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Re: AW: Bildungscontrolling in Bibliotheken
- Date: Wed, 13 Apr 2005 16:12:53 +0200
- From: Walther Umstätter <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: AW: Bildungscontrolling in Bibliotheken
Sehr geehrter Dr. Strzolka
ich befürchte auch, dass hier Bildung im comon sense von Aus- und 
Schulbildung und damit als Informations-, möglicherweise sogar 
Wissenserwerb verstanden wird. Das ist aber auch nicht verwunderlich, 
wenn an unseren Schulen Geistesbildung längst zum pauken für Prüfungen, 
Körperbildung zum Sportunterricht, Seelenbildung zum 
Religionsunterricht, LER etc. verballhornt wurden, und Herzensbildung, 
die Pestalozzi für die Wichtigste hielt, im Bildungsplan ganz gestrichen 
ist, weil den meisten Menschen heute bei Liebe fast nur noch der Sex in 
den Boulevardblättern einfällt.
Trotzdem gibt es, wie man an Ihrer Reaktion sieht, durchaus Menschen, 
die noch wissen, das Bildung etwas höherwertiges ist, und das, obwohl 
Haskala, Mendelssohn (1729–1786, Humboldt, Humanismus etc. Stichworte 
einer längst vergangenen Zeit sind. „Nathan der Weise“ (1779) in der 
Schule gelesen zu haben, bedeutet bekanntlich nicht, ihn auch auf der 
begrifflichen Ebene, der Wissensebene, geschweige der Bewusstseinsebene 
zu verstehen. Dazu benötigt man das publizierte „Gedächtnis“ einer 
brauchbaren Bibliothek (inklusive Internet).
Wenn man aber eine klare Vorstellung von Bildung hat, kann man durchaus 
auch ein „Bildungscontrolling“ anvisieren. Das Controlling bedeutet ja 
nicht Bildung zu messen. Es wäre ja schon viel gewonnen, wenn man in 
Bibliotheken den Bildungsgedanken wiederentdecken würde.
Für einige Bildungspolitiker wäre es zumindest eine wichtige 
Neuentdeckung, denn das hat die Bibliotheken in den USA am Beginn des 
letzten Jahrhunderts stark und das Land mächtig gemacht. Wenn nach Bacon 
gilt: „Wissen ist Macht.“, dann hat Bildung zweifellos noch eine weitaus 
größere Macht, denn eine gesunde Geistesbildung entfaltet erst durch die 
Ausgewogenheit mit Körper-, Herzens- und Seelenbildung ihre volle 
Wirksamkeit. Nur eine ausgewogene Bibliothek kann Bildung vermitteln, 
darum waren Länder mit vielen, aber ideologisch ausgerichteten 
Bibliotheken nie mächtig. Sie waren oft gewaltsam und entsprechend dumm, 
aber keine gebildeten Mächte.
Mit freundlichen Grüßen
W. Umstätter
Strzolka, Rainer wrote:
Also, ich bin ja so allerhand an Worthülsen und Moden gewöhnt, aber 
das nun
auch die Bildung einem "controlling" unterworfen werden soll... echte
Bildung zeichnet sich durch einen weiten Horizont aus, und der versagt 
sich
jedem Controlling. Glücklicherweise...
Grüsse von Rainer Strzolka
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.