[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Finanzierungsstop für ZLB



Liebe Liste,

diesen Artikel fand ich am Wochenende in der WELT (Ausgabe vom 8.09.99),
leider handelt es sich hierbei um alles andere als eine ermutigende
Nachricht...

MfG
Christoph Hermann

E-Mail: biblionaut _at__ gmx.de



Deutsche Wissenschaftslandschaft wird ärmer
Wissenschaftsrat empfiehlt Finanzierungsstopp für Zentralbibliothek - größte
agrarwissenschaftliche Sammlung Europas gefährdet 

Von Kathrin Spoerr 
Wahrscheinlich ist der Kreis derer begrenzt, die mit der Abkürzung ZLB und
der sich dahinter verbergenden "Zentralbibliothek für Landbauwissenschaften"
in Bonn etwas anfangen können. Doch das wird bei den meisten der 82
wissenschaftlichen Institutionen der Fall sein, die wegen der Exzellenz
ihrer Forschungstätigkeit auf der so genannten Blauen Liste stehen und von
Bund und Ländern finanziert werden. Besser bekannt sind die Max-Planck- und
Fraunhofer-Institute, die Flaggschiffe der Blauen Liste. Wenn es die ZBL,
die nationale Fachbibliothek für Landbau-, Ernährungs- und
Umweltwissenschaften, künftig nicht mehr geben sollte, wird der öffentliche
Aufschrei wohl ausbleiben. Ihr Ende steht bevor: Der Wissenschaftsrat hat
jüngst empfohlen, das Institut von der Blauen Liste zu streichen. Das
bedeutet, dass die Bibliothek ihren jährlichen Zuschuss von 4,3 Millionen
Mark verliert. Mehr als eine halbe Million Bücher, Aufsätze und 7000
Zeitschriftenabonnements wären damit gefährdet. Deutschland wird damit auf
einem weiteren Gebiet seine Führungsposition in der Welt einbüßen - und zwar
für immer.
Nach Auffassung des Wissenschaftsrats hat die ZBL die
Blaue-Liste-Förderwürdigkeit verwirkt, weil sie sich nicht in ausreichendem
Maße um Internet-Auftritt und EDV gekümmert hat. "Ein tragfähiges
EDV-Konzept für den Einsatz neuer Medien in den verschiedenen
bibliothekarischen Abläufen liegt nicht vor", heißt es in einer
Stellungnahme des Wissenschaftsrats vom Juli. Die Bibliothek sei "in zu
starkem Maße auf Printmedien festgelegt und bezieht heute zum Standard
gehörende elektronische Medien in ihre Dienstleistung zu wenig ein". In der
"ausdrücklichen Betonung bibliothekarischer Perfektion" sehen die Gutachter
ein Indiz für Überkommenheit. Auch die von ihnen bescheinigte "sehr gute
Fachkompetenz, Qualifikation und Motivation" kann dies nicht kompensieren.
Den nüchternen Leser des Gutachtens überfällt der Eindruck, Sinn und Zweck
einer Bibliothek sei ihr Auftritt im Internet und nicht, wie zuvor
angenommen, die Möglichkeit, Literatur auszuleihen. An dieser, der
klassischen Funktion der ZBL, lassen die Gutachter keinen Zweifel aufkommen.
Die Sammlung selbst, ihrer Archivierung und Systematisierung, wird gelobt.
"Aber das kann nicht genügen", sagt der Generalsekretär des
Wissenschaftsrats, Wilfried Benz. "Ein Institut, das die neuen Medien nicht
zeitgemäß nutzt, erfüllt die Forderung wissenschaftlicher Exzellenz nicht
mehr", sagt Benz. Die Bedeutung der Sammlung sei nicht Gegenstand der Kritik
gewesen. Ihr Verlust sei nicht Sache des Wissenschaftsrats.
Die Bibliothek weist den Vorwurf der EDV-Feindlichkeit zurück. Seit Jahren
wachse der Bestand der elektronisch recherchierbaren Literatur. Eine
Mitarbeiterin berichtet, dass "jedes Buch und jede Zeitschrift in höchstens
zwei Stunden lieferbar ist" - an Studenten der Natur- und
Agrarwissenschaften, vor allem auch an die Nahrungsmittel- und
Pharmaindustrie. Ihnen stünde ein Basis-Recherchegebiet nicht mehr zur
Verfügung. Aber das ist nur die eine, die praktische Seite des Verlusts.
Auf der anderen Seite ginge mit der Bibliothek ein Stück deutscher
Wissenschaftsstandort verloren. Denn diese Sammlung stellt in ihrer
Vollständigkeit einen Wert an sich dar, der in der 150-jährigen Tradition
der Bibliothek nie infrage gestellt wurde. In dieser Zeit gab es gewiss
Jahre, in denen sich Deutschland Bibliotheken schwerer leisten konnte als
heute. Dennoch wurde ihr Nutzen nie grundsätzlich bezweifelt. Genau dies
scheint aber heute der Fall zu sein. "Das Wort Sammlung ist heute verpönt",
beklagt eine Mitarbeiterin der Bibliothek. Dabei sind Bibliotheken nie etwas
anderes gewesen als Sammlungen. Die Qualität einer Bibliothek steckt in
ihrem Umfang und in der Systematik ihres Bestandes. So und nicht anders
haben die Bildungseliten seit der Antike den Sinn von Bibliotheken
verstanden. Die EDV, so sinnvoll sie ist, kann nie den Inhalt, die Bücher
und Aufsätze selbst ersetzen.

(c) Die WELT online
http://www.welt.de





Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.