDB fuer die Produkte kommerzieller
Verlage ueber den Zeitpunkt des Erloeschens des Verlages ein heikles Thema
ist,  zugegeben. Darum geht es in dem Staats-Auftrag fuer die DDB.
Aber darum geht es hier nicht.
Hier geht es darum, dass der Staat einen Kulturauftrag sehen sollte,
geistiges Gut aus der Wissenschaft fuer die Wissenschaftler zugaenglich zu
halten (und Reisekosten nach Ffm zu sparen).

Dass sich Deutschland aus den internationalen Entwicklungen abzukoppeln
beginnt, ist zu sehen:

Auf der internationalen Konferenz
Long Term Archiving of Documents in Physics LTADP
der IUPAP (www.iupap.org)
waren alle grossen internationalen Physik-Verlage und
Fachgesellschaften und die nationalen Bibliotheken vertreten.
Und man war sich einigermassen einig (was auch in die Empfehlungen der
IUPAP fliessen sollte):
- LTADP ist eine staatliche Aufgabe der nationalen Bibliotheken
- die Dokumente sind in nichtproprietaeren Formaten vorzuhalten, weil
nur so die langfristige Archivierung technisch moeglich ist und
gesichert werden kann,
- die Dokumente sind ueber das Netz kostenlos zugaenglic hzu halten.
- die eFassung ist das Original. Papierfassungen sind sekundaer.

Wohlgemerkt: gemeint ist hier nur der schmale Sektor der primaeren
Wissenschaftlichen Publikationen, nicht der der Belletristik,
der Darstellung von Ergebnissen fuer Dritte, usf.

Auf der LTADP kuendigte der angesehenste internationale Physikverlag an,
dass er sehr konkret die Freigabe des Zugangs zu seinen Dokumenten
erwaege.

Auf der LTADP war von den Nationalen Bibliotheken vertreten:
Fr, UK, USA, usf.
die DDB war es nicht.

E.R.Hilf
.................................................
Eberhard R. Hilf, Dr. Prof.i.R.;
CEO Institute for Science Networking
an der Carl von Ossietzky Universitaet Oldenburg
Ammerlaender Heerstr.121; D-26129 Oldenburg
ISN:         http://www.isn-oldenburg.de/
my homepage: http://physnet.uni-oldenburg.de/~hilf
hilf _at__ physnet.uni-oldenburg.de tel/Fax: 0049-441-798-2884/5851
PhysNet for the EPS: http://physnet.uni-oldenburg.de/PhysNet


On Mon, 15 Apr 2002, Solberg, Susann wrote:

> Entgegnung Der Deutschen Bibliothek zur Erklaerung der IuK zur
> Rahmenvereinbarung zur freiwilligen Ablieferung von Netzpublikationen zum
> Zwecke der Verzeichnung und Archivierung zwischen Der Deutschen Bibliothek
> und dem Boersenverein des Deutschen Buchhandels e. V.
>
> Eintritt in das Informationszeitalter
>
> Das Gesetz bezeichnet Die Deutsche Bibliothek als *die zentrale
> Archivbibliothek und das nationalbibliographische Zentrum der Bundesrepublik
> Deutschland* und nennt als Aufgaben, die ab 1913 verlegten ... Druckwerke
> ... zu sammeln, zu inventarisieren und bibliographisch zu verzeichnen, ...
> Die Bestaende stehen an Ort und Stelle ... der Allgemeinheit zur
> Verfuegung.* Um ihre gesetzlichen Aufgaben den technischen Entwicklungen
> entsprechend zu erfuellen, strebt Die Deutsche Bibliothek eine
> Gesetzesnovellierung an, die auch netzbasierte Publikationen
> beruecksichtigt. Bis dies geschehen ist, kann sie nur auf freiwilliger Basis
> ihr Aufgabenspektrum ausdehnen. In diesem Kontext ist ihr Engagement im
> Bereich DissOnline zu sehen - ebenso aber die Rahmenvereinbarung
> Netzpublikationen zwischen Der Deutschen Bibliothek und dem Boersenverein
> des Deutschen Buchhandels vom 28. Februar 2002.
>
> Diese in der Erklaerung der IuK-Initiative angeprangerte Rahmenvereinbarung
> ist nicht, wie es dort heisst,  der *Abschied vom Informationszeitalter*
> sondern vielmehr der seit langem erstrebte Beginn fuer das Segment der
> netzbasierten Verlagspublikationen in Der Deutschen Bibliothek.
> Netzpublikationen muessen derzeit nicht als Pflichtexemplare abgeliefert
> werden. Die Rahmenvereinbarung dient interimistisch zur Arbeitserleichterung
> für diejenigen Boersenvereinsmitglieder, die, wie der Springer-Verlag
> (Heidelberg, Berlin), bereits heute auf freiwilliger Basis ihre
> Netzpublikationen zu Verzeichnungs- und Archivierungszwecken an Die Deutsche
> Bibliothek abliefern wollen.
>
> Der Deutschen Bibliothek hilft die Rahmenvereinbarung, mit den freiwillig
> abgelieferten Netzpublikationen Routineerfahrungen im Umgang mit den Medien
> und den in Zukunft voraussichtlich Ablieferungspflichtigen zu gewinnen und
> Systeme zur Verwaltung und vor allem zur Langzeitarchivierung dieser
> Publikationen aufzubauen.
>
> Wissenschaftsfreundlich
>
> Damit ist Die Deutsche Bibliothek eine der wenigen Institutionen, die in
> vorbildlicher Weise ein System der dauerhaften Versorgung von Forschung und
> Lehre mit Referenz- und Arbeitsmaterial aufbauen. Dass sie den gesetzlichen
> Aufgaben der Sammlung, Verzeichnung, Archivierung und Vor-Ort-Nutzung die
> höchste Priorität gibt und geben muss, ist zwar aus ihrer eigenen Sicht wie
> auch verständlicherweise der der IuK-Initiative für den heutigen Nutzer
> bedauerlich, sichert aber die dauerhafte Nutzbarkeit. Dies als
> wissenschaftsfeindlich zu bewerten verkennt Auftrag, Aufwand und Ziel der
> Bemühungen um die Sicherung auch des elektronischen Kulturerbes und greift
> deutlich zu kurz.
>
> Verkannt wird in der Erklaerung auch, dass es das Ziel Der Deutschen
> Bibliothek ist, ueberall dort, wo es ihr rechtlich moeglich ist, als Portal
> für einen unbegrenzten Informationszugang zu dienen. Dies gilt z. B. fuer
> den Bereich der Elektronischen Dissertationen, aber ebenso für alle anderen
> Publikationen, deren Rechteinhaber uns das Einverstaendnis zur Oeffnung des
> unbegrenzten weltweiten Zugriffs auf das archivierte Exemplar erteilen.
> Selbstverstaendlich treten wir für einen uneingeschraenkten
> Informationszugang ein.
>
> Gerade aber im Umgang mit den durch die Rahmenvereinbarung abgedeckten
> Verlagspublikationen stehen diesem Ziel in seiner weitestgehenden Auslegung
> die legitimen wirtschaftlichen Interessen der Autoren und der Verleger
> entgegen, mit einem kostenfreien Zugang würden Urheber- und Leistungsrechte
> gefaehrdet, die international geschuetzt sind. Wir sind sehr froh, dass es
> gelungen ist, die Bedenken der Verlegerseite, dass eine Ablieferung eine
> Gefaehrdung ihrer Rechte nach sich ziehen koennte, so weit ausgeraeumt zu
> haben, dass der Boersenverein des Deutschen Buchhandels dieser Vereinbarung
> zur Erprobung des gesamten Verfahrens zugestimmt hat.
>
> Gerade fuer die Wissenschaft muss es als Fortschritt anerkannt werden, dass
> es Der Deutschen Bibliothek nun auch fuer netzbasierte Verlagspublikationen
> gelungen ist, die Sammlung, Verzeichnung und Langzeitarchivierung mit dem
> Ziel der dauerhaften Nutzbarkeit zu ermoeglichen. Die Deutsche Bibliothek
> ist selbstverstaendlich darueber hinaus sehr interessiert an Modellen der
> Zugangsregelung und engagiert sich im Rahmen ihrer Aufgaben und im Rahmen
> der gesetzlichen Moeglichkeiten für eine moeglichst freizuegige Nutzbarkeit
> ihrer Sammlungen. Der Unterschied im extremsten Fall zwischen *frei und
> kostenlos verfügbar!* und *nur in den Raeumen der Bibliothek verfuegbar* ist
> technisch gesehen mit dem Umlegen eines Schalters vergleichbar; fuer unser
> Speichersystem sind es zwei von voraussichtlich vielen Zustaenden, in denen
> eine Netzpublikation vorgehalten wird. So trivial das *Umlegen des
> Schalters* technisch ist, so weitreichend ist es unter rechtlichen Aspekten.
> Daher gibt es derzeit auch keine Einrichtung, die mehr bieten koennte, als
> es Die Deutsche Bibliothek innerhalb der so kritisierten Rahmenvereinbarung
> zulaesst.
>
>
> Offene Standards
>
> Die Deutsche Bibliothek engagiert sich fuer die Entfaltung und Verbreitung
> leistungsfaehiger offener Standards. Einer moeglichst grossen
> Interoperabilitaet misst sie einen hohen Stellenwert bei. Sie teilt damit
> das Ziel der IuK, sieht sich aber auf dem Weg dahin mit der Realitaet des
> Tagesgeschaefts konfrontiert. Tagtaeglich vor die Entscheidung gestellt,
> Medien, die nur proprietaeren Standards genuegen, abzulehnen oder sie trotz
> anderer Zielsetzung dennoch zu sammeln, zu verzeichnen, zu archivieren und
> dauerhaft verfuegbar zu machen, entscheidet sie sich pragmatisch. Dem
> idealen Ziel offener Standards ist sie dennoch im hoechsten Maße
> verpflichtet.
>
>
> Fazit
>
> Die Deutsche Bibliothek wird, damit sie ihren gesetzlichen Auftrag auch im
> Informationszeitalter erfuellen kann, auch weiterhin den eingeschlagenen Weg
> eines pragmatischen Umgangs mit Netzpublikationen gehen und sich dabei
> unvermeidlicherweise zwischen den Wuenschen der Nutzer einerseits und den
> gesetzlichen und technischen Realitaeten andererseits bewegen muessen.
>
> Sie wird darueber hinaus nicht nachlassen, sich fuer offene Standards und
> einen ungehinderten Zugang zu Informationen für jedermann zu engagieren.
> Damit will sie sowohl der Wissenschaft als auch dem Bürger einer offenen,
> demokratischen Informationsgesellschaft gleichermassen dienen. Hinsichtlich
> der Ziele unterscheidet sie sich damit nicht von denen der IuK-Initiative -
> der Unterschied liegt in den durch den gesetzlichen Auftrag vorgegebenen
> Wegen.
>
> Die Deutsche Bibliothek bietet der IuK-Initiative - auch weiterhin - an,
> gemeinsam diese Ziele zu verfolgen, fordert aber Verstaendnis, Toleranz und
> Akzeptanz für Pragmatismus und Realismus auf dem Wege dorthin.
>
>
> Dr. Elisabeth Niggemann, Generaldirektorin Die Deutsche Bibliothek
>
>
> (Dieser Text wird in Kuerze auch unter www.ddb.de zur Verfuegung stehen.)
>
> _____________________________________________________
>
> Susann Solberg
> Assistentin der Generaldirektorin, Oeffentlichkeitsarbeit
> Die Deutsche Bibliothek
> Deutsche Bibliothek Frankfurt am Main
> Adickesallee 1
> D-60322 Frankfurt am Main
> Telefon: +49-69-1525-1001
> Telefax: +49-69-1525-1010
> mailto:solberg _at__ dbf.ddb.de
> http://www.ddb.de
>



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