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SZ-Polemik gegen "fragwuerdige" Anreicherung von Katalogen



Liebe INETIBLER,

in der heutigen Ausgabe der Suedeutschen Zeitung warnt Reinhart Markner polemisch vor der "fragwuerdig"en Anreicherung von Bibliotheks-, genauer: Verbundkatalogen mit Links zu Rezensionen (Verlinkung der Rezensionen aus H-Soz-u-Kult im Gemeinsamen Verbundkatalog des GBV) und der Verlinkung zu Bestellmöglichkeiten parallel zu Fernleihe und BEstandsnachweis ("Buch bestellen über BookFinder.com" - dahinter verbirgt sich Amazon - im Bayerischen Verbund):

Reinhard Markner: Kampfplatz Katalog. Die Verzeichnisse der Bibliotheken werden fragwürdig "angereicht", in: Süddeutsche Zeitung Nr. 100, 2.5.2005, S. 16

Das Thema der Anreicherung mit Rezensionen wurde in INETBIB vor geraumer Zeit schon diskutiert. Die jetzt erneut von Nutzerseite vorgebrachten Argumente überzeugen nicht. Markner bringt das Beispiel einer Rezension, die aufgrund von persönlichen Verflechtungen negativ ausfiel:

<Zitat>
"Wer nun beispielsweise die Familienchronik "Die
Krupps" von Thomas Rother (Campus-Verlag, Frankfurt am
Main 2001) in einer niedersaechsischen Bibliothek
sucht, wird vor der Lektuere dringend gewarnt: Das Buch
sei "ein Aergernis ... schlampig recherchiert,
schlecht strukturiert und miserabel geschrieben". Das
mag zutreffen. Aber die Rezensentin war als
Mitarbeiterin von Lothar Gall, des von der
Krupp-Stiftung offiziell beauftragten Historikers, in
ihrem Urteil vielleicht nicht ganz unbefangen. Das
"Handelsblatt" meinte jedenfalls, der Journalist
Rother habe ein "lesenswertes Buch über Grösse und
Tragik der Krupps" vorgelegt. Davon aber erfaehrt der
Bibliotheksbenutzer nichts.
Ist Literatursuchenden das Studium solcher
Beipackzettel zu empfehlen? Kataloge sind keine
Kampfplaetze, sie dienen einzig dem Nachweis von
Büchern und anderen Medien. Die zugehörigen
Verdammungsurteile oder Lobpreisungen gehören nicht in
sie hinein. Diese sind Teil einer öffentlichen
Debatte, die nur an anderen Orten geführt und
protokolliert werden kann."
</Zitat>

Die scharfe Entgegensetzung von "Wertung statt Recherche" ist unpraezise: SChliesslich wird kein Nutzer des Katalogs sich zwingen lassen, dem Link auf die Rezension zu folgen. Vielleicht jedoch dankbar sein, dass wenigstens diese eine leicht zugaenglich gemacht wird.
Bei gedruckten Rezensionen kann einem dasselbe passieren - auch hier wird man in der Zeitschrift, in der man sie findet, nicht auf andere - vielleicht gerechtere, weniger befangene - Besprechungen aufmerksam gemacht. Aber man hatte etwas mehr Mühe, die Rezension zu ermitteln und einen gedruckten Zeitschriftenband zu erhalten, womöglich aus einem Aussenmagazin mit mehreren Tagen Lieferfrist. Und wer wird auf die Idee kommen, einer Bibliothek vorzuwerfen, diese Zeitschrift mit dieser Rezension abonniert zu haben, jene mit einer anderen jedoch nicht?
Angesichts der Fragwürdigkeit der von Markner vorgebrachten Argumente wird die erneute Polemik gegen eine hilfreiche Dienstleistung hoffentlich keine Konsequenzen haben. Wünschenswert waere allenfalls der - nach meinem laienhaften Verstaendnis kaum erfolgversprechende - Musterprozess eines Autors/einer Autorin, der/die sich benachteiligt fühlt. Kann der Nachweis einer online vorhandenenden und damit veroeffentlichten Rezension im Verbundkatalog ueberhaupt bestritten werden? Muesste nicht vielmehr H-Soz-u-Kult als 'Verleger' wegen ggf. uebler Nachrede verklagt werden? Eine bei wissenschaftlichen Rezensionen absurde Vorstellung.


Mit freundlichen Gruessen (und einigermassen in Rage),
Bernhard Tempel


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.