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(Des)Informationskampagne der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger und des Boersenvereins



Verleger und Börsenverein haben eine Kampagne mit Unterschriftenaktion
gestartet, um den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der
EU-Richtlinie "Urheberrecht in der Informationsgesellschaft", der am
2.4.2003 im Rechtsausschuß des Bundestages abschließend beraten und dann
zügig als Gesetz verabschiedet werden soll, in der gegenwärtigen Form
doch noch zu kippen. Ziel der Kampagne sind vor allem die §§ 52a (Recht
der Zugänglichmachung über Netze für Unterricht und Forschung) und § 53
(Vervielfältigungsrecht). 

Nachzulesen unter

Verlage und Wissenschaftler für ein faires Urheberrecht
http://www.52a.de/inhaltsverzeichnis.htm

(Gestoßen bin ich auf diese Website über SpringerLINK.)

Das von der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger und dem
Börsenverein des deutschen Buchhandels verantwortete Pamphlet kann nur 
als übles Machwerk bezeichnet werden. Nachzulesen ist dort solch
haarsträubender Unsinn wie die Behauptungen, 

- die Bibliotheken brauchten dann nur noch ein Lehrbuch oder eine
Fachzeitschrift, um die Netzwerke aller Universitäten in der
Bundesrepublik Deutschland mit digitalen Kopien für Forschungszwecke
versorgen zu können, und
- der digitale Dokumentenversand erlaube es den Bibliotheken, geschützte
Werke selbst zu vermarkten, indem sie die Inhalte kopierten und dann im
Wege des digitalen Dokumentenversandes an externe Endabnehmer
versendeten. 

Natürlich werden alle zu erwartenden Kampfbegriffe ins Feld geführt: von
der Enteignung der Verlage bis zur Sozialisierung des Fachverlagswesens. 
Den Bibliotheken wird bescheinigt, sie befänden sich in einer
Zwickmühle, da ihnen die Entwicklung davonlaufe, wenn sie sich weiter
nur auf körperlich vorhandene Medien konzentrierten, während die reine
Online-Publikation Bibliotheken überflüssig mache. 

Die Bibliotheken hätten hochkomplexe Systeme zur
"Informationsversorgung" aufgebaut, ohne die Rechte an den Inhalten zu
haben; ihnen wird unterstellt, sich die fehlenden Inhalte jetzt durch
Ausbeutung fremder Leistung "im Handstreich" verschaffen zu wollen. Das
Pamphlet gipfelt in der Aussage, Deutschland schicke sich an, seinen
Bibliotheken Plünderungsrechte zuzugestehen, die es sonst nirgendwo
gebe. 

Wo die Autoren angesprochen werden, wirft man in gewohnter Manier die
Interessen von Buch-Autoren mit denen von referierten wissenschaftl.
Publikationen, die für ihre Publikationen ohnehin kein Honorar erhalten,
in einen Topf und behauptet pauschal, die Autoren würden die Kontrolle
über die Verbreitung ihrer Texte verlieren. Vertreter des "open access"
werden als als Minderheit abgetan, denen gleich noch unterstellt wird,
die eigentlichen Verursacher der Zeitschriftenkrise zu sein.

Ein Brief von Dr Riedel (Hanser) mit der Überschrift "Diese
Honorarabrechnung könnte für viele Bücher die letzte sein" wird derzeit
breit an Hochschulen gestreut und ist ebenfalls auf der Website der
Aktion des Börsenvereins und der wiss. Verlage veröffentlicht. Ich
hoffe, daß DINI, DBV, BDB und DGI auch kurzfristig die Initiative
ergreifen werden (oder dies schon getan haben, für entsprechende
Hinweise wären ich und andere sicherlich auch dankbar) dieser Kampagne
mit der nötigen Entschiedenheit entgegenzutreten, ebenso wie
Bibliotheken vor Ort bei ihren Unterhaltsträgern und an der eigenen
Hochschule.   

P.S.: Der Gesetzentwurf im Wortlaut und zahlreiche Stellungnahmen dazu
sind nachzulesen unter 

http://www.urheberrecht.org/topic/Info-RiLi

die Stellungnahmen des Bibliotheksverbands, von DINI etc. auch unter
http://www.bibliotheksverband.de/dbv/rechtsgrundlagen/copyright.html

-- 
Bernd-Christoph Kaemper, Dipl.-Physiker, Bibl.-Rat
Fachreferent für Physik und Koordination elektronischer Ressourcen
Universitätsbibliothek Stuttgart, Postfach 104941, 70043 Stuttgart
Tel +49 711 685-4780, Fax +49 711 685-3502, kaemper _at__ ub.uni-stuttgart.de


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