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Re: AW: AW: (Fwd) R-Reform: Verschlimmbesserung



Es ist bereits daran erinnert worden, dass kein geringerer als Melville Dewey
in den USA 1886 die Spelling Reform Association gründete und dafür eintrat, das Amerikanische zu profilieren.
Dieser amerikanisch denkende Bibliothekar fühlte sich damals zweifellos als Modernisierer seiner Zeit berufen.
Das waren noch Bibliothekare!
Er sah mit der Entwicklung der Lochkarten eine neue Ära anbrechen und die Chance moderner zu sein als die Briten.
Zumindest haben wir eine amerikanische Schreibweise für behavior, organization, etc.
und wir haben noch immer die DDC.
Auch in der DDR gab es Strömungen, zu einer eigenen Sprachidentität zu gelangen, und es gab Gegenströmungen.
Es sei nur an die geweihten und die ungeweihten geflügleten Jahresendzeitfiguren (s. Weihnachtsengel) erinnert.
Nicht zuletzt verdankten wir der Bemühung um gesamtdeutsche Gemeinsamkeit so ein schönes Wort wie die "Informations- und Dokumentationseinrichtung", kurz IuD-Einrichtung genannt, weil Informatik in Ost- und Westeuropa begrifflich anders besetzt war.
Eigentlich sind das alles Marginalien im Vergleich zu den Homonymen und Vieldeutigkeiten unserer Sprache,
die durch die Syntax entstehen.
Darum haben wir in unserer Sprache beim Retrieval seit Jahrzehnten recall ratios und precisions von nur 50 Prozent.
Daran hat sich wenig geändert.
Klassisch sind Suchen nach dem Politiker Nasser mit dem "Treffer" "Nasser September in NRW",
oder die Suche nach "Rechtschreibreform, mit dem "Hit" "Die Rechtschreibreform behandeln wir hier nicht."
Wenn man bedenkt, wie vieldeutig und oft fälschlich ein Wort wie Information in unserer natürlichen Sprache verwendet wird,
dann fallen Schreibweisen mit ss statt ß, sss oder Getrenntschreibungen ganz erheblich weniger ins Gewicht.
Im Gegenteil, das ß wird ohnehin oft automatisch als ss recherchiert und weil die meisten Retrievalsysteme keine Frontmaskierung haben, ist Getrenntschreibung grundsätzlich ein großer Vorteil.


Es geht also nicht darum, zu sagen, wir "spielen das ganze" einfach herunter, oder hinsichtlich der Inkonsitentsen
(hier bietet sich also neuerdings ein universal character bei "inkonsisten$" an),
es "Kommt doch auf ein paar mehr nicht drauf an",
sondern darum, dass wir erkennen sollten, dass Getrenntschreibung die Recherche dort erleichtert, wo es keine left hand truncation gibt.


Vermutlich wird man auch in absehbarer Zukunft, unabhängig von einer Rechtschreibreform, das Wort "Wurschtigkeit" mit suchen müssen, wenn man "Wurstigkeit" meint.

Man muss nicht selten ganz gezielt nach falschen schreibweisen recherchieren,
wenn man weiss, dass dort die Treffer zu finden sind, die man gerade sucht.


In bestimmten Bereichen kennt man ja seine Pappenheimer, wenn es darum geht falsch verwendete Begriffe zu suchen. Man weiß eben, dass viele Autoren Knowledge Management schreiben und eigentlich nur Information Management oder auch Konowledge Based Management meinen.

Das ist der Grund, warum auch ontologies keine höhere precision bringen können, solange wir keine klare Begrifflichkeit über einen wohl definierten semiotischen Thesaurus herstellen.

Es ist ein wichtiger Teil der Kunst des Recherchierens in sog. natürlicher Sprache, der bei jedem echten Retriever den Jagdinstinkt weckt, z.B. "R-Reform" AND Eversberg zu suchen ;-).
Interessant ist, dass bei Google 79 Treffer angegeben werden, aber zunächst nur 6 links erscheinen, die auf 66 Treffer erweitert werden können.


MfG

Umstätter

Rohde Bernd wrote:

Liebe Liste, lieber Herr Jochum,



Die NZZ schreibt, mit Ausnahme des verschwundenen ß, ein sehr gut
lesbares Hochdeutsch mit gelegentlichen Helvetizismen.


Diesen verschwunden Buchstaben kann auch ich leider auf meiner schweizerischen Tastatur nicht erzeugen. Er ist also eher rein technisch verschwunden, und das wohl schon vor der (letzten) Rechtschreibreform. Manchmal vermisse ich ihn schon etwas.


"Unterbrechung" heißt da immer noch "Unterbrechung",
auch wenn es guttural "Unterbrächik" gesprochen wird.


In jedem Dialekt der deutschen Sprache gibt es Unterschiede von der Ausprache zum Schriftdeutschen. Die FAZ babbelt auch nicht hessisch.


Der Duden hat Austrazismen und Helvetizismen immer treu
verzeichnet, d.h. sowohl lexikalische als auch orthographische
Besonderheiten vermerkt und zugelassen.


Der Duden ja, aber es wurde auch schon gefordert, wie hier in der Liste auch schon, dass von Seiten der Bundesregierung oder der Kultusministerkonferenz der Bundeslaender etwas Gesetzliches unternommen werden soll. Dabei betrifft dieses Thema die zwischenstaatliche Erklaerung von 1996. Da sollte nichts einseitig beschlossen werden.


... Willkürschreibungen eben genau deshalb,
weil bis dahin niemand auf die Idee gekommen war,
so zu schreiben (aufwändig, Gräuel, Nussschale).


Tut mir leid, aber an meinem PC kann ich mit den vorhandenen Tasten nur Nussschale schreiben (oder alternativ Nuss-Schale). In MS Word oder ALEPH kann ich so ziemlich jedes Sonderzeichen einfuegen, aber es ist halt etwas aufw(a)endig. Zustimmung aber in folgendem Punkt: Manche Neuerungen sind wirklich ein ... Greuel/Graeuel? ... Graus.

Gruss aus Bern
Bernd Martin Rohde
__________

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