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Re: DigiZeitschriften-Kommerz



Zur Beurteilung der sehr dezidierten Äußerungen Klaus Grafs zum
neu gegründeten Verein "DigiZeitschriften" sollten vielleicht doch
einige Fakten berücksichtigt werden:

DigiZeit zielt auf den Aufbau eines Angebots an deutschen
retrodigitalisierten Zeitschriften. Es handelt sich hierbei um die
meistgenutzten und angesehensten Kernzeitschriften der
jeweiligen Fächer mit einem größtenteils sehr langen
Erscheinungsverlauf, der oft bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht.
Das Projekt wird in der Aufbauphase durch eine
Anschubfinanzierung der DFG unterstützt. Vorbild ist die
amerikanische Not-for-Profit-Organization JSTOR, deren Nutzer
monatlich circa 2,5 Millionen qualifizierte Zugriffe auf die JSTOR-
Datenbank mit ihren 124 Zeitschriften vornehmen. Diese Zahlen
belegen, das der geplante Service von DigiZeit auf einen
signifikanten Bedarf der wissenschaftlichen Öffentlichkeit reagiert.

Der Verein DigiZeitschriften, der den Aufbau des geplanten
Angebots zu leisten hat, verfolgt satzungsgemäß ausschließlich
und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Die von DigiZeit bei den
Vereinmitgliedern und nutzenden Einrichtungen zu erhebenden
Entgelte dienen daher ausschließlich zur Deckung der laufenden
Kosten. Da die bereitgestellten Zeitschrifteninhalte größtenteils
dem Copyright unterliegen, entstehen diese Kosten primär durch
Lizenzgebühren für Verlage und die Verwertungsgesellschaft Wort.
Von einem gewinnorientierten "Abkassieren", wie Graf formuliert,
kann also keine Rede sein.

Das geplante Beitragsmodell zielt zudem auf ein Abonnement
durch die Bibliothek oder Forschungseinrichtung für ihre
eingetragenen Nutzer in Form einer site licence, wobei
voraussichtlich eine Preisdifferenzierung nach der Größe der
Bibliothek vorgenommen wird. In der Startphase soll der Dienst
zudem kostenfrei nutzbar sein. Im Gegensatz zur Ansicht Grafs
stellt DigiZeit also gerade auch für kleinere Einrichtungen eine
attraktive Option des Zugriffs auf ein umfassendes
Zeitschriftenangebot dar. Über alle sonstigen mit einer
elektronischen Bereitstellung von Zeitschrifteninhalten verbundenen
Vorteile muss an dieser Stelle sicher nicht diskutiert zu werden.

Insgesamt zeigt die Mail von Graf also eine beeindruckende
Verbindung von Sachunkenntnis und Urteilssicherheit, die immer
Ausdruck eines ungebrochenen Selbstbewußtseins ist, zu dem
man Klaus Graf nur beglückwünschen kann.


Mit freundlichen Grüßen,

Klaus Ceynowa


Am 25 Feb 2002, um 21:18 hat Klaus Graf geschrieben:

> Führende deutsche Bibliotheken halten nichts von den lauter werdenden
> Forderungen nach einem kostenfreien Zugang zu wissenschaftlicher
> Literatur (FOS Movement) und
> haben daher einen Verein DigiZeitschriften gegründet, meldet das
> Göttinger
>   Tageblatt. Es geht offenbar um ein deutsches Äquivalent für das
> amerikanische
>   Projekt MUSE, das für seine extrem hohen Preise bekannt ist (man
> schaue einmal, wer in Deutschland Abonnent ist - so gut wie niemand).
> Abkassieren steht nun
>   auch bei den deutschen Bibliotheken an erster Stelle: "Das Angebot
> richtet sich an
>   Institutionen, Forschungseinrichtungen und Bibliotheken, die es über
> ein
>   Abonnement ihren Nutzern zugänglich machen können."
>
> Zitat aus http://www.digizeitschriften.de
>
> Free lunch is over. Nach vorne toent man im deutschen Bibliothekswesen
> gern, man wolle das E-Publizieren foerdern und beklagt die Preispolitik
> der Verlage - um hintenherum das grosse Abkassieren einzuleiten. Kann
> mir mal jemand erklaeren, was eine kostenpflichtige
> Zeitschriftendigitalisierung durch Bibliotheken von den boesen
> Verlagsprodukten unterscheidet? Eine extrem unterfinanzierte
> Mini-Landesbibliothek wie die Koblenzer, die sich so gut wie nichts im
> Online-Bereich leisten kann (oder will ...), koennte vermutlich auch
> kein Abonnement von DigiZeitschriften finanzieren. Das neue Projekt
> finde ich einfach nur widerlich.
>
> Klaus Graf



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Dr. Klaus Ceynowa
Stellvertretender Direktor
Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
37070 Göttingen
Tel.: + 49 (0)551 39-5214
E-Mail: ceynowa _at__ mail.sub.uni-goettingen.de
Fax: + 49 (0) 551 39-5222
Mobil: + 49 (0)175 5854678


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