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Re: Zeitschriften-Radikal-Abbestellung



Liebe Listen-Teilnehmer, 

die "Vorratshaltung" von Publikationen ueber Abonnementsbezug durch
eine wie immer geartete Besorgung der nachgefragten Einzelartikel zu
ersetzen, ist eine Idee, die bisher so ziemlich jedem gekommen ist,
der sich mit der Zukunft des Publizierens und der 
Informationsversorgung in den exakten Wissenschaften beschaeftigt
hat. Dass das traditionelle System der Informationsversorgung wegen
der "Explosion" des Wissens, der Preise etc. an seine Grenzen
gekommen ist, wurde auch schon oefters z.B. in Beitraegen von Herrn
Prof. Groetschel und Herrn Dr. Luegger ueberzeugend dargelegt.

Der Vorschlag ist aus oekonomischer Sicht aber erst sinnvoll, 
wenn die Primaerinformationen nicht mehr ueberwiegend ueber 
gewinnorientierte Verlage vertrieben werden. Andernfalls wuerden 
sich, wenn fuer die Verlage der gleiche Umsatz herauskommen soll, 
prohibitiv hohe Preise fuer den Bezug der Einzelartikel ergeben 
(prohibitiv in dem Sinne, dass jemand sich nicht mehr traut, 
ggf. zu Lasten anderer einen Artikel zu bestellen, der ihn "nur" 
interessiert - selbst dann, wenn diese Loesung die wirtschaftlich 
vernuenftigste waere).

Interessant und letztlich entscheidend ist die Einstellung der 
Wissenschaftler selbst zu diesen Fragen. Die Aussage ist sicher 
richtig, dass mehr als 90% der in Nuclear Physics B erscheinenden 
Arbeiten in mehr oder weniger identischer Form im Volltext ueber den 
Preprint-Server in Los Alamos zu beziehen sind. Wenn man aber fragt, 
ob man sich die Kosten fuer das $112670 teure Abonnement dann nicht 
sparen koennte, wird dieser Vorschlag als mehr oder weniger guter 
Scherz aufgenommen.

Ich hoffe, dass sich folgende Loesung durchsetzt und finanzierbar 
bleibt:
Zum einen sollten die Mittel dafuer reichen, dass jedem 
Wissenschaftler weiterhin die Hefte der etwa 10 fuer ihn wichtigsten 
Zeitschriften in physischer Form fuer die Durchsicht bereitgestellt 
werden koennen. Als wissenschaftlich nicht Betroffener akzeptiere 
ich: Wenn viele gute Leute etwas fuer schwer verzichtbar halten, hat 
es vermutlich auch einen "guten Grund".
Zum andern kann die Breite der Versorgung nur gesichert werden, wenn 
- wie in der "Grundidee" durch  Herrn Prof. Hilf skizziert - mit 
staatlichen Mitteln erbrachte Forschungsergebnisse ueber Internet 
frei zugaenglich zur Verfuegung gestellt werden, um es in letzter 
Konsequenz zu formulieren. 

Das Problem ist geloest, sobald sich in jeder wissenschaftlichen 
Stellenausschreibung folgender obligatorische Vermerk findet: "Der 
Bewerber verpflichtet sich, seine Forschungsergebnisse oeffentlich 
ueber Internet bekannt zu machen." 

Natuerlich muessen - unter Beteiligung von Bibliotheken und 
Fachgesellschaften - auch Nachweis und Archivierung sichergestellt 
werden, was aber hier nicht weiter thematisiert zu werden braucht.


                                   Wolfgang Binder


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.