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Welche Bibliotheksstrategie bei Open Access?



Lieber Herr Umstaetter, liebe Liste,

vielen Dank, dass sie diese unglückliche Diskussion endlich von der
personalen Fixierung gelöst haben; ich fand die Antwort von Fr. Wegner
auf meine ursprüngliche Anregung aufschlussreicher als so manchen
unnötigen
Pawlowschen Reflex im Folgenden (deshalb habe ich das auch lieber
etwas erschreckt auf persönlicher Ebene weitergeführt und lagere das
Folgende mal schleunigst in einen eigenen Thread aus!).

Ihrer Verteidigung des Bibliothekswesens möchte ich einige
Anmerkungen hinzufügen, denn es ist doch wohl sehr "on-topic"
(Internet & Bibliotheken at its best...), und am Feiertag kommt nun
endlich die Zeit dazu, um zu antworten...

> Der oder die Diplomand/in entscheidet darüber frei, ob die
> Prüfungsarbeit gesperrt wird oder zu veröffentlichen ist.
  *schnipp*
> Sie alle als Publikationen zu bezeichnen, weil sie im Internet
> abrufbar bzw. bestellbar sind, ist irreführend.

Dies stimmt sicherlich für die eigene Homepage, doch sobald eine
(bewertende) Institution dahintersteht, zähle ich auch Hausarbeiten
zu den Publikationen. Auch bibliothekarische Diplomarbeiten liegen
mittlerweile auf Hochschulservern (ich nenne z.B. Stuttgart) bereit.

> Die eigentliche Frage hinter dieser Problematik ist aber eine ganz
> andere. Darf das Monopol, dass jeder Autor durch sein Urheberrecht
> hat, beliebig ausgeschöpft werden. Darf er für ein Dokument 100.000
> oder auch nur 10 Euro verlangen, wenn der Leser, nachdem er das
> bezahlt hat, feststellt, dass für ihn nichts neues darin steht.
  *schnipp*
> Information und Wissen ist keine Ware wie jede andere, sonst gäbe es
> kein Urheber- kein Patentrecht und keine Bibliotheken.

Das ist auch der Grund, warum die am weitesten fortgeschrittenen
Open-Access-Modelle auf die Abgeltung der Produktions- und
Verteilungskosten durch die Urheber setzen (dies ist bei Biomedcentral
so, und auch die neuen PLOS-Journals verfolgen diese Strategie).
Dadurch wird ein unverhältnismäßiges Profitieren verhindert, während
gleichzeitig die Literatur für die Forschung schnell und umfassend
bereit steht.

Die wichtige Frage ist eben nun die, wie die Bibliotheken darin zu
positionieren sind.

Bei einer Frage besteht nämlich noch Klärungsbedarf: Ist der Open Access
nun gut für die Bibliotheken, weil dadurch die teuren Lizenzen
vermieden werden könnten, oder ist er schlecht, weil nun ja die
Bibliotheken als Mittler gefährdet sein könnten?
Ich habe das Gefühl, da wird es vielen Kollegen etwas mulmig, und
anstatt sich damit auseinanderzusetzen, wird das einfach verdrängt.
Denn es ist doch unzweifelhaft, dass sich die Bibliotheken auch
dadurch legitimieren, gerade spezielle Zeitschriftenliteratur durch
Kauf und Lizenzierung für die Öffentlichkeit bereitzustellen.
Ich habe dafür keine endgültige Antwort, hätte ich sie, dann wäre ja
alles in Butter. Vielleicht denken sich die führenden Köpfe des
dt. Bibliothekswesens ja schon heimlich eine aus ;-)
Ich gehöre nicht dazu, aber man darf ja mal hier ein paar Gedanken
anregen.

Es wäre schon viel gewonnen, wäre die Rückkehr zu einem angemessenen
Verhältnis bei der Preisgestaltung von Zeitschriften möglich. Doch
viel wahrscheinlicher ist da wohl eine kontinuierlich anwachsende
Open-Access-Literatur mitsamt renommierter Bewertungs-Instanzen
(dito Qualitätssicherung und fachweltliche Akzeptanz) dahinter. Davon
werden sich die Bibliotheken nicht ausschließen können.

Die von Ihnen erwähnte "Neuentdeckung des Bibliothekswesens" ist im
Grunde die wichtigste Überschrift über eine ganze Reihe von Fragen.

Nur nebenbei: eine amerikanische Softwarefirma (SCO) versucht gerade, den
Urhebern ihren eigenen Willen zu verbieten, nämlich die unentgeltliche
Weitergabe von Software (bzw. die Lizenz, die eine freie Verfügbarkeit
des Quellcodes restriktiv vorschreibt) für illegal zu erklären. Hui, da
staunt der gesunde Menschenverstand.

Ich hoffe, wir können in Zukunft weiterhin selbst entscheiden, was wir mit
unseren Werken machen wollen, ganz egal ob entgeltlich oder unentgeltlich.

Gruss und ein angenehmes Wochenende,

      Daniel Zimmel


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