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Re: Informatiker entwickeln Bibliothek der Zukunft



Grundsätzlich liegt dem Ansatz doch ein Denkfehler zugrunde. Eine Bibliothek
erwirbt ein Buch, wenn sie davon ausgeht, dass ihr Benutzerkreis dieses Buch
benötigt. Dies schließt in der Regel die Vermutung ein, dass die einmalige
Anschaffung des Buches zu einer mehrfachen oder gar häufigen Benutzung des
Buches führt. Dies ist der rationelle Kern der Existenz von Bibliotheken,
nämlich mit einmaligem Einsatz einer Geldsumme eine mehrfache und außerdem
dauerhafte Nutzung zu schaffen. Ist nur ein einziger Benutzer vorhanden, der
ein Werk benötigt, das nicht zu dem Sammelgebiet gehört, wird man dieses
mittels kooperativer Formen der Bibliotheken (Leihverkehr etc.) beschaffen.
Die Argumentation des E-Verlage-Teams, die geringen Bibliotheksressourcen
für ein Werk einsetzen, das nur ein Einziger benötigt und das anschließend
nicht dauerhaft zur Verfügung steht, stellt dies völlig auf den Kopf. Absurd
wird es geradezu, wenn man die Möglichkeit bedenkt, das nach diesem Einzigen
wiederum ein zweiter und nach einiger Zeit ein dritter "Selbsterwerber" auf
Kosten der Bibliothek kommt, der dieses Werk "in Einzellizenz" erwirbt: die
Kosten für die Benutzung eines einzelnen Werks steigen dann nämlich linear
mit der Zahl der Benutzer an - gerade das Gegenteil dessen, was die
Wirtschaftlichkeit einer Bibliothek ausmacht.
Wie schon eine Kollegin in dieser Liste anmerkte: die "Bibliothek der
Zukunft" ist keine Bibliothek, sondern eine Buchhandlung. Allerdings - wie
es scheint - eine Buchhandlung ohne Kunden, denn ansonsten würden die
"Selbsterwerber" ja tatsächlich selbst erwerben - allerdings auf eigene
Kosten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jürgen Kaestner
Kanzlei des Hessischen Landtags
Referatsleiter Archiv, Bibliothek, Dokumentation
e-Mail: J.Kaestner _at__ ltg.hessen.de
www.landtag.hessen.de: Zugang zum Landtagsinformationssystem über die
Menüpunkte Datenbanken, Dokumentenarchiv, Elektronische Bibliothek



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