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Re: Rechtsfrage



Von:            	"Harald Mueller" <hmueller _at__ mpiv-hd.mpg.de>
An:             	Internet in Bibliotheken <INETBIB _at__ ub.uni-dortmund.de>
Betreff:        	Re: Rechtsfrage
Datum:   	Tue, 16 Jul 2002 15:38:42 +0200
Antwort an:     	Internet in Bibliotheken <INETBIB _at__ ub.uni-dortmund.de>
Organisation:   	MPI fuer Voelkerrecht

> Liebe Kolleginnen und Kollegen!
>
> > ich habe ein rechtliches Problem, das eigentlich nach den Nachweisen im KVK
> > auch andere Bibliotheken haben müssten.
> > Am 8.7.2002 erhielt ich einen Brief von Herrn xxxxxxxxxxxxx. Herr xxxxxx
> > hat beim Landgericht Köln ein Urteil erwirkt, dass der Teil A der
> > Dissertation (xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
> > xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
> > xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx) nicht von der
> > Autorin, sondern von Herrn xxxxxx stammt.

...

> > ... schließt Herr xxxxxx die Aufforderung
> > an,  dass die besitzenden Bibliotheken den Teil A der Dissertation
> > vernichten müssten. Er beruft sich hierbei auf Ziffer 3 des Urteils vom LG
> > Köln, dass die Beklagten (Frau xxxxxxxxxxxx) die sich noch in ihrem Besitz
> > befindlichen Vervielfältigungsstücke des Werkes vernichten müssten. Seiner
> > Meinung nach ist auch das Verbreitungsrecht von diesem Urteil betroffen.
...

> > Ist die Sachlage wirklich so eindeutig und müssen wir besagten Teil A
> > vernichten?
>
Herrr Mueller antwortete:


...

> Wichtig ist nur ein einziger Aspekt: Diese Urteile können zunächst
> nur Rechtswirkung zwischen den beteiligten Parteien entfalten,
> also zwischen Kläger und Beklagten. Da eine Bibliothek nicht am
> Prozeß beteiligt ist, geht sie das jeweilige Urteil zunächst auch
> nichts an.
>
> Soweit so gut. Nun wendet sich aber der Kläger, d.h. der in seinen
> Rechten Verletzte, an Bibliotheken, die gemäß einer KVK-
> Recherche das betreffende Buch in ihrem Bestand haben und
> fordert sie auf, das Buch nicht mehr auszuleihen bzw. zu
> vernichten.
...

>Auf welche Rechtsgrundlage könnte
> sich der Verletzte stützen? Hier kommt § 98 Abs. 1 UrhG in Frage:
>
> "(1) Der Verletzte kann verlangen, daß alle rechtswidrig
> hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung
> bestimmten Vervielfältigungsstücke, die im Besitz oder Eigentum
> des Verletzers stehen,  vernichtet werden.
>
>  (2) Statt der in Absatz 1 vorgesehenen Maßnahmen kann der
> Verletzte verlangen, daß ihm die Vervielfältigungsstücke, die im
> Eigentum des Verletzers stehen, gegen eine angemessene
> Vergütung überlassen werden, welche die Herstellungskosten nicht
> übersteigen darf.
>
>  (3) Sind die Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 gegenüber
> dem Verletzer oder Eigentümer im Einzelfall unverhältnismäßig und
> kann der durch die Rechtsverletzung verursachte Zustand der
> Vervielfältigungsstücke auf andere Weise beseitigt werden, so hat
> der Verletzte nur Anspruch auf die hierfür erforderlichen
> Maßnahmen."
>
> Da die Bibliothek nicht (!) Verletzer im Sinne dieser Vorschrift ist,
> besteht gegen sie kein Anspruch auf Vernichtung. Sie hat ja die
> rechtswidrige Herstellung des Buches nicht besorgt. Allerdings
> könnte die Bibliothek Verletzer werden, wenn sie das betreffende
> Buch "verbreitet". Nach einhelliger Ansicht findet ein "Verbreiten"
> durch eine Bibliothek nur dann statt, wenn das Werk ausgeliehen
> wird. Eine Präsenznutzung gilt nicht (!) als Verbreiten.
>
> Ich empfehle deshalb: Das betroffene Buch sofort aus dem
> Ausleihbestand herausnehmen. Es empfiehlt sich außerdem, das
> Buch auch nicht direkt in den frei zugänglichen Präsenzbestand zu
> stellen, sondern in einem (Gift-)Schrank wegzuschließen. Über
> diese Maßnahmen sollte der Betroffene informiert werden. Dabei
> darf der Hinweis nicht fehlen, daß die Bibliothek weder in der
> Vergangenheit "Verletzer" im Sinne von § 98 UrhG war, noch in der
> Zukunft das Buch "verbreiten" werde.
>
> Für einen Anspruch gegen eine Bibliothek auf Vernichtung des
> Buches sehe ich jedoch absolut keinen rechtlichen Anspruch.
> Wenn der Kläger eine andere Meinung hat, soll er mal versuchen,
> eine Bibliothek zu verklagen. Die Bibliotheksjuristen würden sich
> sehr freuen, hier ein Urteil zu erlangen. Denn bislang existiert ein
> derartiges Urteil gegen (!) eine Bibliothek noch nicht.
>

Diese Antwort irritiert mein laienhaftes Redchtsempfinden etwas.

Unter "rechtswidriger Verbreitung" wuerde ich verstehen, wenn ich
z.B. mir die Konzertaufnahme eines Pianisten verschaffe und ohne
Genehmigung des Kuenstlers Kopien herstelle und verkaufe.

Was im oben geschilderten Fall vorliegt, waere aber doch so, als
wuerde ich auch noch behaupten, ich haette selbst gespielt.

Ist das nicht ein anderes Kaliber?

Durch Praesenznutzung wird doch z.B. nicht unterbunden, dass ein
Leser in Unkenntnis der Lage die Arbeit unter dem Namen des
"falschen" Verfassers zitiert usw.

Mit freundlichen Gruessen

Christoph Deblon
MHS Trossingen


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